♫ But Baby, it’s coooold outside ♫
Klassisch. Weihnachten ist vorbei, die ganze Republik erstickt im Neuschnee und in Kiel und Hamburg ist – nix. Kein Koks aus den Wolken, keine Bettfedern von Frau Holle, nur eine wirklich frostige Nacht und die anschließenden kleinen und großen Probleme, die ein altes Auto mit sich bringt 🙂 Gestern waren -10° da draußen. Zehn. Minus! Die Hamburger Alster ist zugefroren. Und nicht nur die Alster, mein Auto auch. Sie Sonne scheint. Ich komm nicht rein. Gar nicht. Also besinne ich mich auf den Winter 1991/1992, als ich mit einem ähnlichen Auto vor ähnlichen Problemen stand. Es erfordert Körperwärme, Geduld und ein Lied auf den Lippen.
Ich will doch nur zur Arbeit…..
Man kennt das ja aus vergangenen Jahren. Wenn zwei Zentimeter Schnee fallen, bricht sofort der komplette Individualverkehr zusammen. Menschen halten spontan auf den Autobahnen an und laufen schreiend über den Mittelstreifen, LKW kippen bei Schrittgeschwindigkeit um und hysterische Teenager bauen Schneemänner auf matschigen Beschleunigungsstreifen. Immer das Gleiche. Aber Kälte – Kälte (also RICHTIGE Kälte) wird uns Norddeutschen nur sehr selten beschert. Und da gibt es diese ganz schmale Temperaturspanne, bei der Wasser gefriert und einfach gefroren bleibt. Ein altes Auto zeigt einem die vielen lustigen Plätze, an denen sich Wasser verstecken kann, bevor es gefriert. Das ist nicht etwa in erster Linie die Türdichtung, die so fest klebt, dass ich den Grauguss-Schalengriff aus der Tür rausreiße (diese Geschichte ist eine Andere™ von 1996) – nein das geht schon vorher los. Ich bekomme den Schlüssel erst gar nicht in das Türschloss rein.
Na toll. Ich stehe direkt neben der KiTa meines viertelfinnischen Sandmädchens und will doch nur ins Büro. Viele Eltern kommen vorbei, strahlen mich an und betonen im Vorbeischieben, was ich doch für ein geiles Auto habe. Ja, finde ich auch. Meistens. Ich lächel freundlich und tu so, als suche ich noch eine Adresse in meinem Handy 😉 Lächeln und winken. Immer lächeln und winken.
Ein Zigarilloraucher hat natürlich immer ein Feuerzeug einstecken. Als die Elterndichte gerade ein wenig abnimmt gebe ich Gas und fackel an dem kleinen Zündschlüssel rum. Meine rechte Hand ist gefühlt schon abgestorben, meine linke steckt wenigstens in einem löcherigen Handschuh. Als ich das metallene Ding für einigermaßen angewärmt halte versuche ich, es mit Hauchen und Schmauchen ins zugefrorene Schloss einzuführen.
Es ist ziemlich intim, neben seinem Auto zu knien und mit warmen, weichen Lippen hitzige Bekenntnisse in Form von Körperwärme auf den Schließzylinder zu hauchen. Bloß nicht mit der Zunge rankommen, das kann peinlich werden. Vor den vorbeikommenden Eltern und vor allen anderen unbeteiligten Passanten auch. Nach einer Minute bin ich nicht viel weiter. Außer, dass mir vom vielen Dampfablassen schwindelig ist und sich rund um das Schloss interessante, erneut gefrierende Eiskonstellationen bilden. Mann ist das kalt!
Aber das kenne ich ja schon. Das ist alles eine Frage der Geduld, und heute Morgen habe ich die ausnahmsweise mal. Später wird man mir auf Facebook gute Tipps geben, wie ich so etwas in Zukunft verhindern kann. Angefangen von Schlossenteiser über WD40 bis hin zur Zerlegung des gesamten Systems und dem Einfetten mit Balistol. Danach friere es nie wieder zu, sagt man. Ich werde das ausprobieren, jetzt und hier hilft mir das aber nicht weiter. Die Kälte zieht inzwischen meinen Rücken nach oben. Meine Füße in den braunen Business-Tretern werden eisig. Nach einer weiteren frostigen Minute bekomme ich den Schlüssel endlich reingeschoben. Ha. Ich hauche weiter, bewege ihn liebevoll *seufz* nach links und rechts, immer wieder – und dann macht es *KLACK* und ich kann die Tür öffnen. Endlich.
Habt ihr euch schonmal ausgesperrt? Zu Hause? Das Gefühl, danach wieder im eigenen Flur zu stehen ist vergleichbar mit dem mir innewohnenden Gefühl, als ich in mein geöffnetes Auto reinrutsche. Auch hier ist alles frostig kalt. Front- und Heckscheibe sind auch von innen mit einer feinen Eisschicht überzogen, in die ich erst mit dem angespitzten Zeigefinger ein paar lustige Bilder male, bevor ich sie wegwische. Jetzt frieren auch meine Fingerkuppen. Mein altes Musik-iPhone ist über Nacht so kalt geworden, dass es den Dienst quittiert und irgendwas von Temperaturproblemen faselt. Ich dachte, das machen die nur wenn es zu warm ist? Schräg. Mein normales Telefon, eben noch bei ausreichenden 17% Akku, schmiert nach zwei Minuten in der klirrenden Interieur-Kälte ebenfalls ab. Jetzt sitze ich hier, bin aus Social Media Sicht abgeschnitten von der Außenwelt und rede meinem Auto gut zu, es möge doch bitte anspringen.
Das war unnötig. Anders als damals hat mein heutiger Taunus eine fette, frische Batterie und einen gierigen Doppelvergaser mit funktionierenden Starterklappen unter der Haube. Zweimal das Gas durchgetreten, Schlüssel gedreht und der V6 erwacht zu rauem Leben. Läuft. Allerdings glaube ich, bis sich hier im Inneren wohlige Wärme ausbreitet bin ich beim Büro angekommen…
Wenn du so einen alten Kahn auch im winterlichen Alltag fährst, brauchst du vor allem zwei Sachen: Zeit und innere Ruhe. Dann ist der Wagen bei dir, dann macht er das, was du von ihm erwartest. Nach und nach taut ein wärmer werdender Luftstrom die Eisreste von der Frontscheibe. Innen und außen. Die sehr schräg liegende, flache Coupé-Heckscheibe wird so bald nicht durchsichtig sein. Die Heckscheibenheizung ist irgendwo unterbrochen, ich muss das mal suchen. Aber egal, ich habe ja zwei kleine Seitenspiegel, und ich muss erstmal nicht rückwärts fahren.
Während ich gemütlich auf der rechten Spur durch Hamburg gullere, taut mein Musik-iPhone unter meinem rechten Oberschenkel langsam auf. Jetzt kann ich auch Musik hören ♫ Meine gefrorenen Füße knistern und knacken, als das Gebläse warme Luft auf sie schaufelt. Meine Finger fühlen endlich wieder das Lenkrad, als ich an der Ampel die Handschuhe ausziehe. Das Auto wacht langsam auf.
Ich mag diese Minuten, in denen sich Fahrzeug und Fahrer langsam mit Wärme füllen.
Na klar ist es besser und auch sicherer, in einem trockenen, warmen Fahrzeug zu sitzen. Frisch aus der Garage, oder mit der Standheizung schon vorgewärmt. Aber diese endgültige Aufmerksamkeit, die ich nach so einem Start in den Tag in mir drin habe, ist schon etwas Besonderes. Ich spüre jede Eispfütze, sehe jeden wahnsinnigen Fahrradkurier und mache devot Platz, wenn jemand vorbei will. Ich und mein altes Auto wachen gemeinsam auf. Ich schneller als er, denn in den ersten Minuten sichert das einen konstanten Haftpflichtbeitrag. Die Sonne übernimmt jetzt den Rest, voller Liebe stelle ich den Knudsen auf einen schicken Parkplatz mitten ins helle Licht. Da kann er sich ein wenig bräunen, bis ich heute Abend wiederkomme 🙂 Könnt ihr mich nachvollziehen? Zumindest ein bisschen…?
Sandmann
Ich kann das voll und ganz nachvollziehen.
Da mein Passat Kombi letzten Winter ne ziemliche Schweissorgie über sich ergehen lassen musste und mit seinen ganzen Umbauten nichtmehr ganz so alltagstauglich ist, läuft er seit Herbst auf Saison-Kennzeichen und steht im Winter in der trockenen Halle. Weil bei mir abzusehen war, dass ich mich beruflich verändern werde und dadurch kein Firmenauto mehr habe, musste irgendwas Billiges als Winterkarre her.
Was kaufe ich mir? Ein 89er Audi Coupe mit 5 Zylinder Motor. Das Familienauto schlechthin… Zwei Türen und der Hund passt auch nicht wirklich in den Kofferraum.
Ich bin mittlerweile der 13. Besitzer von dem Ding und die Kiste war völlig runter gewirtschaftet. Nachdem ich jetzt schon einige Stunden Arbeit reingesteckt habe, wird er langsam wieder ein ordentliches Auto. Unter anderem habe ich den Kühlkreislauf gespült, neue Kühlflüssigkeit aufgefüllt und „mal eben“ das komplette Armaturenbrett ausgebaut um die Heizung abzudichten und einen neuen Wärmetauscher zu verbauen. Jetzt heizt die Kiste wie der Teufel (nicht unpraktisch bei nem Winterauto).
So wie ich mich kenne, wird das Auto bestimmt wieder zu Schade sein als Winterkarre, wenn ich damit fertig bin… Dann habe ich zwei Sommerautos und wieder nix für den Winter. Aber ich mag die Kiste einfach. Und als Familienauto ist so ein Coupe ja auch „perfekt“. 😉
Ay Schwarz Blonder,
geil, ein Audi Coupé als Winterauto finde ich fast so inkonsequent wie einen Taunus als solches.
Der Wärmetauscher ist übrigens in drei Minuten ausgebaut 🙂 Und er kostet nagelneu keine 100 Euro. Von Audi lasse ich allein wegen der Teilepreise die Finger, 10 Jahre V8 haben mich echt verbrannt. Aber es war ein feines Auto.
Ich bin von Winterauto und Sommerauto weg. Zum einen mag ich die nicht einlagern, das braucht Platz. Zum anderen gibt es auch im Winter so viele schöne Tage, an denen ich meine große Liebe bewegen will….. also Klassiker das ganze Jahr. Mit Ganzjahresreifen. Und wenn er rostet, wird er eben geschweißt. Pha 🙂
Rock dein Coupé!
Sandmann
Der Wärmetauscher fürs Coupe hat 28€ gekostet (Febi-Ersatzteil). Der Alte wurde schonmal getauscht und wäre sicher noch gut gewesen. Jedoch musste ich den Krempel eh komplett zerlegen weil die Beschichtung der Klappen nichtmehr vorhanden war. Und bevor ich den Kram wieder mit dem alten Teil zusammen baue und in ner Woche die Scheissarbeit nochmal machen muss…
Ich weiss ja nicht wie es beim Taunus ist, aber vielleicht fehlt bei dem auch die Beschichtung der Heizungsklappen. Ein Stück Pappe im Kühlergrill hilft auch dabei, dass der Motor schneller warm wird.
Die Preise für die Teile vom Coupe sind jetzt auf den ersten Blick auch nicht viel teurer als bei VW. Natürlich darf man sie nicht beim Freundlichen holen.
Beim Passat bin ich mittlerweile etwas eigen. Ich stehe voll auf die Kiste und daher muss der nichtmehr im Winter fahren. Das geht soweit, dass ich den im Sommer bei Regen nichtmal raus hole. In der letzten Saison (04.16 – Ende 10.16) hat der keine 1000km abgespult. Vorher stand er zwei Jahre nur rum weil ich keine Möglichkeit hatte den für den TÜV zu schweissen. Da ich aber mittlerweile ne schöne Garage habe, wurde das im letzten Winter durchgezogen. Ausserdem liegen hier jeden Winter Tonnen an Salz. Dafür ist die Karre zu schade.
Das Unterstellen hier ist auch kein Thema. Ich wohne auf nem ehemaligen Bauernhof. 😉
Und mit Allwetterreifen braucht man hier im tiefsten Odenwald auf 500m nicht anfangen. Momentan haben wir ordentlich Schnee.
Ay Schwarz Blonder,
ja klar, im Zubehör bekommst du für etwas neuere und oft gebaute Autos fast alles noch für kleines Geld. Beim V8 hatte ich da größere Probleme, einige Teile sind einfach zu selten als dass sich der Zubehörhandel da draufgesetzt hätte. Und so begab es sich, dass Gummilager für den Motor oder Auspuffteile, die durchaus TÜV relevant waren, ohne Ersatz entfielen. Als Daily Driver mit dann selbstgefahrenen 550.000 Kilometern war mir das zu heikel.
Im Moment ersteht er gerade wieder bei einem Freund auf 😉
Die Beschichtung der Klappe (es ist nur eine 😀 ) fehlt definitiv beim Taunus. Auch der Wärmetauscher selbst ist nicht schmatzend drin, da sind irgendwie überhaupt keine Dichtungen mehr nirgendwo. Ich mach das alles frisch, wenn ich die neue Kühlwasserspülung durchführe. Man kommt überall aus dem Motorraum super ran, das sind also Kleinigkeiten.
Hab auch schon einen alten E-Lüfter von einem Ford KA gekauft und werden den starren Schaufelradbagger da vorn dran im Frühling mal eleminieren. Wenn der drückt wird der Motor NIE richtig warm…
Salz ist mir egal, Blech kann man schweißen. Und der Knud ist gut konserviert. Und… Ganzjahresreifen sind hier oben kein Problem. Wir haben schlicht keine Berge 😉
Sandmann
Hm. Mit dem Auto warmzuwerden, ist ja ok. Aber wenn du den Taunus echt lange behalten und auch im Winter fahren willst, würde ich tatsächlich über eine Standheizung nachdenken. Es wird dem Motor, der Verglasung, Dir und anderen Verkehrsteilnehmern gut tun.
Ay Will,
du nicht mehr gespamter. Ja. Sehe ich auch genau so. Ich werde mich im Sommer mal mit dem Thema auseinandersetzen, es dauert wirklich recht lange bis der Eisenklotz warm ist und auch die Scheiben abtaut. Hab gerade neue Schläuche bestellt, ein neuer Wärmetauscher wird wohl auch noch folgen. Der originale, 45 Jahre alte scheint so langsam dicht zu sein, die Heizleistung ist okay aber nicht berühmt.
So eine Webasto kostet neu mit Kit um die 500 Euro, vielleicht bekomme ich ja irgendwo eine gute gebrauchte. Fernbedienung muss ja nicht sein.
Sandmann
>Fernbedienung muss ja nicht sein.
Äh. Doch. Glaub’s mir. 🙂
Na gut 🙂
Es kann noch kälter sein. Du muss dich vorberieten)))))
Jau Alex,
die Schlösser sind mit WD40 behandelt. Jetzt muss ich nochmal schauen warum er die Starterklappen beim Kaltstart nicht zumacht. Da hängt was fest. Ich kann aber erst schauen wenn ich den wegen der Kälte gerissenen Bowdenzug der Motorhaube geflickt habe… Puh 🙂
Sandmann
Gegen innen vereiste Scheiben hab ich mir neulich einen Luftentfeuchter gekauft, ist zwar nur ein Sack mit Salz in Tongranulat fürs Armaturenbrett, funktioniert aber bisher erstaunlich gut – zumindest mußte ich seitdem noch nicht wieder von innen kratzen: http://www.discounto.de/Angebot/Auto-Luftentfeuchter-Air-Dry-1791861/
Türschloßenteiser gibts auch elektrische für ein paar Euro, hab ich aber bisher noch nicht ausprobiert: http://www.ebay.de/itm/Elektrischer-Autoschlos-Enteiser-fur-Turschlosser-in-praktischer-Schlussel-Form-/121471698892?hash=item1c484707cc:g:ue0AAOSw6EhUTjBf
Ay Bay,
den Luftentfeuchter habe ich aus dem Baumarkt im Wohnzimmer stehen. Den werde ich auch mal in den Taunus stellen, wenn ich alle Wasserläufe lokalisiert habe. Ich befürchte, dass unter dem Windleitblech vor der Frontscheibe noch ein Rostloch lauert. Da kommt man nicht gut ran…
Vom elektrischen Türschlossenteiser bis hin zum elektrischen Schlüsselwärmer gibt es schon schräge Kuriositäten 😉 Nee nee. Brauch ich nicht. WD40 wird es richten…
Sandmann
Räusper. Räusper.
Richtige Jungs haben ein Taschenmesser und ein Feuerzeug in der Hosentasche! Aber doch keinen elektrischen Türschlossenteiser!. Ne. Geht gar nicht. ?
🙂
Taschenmesser habe ich im Taunus. In der Hose ist kein Platz.
Das mit dem eingefrorenen Türschloß hab ich schon lange nicht mehr erlebt, da ich im Sommer die Schlösser immer mit Graphitöl flute… Gibt zwar erstmal immer ne furchtbare Sauerei, aber danach flutschen die Dinger besser als neu…
Mein aktueller Passi (nachfolger ist übrigens heute abgeholt) hat mich mal richtig verarsc****
Musste ausnahmsweise mal dringend wo hin, stecke den Schlüssel ins Schloß, schließe auf – und kriege den Schlüssel nicht mehr raus… Keine chance, ich glaube der wäre eher abgebrochen.
Also, Schloß ausgebaut (geht mit passendem Inbus gewusst wie zum Glück in 5min), und dann im Keller mit Zange und Rostlöser den Schlüssel vorsichtig herausoperiert… Schloß war natürlich hin.
Hat alles zum Glück nicht mehr als ne halbe Stunde gedauert, nervig war’s dennoch.
Ay Daemonarch,
nicht mehr RAUS bekommen??? Das habe ich noch nie erlebt 😀
Ich hab das in letzter Zeit aber recht oft, dass ich nicht gleich mit dem Schlüssel in der Hand aussteige, sondern noch schnell irgendwas zurechtbastel. Und dann lasse ich den Schlüssel ständig stecken, was mir aber immer erst nach dem Tür zudrücken auffällt.
Inzwischen weiß ich, was ich dann zu tun habe, aber werde ich alt?
Der neue Passat kommt heute? YAY! Herzlichen Glückwunsch!
Sandmann
Großartiger Artikel und gute Webseite. Kompliment an den Sandman.