Südfrankreich im Mai im V8. Teil 1

Der Name ist Programm

Der Name ist Programm

Der Sommer geht dahin. Zeit, sich an wärmere Zeiten zu erinnern. Leser des Audi-Forums werden diese Geschichte kennen, aber der Blog-Gemeinde soll sie nicht vorenthalten werden! Es ist Mittwoch, und ich versenke den LPG Rüssel der einen von drei Tanken in Kiel mit diesem kalten explosiven Stoff im Ventil unter der Tankklappe meines Audi V8 4,2 und mache mich auf den Weg nach „Da-wollte-ich-eigentlich-hin“ im Sauerland, noch nicht genau wissend wo diese Tour letztendlich genau hinführen wird. Richtungsvorgabe ist Süden, eines der Ziele ist Cassis an der Westseite der Cote d’Azur, der Rest wird sich ergeben.

Keine Angst vorm Gas geben

Keine Angst vorm Gas geben

Der Weg führt mich über die Innenstadt von Hamburg, zum Axel Springer Verlag, dem Herzen von autobild.de. Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls werden dort Fotos von mir gemacht, also nicht bei Axel, sondern vorher, in der Sternschanze, da darf man wohl nur 30 und ich habe den TomTom leise gestellt, weil das ewige BimBam bei den Blitzern so nervt. Super. Nach 436 Kilometern beschließe ich, wieder eine Gastankstelle anzulaufen, allein schon aus einem guten Grund: Ich bin angekommen. Erstes Fazit? Nicht zu glauben. Ein Durchschnittsverbrauch, gemessen über A7 und A1 und der Innenstadt von Hamburg mit stop and go: 13,9 Liter Gas auf 100 Kilometern. Es wird so einige von Ihnen geben, die das nicht mal im Ansatz mit Super bleifrei schaffen, oder? Zweiundsechzig Cent sag ich nur, Kameraden, zweiundsechzig Cent!!! Hammer.

Abends ermattet an der Zwischenetappe auflaufend erwartet mich ein provencalisch gedeckter Tisch auf der Terrasse, Baguette, Rotwein, Trauben, ganz viele Kerzen und zwei kleine Stühlchen mit Blick auf das spießige sauerländische Weltgeschehen, irgendwo da draußen, hach jeh ist das schööööön. Muss man denn da noch nach Frankreich? Sie ist der Meinung das ja! und würde am liebsten schon heute Abend los, was ich mit einem vordergründig vorhandenen Schlafbedürfnis aushebeln kann. Im Verlauf des Abends gilt es noch, sich mit Wein auf Frankreich einzustimmen und im späteren Verlauf den Brotkorb zu löschen, der ein wenig zu dicht neben einer der Kerzen steht. Bleibende Erinnerungen auf dem Tisch und dem Kiesweg.

Das Auto ist gepackt, bis oben hin voll mit Campingtisch, Klappstühlen, Luftmatratze, Gaskocher und anderen sperrigen schweren Sachen, die eigentlich völlig überflüssig sind, wenn man ohnehin im Hotel schlafen möchte. Hinzu kommt mein Full-Size-Reserverad (in dessen Häuschen jetzt ja eigentlich der 70 Liter LPG Tank wohnt), eine elektrische Kühltasche, mein kleiner Rucksack und ihre Reisetasche im handlichen Partyzelt-Format, Schuhbeutel, Tasche mit Duschbädern und Cremes und 8 Kubikmeter Reiseproviant, vornehmlich zu kühlende Salate und Coladosen.

Bunt und mediterran

Bunt und mediterran

Schlüssel gedreht und los. Lisa (die TomTom Sprechstimme) erfährt von mir durch zärtliches streicheln des Monitors, dass Freiburg ein toller Platz sei, wo sie uns jetzt mal hinlotsen könnte, bevor die Chipkarte mit Frankreich reingedrückt wird. Die alten aber guten Sommerreifen singen im Kanon mit der Kühltasche auf dem Rücksitz und der Motor atmet Gas und schnurrt. Meine Reisebegleitung kalauert aufgeregt vor sich hin, und eine klassische Erkenntnis macht sich breit: Auf dem Weg mit dem Auto in den Süden gibt es drei Dinge, die das Leben schön machen: ein Tempomat, um den Gasfuß zu entlasten, eine Klimatronic, die das drückende feuchte Wärme-Epos einfach draußen lässt und in den Abendstunden elektrische Fensterheber, die den Fahrtwind und die vielen guten Gerüche reinlassen.

Auf dem Weg mit dem Auto in den Süden gibt es drei Dinge, die ich in diesem Zusammenhang erwähnen möchte: Ich grüße an dieser Stelle mein Tempomat-Steuergerät, teuer bei ebay bezahlt, aber nicht zur Mitarbeit bereit. Was solls, über hunderte von Kilometern mit dem linken Fuß Gas geben geht auch. Weiterhin breche ich eine Lanze für den Techniker von Audi in Kiel, der mir eine regelmäßige Wartung der Klimaanlage ans Herz gelegt hat. Das war 2001. Der Mann hatte eine Menge Weisheit (inzwischen hab ich das ja auch beheben lassen). Aber die Luft da draußen entpuppt sich immer mehr zu der Luft, die ich trotz mitlaufendem Kompressor aus den Düsen da drinnen verspüre. Warm und stickig. Das wäre alles nicht so schlimm, ließe sich das Fenster auf der Beifahrerseite runterfahren. Tut es aber nicht.

Tanken, tanken, tanken

Tanken, tanken, tanken

Auf dem Weg mit dem Auto in den Süden gibt es eine Frau, der ich meinen Tribut zollen möchte, sie hat das alles hingenommen und nur alle 42 Kilometer mit sarkastischen Worten garniert erwähnt. So fällt auch gar nicht auf, dass mit steigenden Temperaturen die Kühltasche mehr und mehr zu tun hat und der Stecker in der hinteren Zigarettenanzünderdose sich irgendwann in einen weichen Plastikbrei verwandelt, der aber weiterhin seinen Dienst verrichtet. Wunder der italienischen Technik.

Wir erreichen FRANKREICH. Ist es nicht toll, dass hier jeder GPL-Tankrüssel anders aussieht und eine 42-seitige Bedienungsanleitung zum Rein- und Rausziehen hat? 74 Cent den Liter!!! Also äh teurer als LPG in Deutschland wollte ich sagen. Beeindruckt es nicht maßlos, eine Handvoll Münzen wie beim Basketball in einen Korb an der Péage zu werfen, zu hoffen, dass man a) auch wirklich trifft und b) die Kiste sich nicht verrechnet oder verschluckt oder beides? Und stimmt es nicht fröhlich, schwitzend und stinkend in einem völlig überladenen alten High-Tech-Auto französische Nachrichten und Werbeblöcke zu vernehmen, während vom Beifahrersitz aus unentwegt Klimaanlagen-Witze gerissen werden, Fensterheber-Anekdoten gekalauert und Tempomaten-Weisheiten zum Besten gegeben werden?

Ja, all das stimmt einen ein auf einen 5-Tage-Superkonzentrat-Urlaub. So lässt die Erkenntnis auch nicht lange auf sich warten, dass ein paar Millionen Franzosen gleich uns das Pfingstfest nutzen möchten, um an die Küste zu fahren. Hurra! Ich könnte ausholen und von der Hotel-Odyssee erzählen, von den Franzosen in der Bar, die mit ihrem Auto sogar vorausgefahren sind, um uns das letzte freie (aber geschlossene) Hotel in der Gegend zu zeigen, aber ich beschränke mich auf meine mangelhafte Gabe der Navigation, die uns letztendlich in ein superschönes Chambre in St. Remy bei Arles geführt hat, wo die Klimaanlage des Hauses gegenüber brummt wie meine Kühltasche, aber die Nacht einen übermannt und nach 1300 Kilometern schlafen lässt wie einen König.

Cafe und Croissant

Cafe und Croissant

Der nächste Morgen (sind wir wirklich schon in der Nähe der Cote d’Azur???) beginnt mit der erfolgreichen Suche nach einem Grand Café Creme und einem Croissant und einem Pain Chocolat. Alles drei finden wir in der typischen Innenstadt, wo man wie alle anderen Franzosen auch an einem Tischchen sitzt, auf Platanen und kleine Häuser mit bunten Fensterläden guckt, die Köstlichkeiten genießt und bei dem Versuch scheitert, den Schwerlastverkehr und die Welle an Autos, die direkt neben einem vorbeibrandet, zu ignorieren. Alles ist laut, aber es ist warm und es riecht nach Urlaub und die Backwaren und der Kaffee sind einfach zauberhaft.

Die spinnen, die Franzosen. Man kann fahren wie man will, egal ob 280PS unter dem Hintern oder mit vollem Quattro-Elan in die Serpentinen. Man hat IMMER mindestens vier klapperige alte französische Kleinwagen an der Stoßstange, die vorbei wollen. Glauben Sie nicht? Ist Empirik! Ich habe mir irgendwann angewöhnt, die alle paar Kilometer einfach vorbei zu lassen, es hat ohnehin keinen Sinn, das über TopSpeed oder so regeln zu wollen. Der gemeine Franzose hat acht Leben, sieben davon sind für die Landstraße reserviert.

Les Saintes Maries de la Mer

Les Saintes Maries de la Mer

Die Chroniken dieses Tages gehen noch weiter. Der Weg durch die Camargue, vorbei an Flamingos und Pferden, die denken, sie seinen wild, bringt uns nach Les Saintes Maries de la Mer. Stadt meiner Teenage-Erinnerungen, nein, lassen wir es die frühen Zwanziger sein, jedenfalls ist hier der Ort, wo ich damals 1990 mit Nea und Silke das erste mal das Mittelmeer erleben durfte und am Strand gleich hinter dem Campingplatz 300 Menschen meinen Liedern lauschten. Wir erwischen einen schlechten Tag für den Besuch, denn heute wollen umgerechnet 520.000 Sinti und Roma ihre heilige Maria ins Meer tragen und sind aus diesem Grund mit ihren Familien und Wohnwagen angereist. Die Stadt platzt aus allen Nähten. Die nagelneue Promenade killt genau das, was ich damals so charming fand, und alles ist garniert mit Mücken, die einen innerhalb von 30 Sekunden komplett aussaugen können.

Gute Nacht, Frankreich

Gute Nacht, Frankreich

Es treibt den Sandmann und die Fachärztin auf den Rückweg ins Hotel nach Arles, vermutlich Vorlage für mindestens 10 Asterix Bände. Es gibt hier wenig zu berichten, außer dass man als Mann den Satz „Wir sind aber doch vorhin nicht über so eine große Straße hier her gekommen“ durchaus ernst nehmen sollte. Das erspart einem böse Blicke, Gleichnisse zum Thema „Weibliche Intuition“, durchgelatschte Sohlen und eine neue Welle von Klimaanlagen-Witzen. Und ich frage mich noch immer, warum der Cirque Romain nicht das fette römische Amphitheater war, an dem ich geparkt habe. Wie viele Zirken gibt das denn in Arles, Himmel noch eins???

Schlafen wir entspannt die zweite und letzte Nacht in diesem Hotel und stehen mit der freudigen Erwartung auf, Marseille und Cassis wieder zu sehen. Aber ich denke, das ist morgen dran. Oder übermorgen. Freuen Sie sich auf Yachten, Etap-Hotels, junge Serienstars, Alkoholkontrollen, Wege in die Kindheit, Grillen im Regen und ein blutiges Hacksteak. Ich muss hier und jetzt erstmal authentisch schlafen.

Sandmann

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

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