Das kleine außerplanmäßige Nickerchen auf dem Fahrersitz auf dem Weg in den Urlaub haben wir wohl alle schon einmal gemacht. Oder? Aber haben Sie schon einmal eine ernst zu nehmende Nacht in Ihrem Auto verbracht? So als Erwachsener? Geplant, mit Bettwäsche? Ohne sich hinterher wie ein Obdachloser zu fühlen? Haben Sie sich womöglich tagelang darauf gefreut? Ich habe dieser Wonne endlich wieder einmal gefröhnt, und obwohl ich keinen Kombi habe (denn den braucht man nicht) kann ich eine Menge Gutes berichten. Und die Frisur sitzt noch immer.
Südseecamp 2007, man erinnert sich an die intime Beichte der vom Achtzylinder Besessenen, und ich habe es dieses Jahr nicht so mit dem Zelten. Zumal Petrus laut Prognose unwirsch gestimmt sein soll. Also besinne ich mich auf die Sturm-und-Drang-Zeit Anfang 20. Da gab es die Maifeuer in Theresienhof, einem kleinen Dörfchen bei Plön. Wir trafen uns schon am frühen Abend, bildeten eine Wagenburg auf dem Feld mit unseren Granadas, Kadetts und Polos, grillten in der Mitte, feierten dann ums große Feuer rum und – na klar, schliefen in unseren Autos. Ist man mit 36 Jahren zu alt dafür? Ein Selbsversuch soll das zeigen.
Noch vor der Party am Feuer, und vor allem noch während einer gewissen Resthelligkeit parallel zu einer angenehmen überblickgewährleistenden Grundnüchternheit, bereite ich den Beifahrersitz vor. Der Fahrersitz ist im Vergleich eher ungeeignet, stört mich beim Umdrehen doch erheblich das Lenkrad. Und quer auf dem Rücksitz ist auch doof, die Gurtschnallen drücken und der Wagen ist einfach nicht breit genug. Ja, solche Gedanken macht man sich. Nun, das kuschelige orangene Wolldeckchen wird puffernd untergelegt, Flauschkissen aufgeschüttelt, Omas flauschige Daunen-Decke habe ich schon profilaktisch ausgebreitet und mein Schlaf-Schaf zum Anwärmen vorgeschickt. Was für eine Vorfreude. Ich möchte eigentlich da jetzt gleich rein…
Wenn Sie vergessen haben sollten, wie der Partyabend war, können Sie das hier nachlesen. Man sagt, es sei wohl so drei Uhr oder so gewesen als ich mich in mein „Bettchen“ begeben habe. Und was für eine Wonne!
Ich erinnere mich an die Uhr im Granada, damals beim Maifeuer, die hat jede Sekunde ein mal leise vor sich hin getickt. Die in meinem alten Audi 100 Typ 43 hat einmal pro Minute den Zeiger mit einem sonoren „drrr“ weitergerückt. Die Uhr vom V8 höre ich nicht. Vielleicht liegt das auch an den Getränken, die durch meine Blutbahnen diffundieren. Die sündhaft teuren, später original nachgerüsteten Seitenrollos sind heruntergezogen und der Mond schimmert durch die Frontscheibe herein. Heftig romantisch. Irgendwo hinten knackt das Lagerfeuer. Freundlich gedämpfte Stimmen branden alkoholgeschwängert herüber.
Es liegt sich außerordentlich bequem in diesem Auto. Die elektrischen Sportsitze mit Memory bieten guten Seitenhalt und verhindern somit, dass ich auf die Mittelkonsole kuller. Irgendwo steht noch ein halbvolles Whiskey-Glas im Fußraum und scheint sich wohl zu fühlen. Die Wolldecke von unten verbreitet angenehme Wärme, die Daunendecke von oben lässt nichts raus. Der herbe Geruch des Leders umschwärmt couchähnlich meine Nase, die Welt da draußen ist nicht weg, aber eben da draußen. Mach ich die Knöpfe der Zentralverriegelung runter? Ach nö, hier tut mir niemand was. Ich kann mich sogar auf die Seite drehen, und während ich mich noch über das Leben freue, schlafe ich auch schon friedlich mit dem Schlaf-Schaf im Arm ein.
Der nächste Morgen ist zumindest vom Magen her nicht klar definierbar. Ich wache genau so auf, wie ich (glaube ich) eingeschlafen bin. Spricht das für eine gesunde Nachtruhe? Wohl nicht… Aber subjektiv erholt schaue ich auf die anderen Autoschläfer und bin von meiner Nacht begeistert. Na gut, im Kombi schläft es sich bestimmt besser, aber brauchen tut man den nicht.
Gereckt und gestreckt in die Morgensonne lächelnd stelle ich beruhigt fest, dass ich noch nicht zu alt für sowas bin. Es soll Menschen um mich herum geben, die mit schmunzelnder Fassungslosigkeit reagieren, erzählt man ihnen episch von den Wonnen einer Nacht im Auto. Was soll ich sagen, ich habe sehr gut geschlafen. Vielleicht war das eine oder andere Getränk damals wie heute nicht ganz unschuldig an einem tiefen traumlosen Schlaf, aber nichts desto trotz sehe ich meinen Audi jetzt nicht mehr nur als Freund und Hobby, sondern auch als gemütliches Zimmer mit toller Rundumsicht.
Später am Morgen zollen diverse Brötchen und Kaffee in meinem Magen ihren Tribut, denn sie nehmen meinem Gehirn das Blut, welches sie zum verdaut werden brauchen. Irgend jemand hat das Lagerfeuer wieder angemacht, und irgendwie werde ich ein wenig müde. Abgehärtet von ledernen Sportsitzen schläft sich auch ein Campingstuhl gar nicht schlecht. Anspruchslosigkeit in der Blüte des Lebens. Wer sagt eigentlich, dass man die erste Lebenskrise bekommt, wenn man die 35 überschritten hat? Solange ich noch ohne Rückenschmerzen eine Nacht auf dem Beifahrersitz eines Audi V8 verbringen kann, ist alles in Ordnung. Ja, ich möchte es wieder tun. Aber nun kommt ja leider erstmal der Herbst…
Obwohl… ich hab ja Sitzheizung…
Sandmann
also mal ehrlich. schlafen auf nem audi v8 sitz ist doch keine herausvorderung für den rücken! mach das mal 3 nächte lang im fiat cinquecento. DAS ist ne challange. 😉
*herausForderung
(wie peinlich)
Ay Christoph,
also 3 Nächte im Fiat Cinquecento sind DEFINITIV eine Herausforderung, aber Raum ist ja bekanntlich in der kleinsten Hütte 🙂 Ich kenne Wohnmobile, die haben mehr Platz als mein kleines Häuschen in Kiel… Hast du Fotos von den Fiat-Nächten? Vorher UND nachher? 😀
Und hey – ne Nacht im Vau Acht bedeutet zwar reichlich Beinfreiheit, meiner hatte allerdings die elektrischen Sportsitze aus Leder. Mit reichlich Seitenhalt dank Sitzwangen, und die lassen dir nicht wirklich viel Platz zum Drehen und Wenden… Und ich bin eigentlich ein Auf-der-Seite-Schläfer, das kannst du da vergessen…
Sandmann
1996 pennte ich in Bosnien eine Woche lang in einem Landcruiser, bis es ein vernünftiges Quartier gab. In Sarajevo war damals kaum ein Haus unbeschädigt.
Das ging erstaunlich gut. Allerdings drückte ich die Verriegelung der Türen immer herunter! Man wusste nie, was die Nacht brachte 🙄
Dank Standheizung war auch die Kälte nicht so das Problem 😉
Bronx
Ay Bronx,
irgendwann, IRGENDWANN habe ich auch mal ein Auto mit Standheizung. Da träume ich schon seit Jahren von, aber das hat sich nie ergeben.
Früher, also GANZ früher haben wir oft im VW Bulli auf irgendwelchen Weinbergen, an der Rhone oder am Atlantik gepennt. Der ganze Clan. Würde ich heute nicht mehr machen, da rennt mir zu viel düsteres Gesindel rum. Und in Sarajevo hätte ich glaube ich regelrecht Angst gehabt, bequemes Quartier im Toyota hin oder her 😉
Sandmann
Seit 1974 fahre ich gewöhnliche Autos, in denen ich sehr gut und
bequem schlafen konnte/kann, da die Lehnen der Vordersitze sich nach hinten um etwa 90 Grad senken liessen/lassen. Ab 1974 war
es ein Peugeot Kombi 204 (?), ab 1984 ein Nissan Prairie, ab 1998
wiederum ein Nissan Prairie und seit 2007 ist es ein Chevrolet Tacuma (Daewo Tacuma). Im zweiten Nissan Prairie waren die Seitenwülste der Vordersitze recht ausgeprägt, so dass mehr Polster nötig war als bei den anderen Autos. Auf meinen langen Reisen nach Nordeuropa schätze ich diesen Komfort sehr.
In den 1950er-Jahren gab es auch einen VW-Käfer mit Liegesitzen.
Hey ho!
Ich finde bei älteren Autos vor allem beeindruckend, dass die Sitzlehnen oft nahtlos mit der Rücksitzbank abschließen konnten. Wenn keine Kopfstützen da waren oder man diese rausnehmen konnte. Hat man früher öfter im Auto geschlafen?
Bei meinem K70 geht das auch 🙂
Und wieder wächst der Wunsch nach einem alten Käfer…..
Sandmann