Regen, Rost und Rückwege

Ein zittriges AY liebe Blog-Gemeinde,

Und es hat KLICK gemacht?

Und es hat KLICK gemacht?

habe ich nicht eben noch gedacht, dass mein Achtzylinder viel zu gut läuft und dass mir deshalb bald die Geschichten ausgehen? *argh* Er wird es wohl gehört haben, denn heute Morgen springt er nicht an. Gar nicht. Er sagt nur *klick*, während alle Steuergeräte, alle Lampen und alle Stromverbraucher mir glaubhaft versichern, dass mit der Batterie alles in Ordnung ist.  Nun denn, den VW-T3-Bus genommen, zur Tankstelle um die Ecke gefahren, Starthilfekabel gekauft und den Boliden überbrückt. Ergebnis: Plus-Klemme vom Starthilfekabel zerspringt krachend in sieben Teile, zur Tankstelle um die Ecke gefahren, das Starthilfekabel böse blickend wieder auf den Tisch gelegt, zur nächsten Tankstelle gefahren, die hat zu, noch eine Tankstelle weiter, gleicher Starthilfekabeltyp, aus Mangel an Alternativen gekauft und zurück zum Audi. Aber das ist hier nicht der Starthilfe-Blog. Ich mach’s kurz: Es hat nichts genützt. Die Titanic war unsinkbar und zog 1912 tausende von Menschen auf den Grund. Mein Fahrrad hat unplattbare Schläuche, und grummelnd flicke ich mein Hinterrad, um heute wenigstens zur Arbeit zu kommen. Bei Schneeregen. Und der Audi ist aus Aluminium und kann nicht rosten. Ist richtig. Bevor ich Amen sage, können Sie noch ein bisschen weiter lesen…

Die gute Nachricht: Ich habe mir bei ebay eine neue alte Sony-Blog-Cam gekauft. Von daher war das Foto eben gerade wohl eines der letzten, die ich mit dem unseligen Handy machen musste. Die schlechte Nachricht: Das Überbrücken schlägt fehl!!! Der Audi macht noch immer *klick*. Nun sagt man mir im Audi-Forum, welches mir so manches mal schon geholfen hat, dass vielleicht das billige Kabel und die Batterie vom 1990er 55PS Diesel-Multivan dem neckarsulmer Premium-Gleiter nicht reichen und prognostiziert empirisch noch zwei weitere neuralgische Punkte: Die Plusverteilerdose, welche die Gleichstrom führenden fingerdicken Leitungen von der Batterie im rechten Radhaus direkt dem Spritzwasser der Straße aussetzt, bevor sie an den Anlasser weitergegeben werden oder eben den Anlasser selbst, welcher bei ebay zwar nur schlappe 89,- Euro plus Versand kostet… um an ihn ranzukommen, muss allerdings der Motorträger abgesenkt werden. „Sandmann, bete, dass was anderes kaputt ist“ sagen Konnoo und Flo. Aber ich bin ja auch noch nicht beim Amen.

Ein gelber Engel

Ein gelber Engel

Plusverteilerdose klingt wie Plusmitgliedschaft. „Hallo, ja, äh, also mein Auto springt nicht an, können Sie vielleicht jemanden schicken?“ Den gelben Engeln sagt man ja nach, dass sie einen Haufen Ampèrestunden dabei haben und den Fehler dank ihrer Erfahrungen schnell einkreisen können. Schnell ist in der Tat klar, dass die Batterie wohl auszuschließen sei. Im strömenden Regen, der durch die eiskalte Dunkelheit der Kieler Vororte weht, macht der überbrückte Audi *klick*. „Das klickt anders als ’ne leere Batterie…“ sagt der emsige, mit reichlich Werkzeug bestückte gelbe Mann und beginnt die aussichtslose Suche nach dem Anlasser, der sich unbestätigten Aussagen zufolge irgendwo westlich des rechten Krümmers befindet, ungefähr einen halben Meter von den unzähligen abgeschraubten Plastikverkleidungen entfernt, weder zu sehen noch zu ertasten. Jedenfalls nicht von oben.

Eeeeh… also ich will nicht klugscheißen, aber ich hab im Internet gelesen, dass da eine Plusverteilerdose ist, die gern mal korrodiert. Im rechten Radkasten… ach, und… kann ich ein paar Fotos machen…?“ Der freundliche Mechaniker hat nichts dagegen, ist dankbar für den Tipp, bockt den A8 mit dem Rangierwagenheber auf und schlägt das Rad nach rechts ein.

Ja ist denn das zu fassen?

Ja ist denn das zu fassen?

Während er in den Tiefen des Radkastens verschwindet und mir der Regen den Nacken herunter läuft, höre ich von ganz weit weg eine Grabesstimme sagen: „Also wenn Sie Fotos machen wollen, dann sollten Sie DAS HIER mal fotografieren!“ Blass und erschüttert kommt er wieder hervor, auf der Suche nach seinem eigenen Fotoapparat. Da sehe ich sie, die sagenumwobene Plusverteilerdose des Audi A8. Man hat dieses Auto in Space-Frame-Technologie komplett aus nicht rostendem, sündhaft teurem Aluminium gefertigt, aber während einer wahrscheinlich aus dem Ruder laufenden Designerparty einen Hauptknotenpunkt der Energieverteilung IN den Radkasten gelegt. Mich lacht ein fingerdickes ABKORRODIERTES Kabel an, grün und bröselig, sich nicht mehr in der Dose befindlich und zum Anlasser führend. Für diesen Patienten kommt jede Hilfe zu spät. Hier haben wir das Problem! Jawohl!

Mir kriecht inzwischen die Kälte feucht das Steisbein hoch, zwischen Boxershorts und Rückenmark, Herr gelber Engel macht noch schnell genau wie ich ein paar Fotos für seine Aservatenkammer. So etwas hat auch er noch nicht gesehen. Lieber erzähle ich ihm nicht von der Verteilerkappe im Audi V8

Überbrücken leicht gemacht

Überbrücken leicht gemacht

Um dem Abend einen Höhepunkt abzugewinnen, überbrückt er das abgeschnittene und abisolierte Kabel mit der erwähnten Menge an Ampèrestunden, die er im Kofferraum hat. Der Audi springt gnadenlos konsequent an und brabbelt im Standgas den 4-Liter-Blues. „Wie lange kann ich den denn jetzt laufen lassen…?“ frage ich den zufrieden blickenden nassen Nachtschichtler. „Bis Sie ihn ausmachen. Dann ist vorbei. Das Kabel ist ab, das muss erst heil gemacht werden. Sie können aber fahren, da ist jetzt keine Spannung drauf.“ Er hat aber was vergessen. Doch dazu später. Unterschrift, alles ist gut und er fährt zum nächsten Einsatz. Ich denk so bei mir, lädst du doch mal die Batterie auf der Stadtumgehung ein wenig wieder auf und schaust du mal, was das Audi Zentrum so an Kabeln vorrätig hat. Wenn sie denn noch offen haben.

Kann ich meinen Audi draußen mit laufendem Motor stehen lassen???“ Frage ich den etwas verwirrt blickenden Meister in der Reparaturannahme. Ich solle ihn doch vielleicht lieber rein fahren, da habe er ihn im Blick, nicht, dass jemand den noch klaut… also mache ich das. Ob er im Zusammenhang mit diesem vor ihm im Standgas laufenden Aushängeschild der vier Ringe schon mal was von der Plusverteilerdose gehört habe, frage ich ihn. „Ja, die korrodiert ganz gern, oder?“ entgegnet er.

Pudelnass und gefrustet

Pudelnass und gefrustet

Während ich tropfnass und müde im Kopf einen Kulanzantrag wegen katastrophaler Konstruktionsmängel formuliere (aber das ist eine andere Geschichte), teilt mir der freundliche und um kurz vor 19.00 Uhr noch immer dienstbeflissene Ersatzteilmeister mit, dass betreffendes Kabel rund 144,- Euro brutto kostet, aber auch nicht lagerhaltig sei. Es sei auch nicht im Zentrallager zu bekommen, sondern müsse von einem Außenposten herangeholt werden, es könne also ein paar Tage dauern. Aha? Geht das schon wieder los??? Also ziehe ich von dannen und nehme mir vor, morgen erst einmal die Lage bei Helligkeit zu sondieren und vielleicht das Kabel ein wenig zu kürzen und eine neue Öse zu krimpen. Es ist ja nur der Kontakt verrostet, nicht die ganze Leitung bis hin zur Lichtmaschine. Und ich will nach Hause. Also setze ich mich in den laufenden Audi, lege die Fahrstufe ein und wunder mich ein bisschen. Irgend etwas ist nicht wie sonst. Regen? Rost? Hatten wir. Was fehlt noch??? Der Rückweg.

Was der gelbe Engel mir verschwiegen hat, weil er es vermutlich einfach nicht wusste: Wenn das Anlasserkabel nicht mehr in der Korrosionsdose steckt, wird die Batterie auch nicht nachgeladen! In Kälte, Regen und Dunkelheit blinkt mich mahnend das große Ausrufezeichen im Display an, kombiniert mit dem Batteriesymbol. NEIN! Ich will hier jetzt nicht auch noch havarieren. Ich will nach Hause!!!

NEIN! Nicht schon wieder!

NEIN! Nicht schon wieder!

Vor meiner Blog-Zeit habe ich ähnliches mit dem V8 zwischen Osnabrück und dem Sauerland erlebt. Man erinnert sich vielleicht an die Geschichte im Forum. Schicksale wiederholen sich! Die Warnlampen gehen an, das ABS geht aus, die Cockpitbeleuchtung wird schummeriger und das Abblendlicht verschwindet fast ganz. Es ist mir egal! Im blanken Urvertrauen auf die letzten Ampèrestunden der alternden Batterie mache ich das Licht und das Gebläse aus, den Warnblinker an und beschleunige mutig auf die Kieler Stadtautobahn Richtung zu Hause… So kurz vorm Ziel WILL ich mich nicht abschleppen lassen! „Audi, bring mich nach Hause. Audi, bring mich nach Hauuuuse!“ Ich sage es. Ich beschwöre es. Ich singe es. Immer wieder. Die anderen blinken mich an. Sie hupen. Sie drohen mir. Die Scheiben beschlagen. Alle Lichter sind aus. Das rote Ausrufezeichen droht mahnend. Immer farbenfroher! Aber die acht Zylinder stampfen unermüdlich ihren Takt durch den Regen und die Dunkelheit, saugen die letzten Elektronen für die acht Zündspulen aus dem sterbenden Bleiakku und fressen den letzten Rest Spannung für die elektrische Benzinpumpe! Brücke, Bahngleise, bergauf… wenn ich jetzt stehen bleibe ist der Ärger unermesslich und ich werde ein Star im Verkehrsfunk…

Er hat mich nach Hause gebracht. Mit dem allerletzten Saft der Batterie. Bis vor die Tür, wo ich morgen die Plusverteilerdose in Ruhe zerlegen kann. Es sind wohl diese Erlebnisse, die einen Menschen mit einem Auto anfreunden. Die auch einem A8 so etwas wie einen Charakter geben, den ich eigentlich nur seinem Vorgänger zugetraut hatte. Er hat meinen Respekt und er hat ihn sich verdient. Ich bin nass, unterkühlt, müde und gehe jetzt schlafen. Gibt es eigentlich eine Gewerkschaft für Blogger? Bekomme ich nicht langsam mal eine Gefahrenzulage…?

Gut’s Nächtle euch allen…

Sandmann

Amen.

Tagged , , , , , , , , .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

2 Antworten zu Regen, Rost und Rückwege

  1. Markus1975 sagt:

    Hey Jens

    Jaaa. Das war eine Geschichte die ich damals wie heute gerne lese. Mannomann. Ein fingerdickes Kabel welches einfach so wegrottet. Hm
    Hoffentlich hat der V8 nicht soetwas zu bieten. Ich sollte realistisch bleiben. Der V8 besteht aus solchen schön zugebauten Sachen. 😉
    Freue mich schon auf die „angrenzende“ Geschichte über die Reperatur. Hehe

    V8 mäßige Grüße

    Markus

    • Sandmann sagt:

      Ay Markus,

      nein, so ein schlecht geplantes stromführendes Döschen hat der V8 zumindest nicht im Spritzwasserbereich der Vorderräder zu bieten. Dann hättest du bereits davon gelesen 🙂

      Er bemüht sich wiederum an anderer Stelle um Kopfschütteln. Eine Zierleiste an der hinteren Stoßstange, die aber nicht an der hinteren Stoßstange, sondern an der Karosserie angeschraubt wird. Und die da im Laufe der Jahre die Zinkschicht vom Blech schabt, bis man durchgucken kann…
      Oder notorisch flatternde vordere innen umgriffene Scheibenbremsen.
      Oder gern sterbende Tempomat-Steuergeräte.
      Oder 1-Euro-teure O-Ringe an einer Kühlwasserleitung, die kurz mal den ganzen Motor entleeren können, wenn sie gammeln.
      Oder ein Lenkgetriebe, dessen Manschette im Laufe der Jahre kaputt geht, an das man aber um’s Verrecken nicht rankommt…

      Und so weiter 🙂

      Sandmann

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ein bisschen Mathematik: *