Südfrankreich-Roadblog Teil 1
Wir schreiben Juli 2011. Ganz Gallien ist von sonnenhungrigen Urlaubern besetzt… ganz Gallien? Äh… ja. Es gibt kein kleines, unbeugsames Dörfchen an der Atlantikküste mehr, was den Strömen von fettleibigen rothäutigen Touristen trotzt, sich zur Wehr setzt gegen alkoholisierte Pöbeleien in verschiedenen Sprachen und einer sonnenbrandlosen Restästhetik huldigt. Alle haben Urlaub. Europa ist unterwegs an die Strände, und zwei hübsche Mädchen nebst verantwortungsvollem, sorgsamem Papa stürzen sich da mitten rein. Mit einem 18 Jahre alten Audi V8, einem großen Zelt und nur einem ersten Ziel: Paris. Später hoffen wir auf einen freien Campingplatz am Mittelmeer, aber zuerst geht es in die Stadt der Liebe 🙂 Bei Ihnen zu Hause regnet es gerade? Dann folgen Sie uns in die Sonne…
Zunächst geht es… nun… aus dem Bett raus.
Kennen Sie diese Nächte, wo Sie wissen, dass Sie morgens früh raus müssen (und es wichtig ist)? Genau. Da wacht man irgendwie immer zwischendurch auf, schreckt hoch, schläft unruhig… Um 3:00 Uhr gucke ich quer durch die Dunkelheit verschlafen auf meinen Radiowecker und beschließe, eigentlich mal aufstehen zu können. Um diese Zeit sind die Straßen schön frei, und da ich meinen Wecker gestern Abend zwar auf 3:30 Uhr gestellt, ihn aber aus Versehen nicht angeschaltet habe… glaube ich an meine innere Uhr. Strecke machen. Raus mit euch, ihr Töchterchen, ihr könnt schließlich im Auto noch weiterschlafen, Papa will los!!! Von irgendwo weit weg blicken mich vier schöne, aber verschlafene Augen an, doch als die Gegenwart meine beiden Süßen wieder eingeholt hat sind sie ratz fatz im Auto und freuen sich schon jetzt auf die leckeren Reisebrötchen. Adios, regengraues Julikiel. Wir sehen uns in zwei Wochen!
Ich mag Rastplätze. Sie versprühen diese einzigartige Urlaubsatmosphäre, die nur Fernreisende mit dem Auto erleben dürfen. Macht ja heute keiner mehr. Teures Benzin, Zeitknappheit und Billigflieger lassen den Weg als Ziel in den Hintergrund treten. Nicht aber für uns.
Besagte 12 Brötchen, 20 Wiener Würstchen, 8 Eier und eine Kanne Kaffee sind sozusagen schon kurz hinter dem Hamburger Elbtunnel verspiesen! Die Reste werden im warmen Sonnenaufgang auf irgendeinem Truckport verköstigt. Glücklich kuscheln sich die beiden anschließend in ihreKissen und sacken in einen traumlosen Autoschlaf, der dem Fahrer leider verwehrt wird. Er würde auch gern. Stattdessen entdeckt er belgische Radiosender.
Die sind nicht immer wirklich unterhaltsam, also zappe ich bei nunmehr komplettem Tageslicht die 10 CDs im Wechsler eine nach der anderen durch. Meine Töchter neben und hinter mir befinden sich schnarchend auf der Zeit-Vorspultaste, wenn sie demnächst aufwachen werden wir schon irgendwo hinter Maastricht sein. Dank des Rückspiegels kann ich die Luftmatratzen, den Tisch und die drei Campingstühle im Blick behalten, die ich mit Spanngummis auf dem Kofferraumdeckel befestigt habe. Äh… die haben irgendwie nicht mehr reingepasst. Passt schon. Bis nach Frankreich ist es eigentlich gar nicht so weit von hier oben, und hey – LPG kostet in diesem unscheinbaren Land mit der großen Autobahn sagenhafte 63 Cent! Ich donner den Radmuldentank noch einmal randvoll und ignoriere meinen schon wieder knurrenden Magen. Ist das denn normal? Dass man auf Reisen ständig essen möchte? Irgend jemand hat mir mal erzählt, dass bei sommerlicher Hitze der Appetit nachlässt. Kann ich nicht bestätigen.
Nachlassen tut allerdings die Leistung der Klimaanlage in meinem Audi V8. Vorn am Kondensator ist ein kleiner Riss, und der spärlich aufgebaute Druck zischelt da seit ein paar Jahren nach und nach raus. Versuchen Sie mal, so ein Teil im Zubehör zu bekommen. Keine Chance. Die Zeiten sind vorbei. Und die freundlichen Herren am originalen Teiletresen wollen für das Teil 580 Euro haben. Nein. Erstmal nicht. Ein bisschen kalte Luft zischelt ja noch aus den Düsen, das muss reichen. Kurz vor der französischen Grenze sende ich noch ein paar verliebte Worte in den Norden zu meinem halbfinnischen Fräulein Altona, das arbeitend daheim geblieben ist und ein tiefes temporäres Loch in meinem furchtbar romantischen Herzen hinterlässt. Internationale Kommunikation über die Datennetze ist noch immer nicht wirklich preiswert. Aber was soll’s – echte Liebe ist unbezahlbar…
Ich dachte, der wäre kleiner? Wie oft bin ich schon um die Hauptstadt an der Seine herumgefahren, wie viele Filme habe ich schon über ihre Monumente gesehen, wie viel ihrer Kunst während meines Studiums bewundert? Und inmitten von allem steht der alte rostige Eiffelturm seit 120 Jahren! Er, der eigentlich nur überlebt hat, weil man ihn im ersten Weltkrieg als Funkmast verwenden konnte. Gewaltig und wunderschön erhebt er sich vor der Aussichtsplattform an der Metrostation Trocadero, als wir um die alten Häuser herum blickend den Marmorplatz betreten. Voller Ehrfurcht. Es ist tatsächlich DER Eiffelturm, leibhaftig! Und da unten ist ein noch wesentlich leibhaftigerer Brunnen mit fröhlichen Wasserspielen eine Etage tiefer, wie geschaffen für den Ausklang eines langen heißen Tages in einem schwarzen Auto mit großen Fenstern!
Verrückte Pariser inmitten eines grandiosen Badeverbots. Und drei Deutsche. Waaaaaah ist das SCHÖN hier! Und leider kein Rotwein in der Nähe, dafür aber die Alex, eine Freundin meiner großen Liebe, die hier für ein paar Tage Urlaub macht und sich kurzerhand mit uns per SMS zum Fußbad verabredet. Die Welt ist ein Dorf. Wenn auch kein unbeugsames, gallisches, touristenverachtendes, denn für einen Dienstag Abend ist es hier heftig voll. Nicht auszudenken, was bei diesem Wetter am Wochenende los sein wird, aber das werden wir auch nicht erleben. Nach Plan sollten wir da an der Côte d’Azur sein. Fazit: Wir haben nicht viel gesehen, aber das was wir gesehen haben ist phantastisch! Eine brummende Metropole voller Künstler, Tänzer, guter Gerüche und Musik. Ich möchte noch einmal wieder kommen und meine Freundin küssen, genau hier…
Ein Hotel mit Blick auf die Seine klingt verlockend und romantisch, manchmal ist es aber auch nur ein schebbeliges Etap mit Dreibettzimmer („Ich will diesmal aber OBEN schlafen!!!„) an einer sechsspurigen Ausfallstraße. Na und? Das Zimmer ist klimatisiert, wir haben W-Lan und Fernsehen, eine wunderbare heiße duftende Dusche und nach 11 Stunden auf der Straße und 3 Stunden auf dem eiffelbeturmten Marmor auch die Aussicht auf ein kuscheliges Bett. Ein großartiger Start in einen Roadmovie-Urlaub. Der treue V8 schnurrt mit seinen 513.000 Kilometern wie ein Uhrwerk und hängt ob seiner Last auch nur ein ganz klein bisschen hinten runter. Das Zusatzgepäck auf dem Kofferraumdeckel ist ebenfalls komplett geblieben, eigentlich ist das eine recht akkurate Packmethode. Ich denke über ein Koffergitter auf dem Deckel nach, englische Roadster können das doch auch…? 😉
Gute N8 Paris. Morgen Abend wollen wir in Saintes Maries de la Mer sein, von dem uns noch weitere 850 mautpflichtige Autobahnkilometer trennen. Gute N8 meine beiden Töchterchen. Ihr seid großartige Mitfahrer. Gute N8 mein V8. Morgen geht es weiter. Waren Sie schon einmal in Paris…?
Sandmann
Hi Sandmann,
ja, ich war schon in Paris. Und jedes Mal war ich froh nicht mit dem eigenen Auto dort gewesen zu sein… Die schaffen es sogar im Stau zu überholen!
Aber irgendwie hat mein TomTom immer an der gleichen Stelle rebootet. 2 mal im Abstand von einem Jahr!
Dann noch viel Spaß!
Steffen.
Bester Steffen,
das TomTom hat uns sozusagen den Arsch gerettet, wenn ich auch noch hätte auf Straßenkarten achten müssen… nee nee… Immerhin weiß ich jetzt, wo an der Seine ein super Gratisparkplatz ist!
Grüße zurück, inzwischen aus Saint Tropez und nur mit einem Handynetz ausgestattet…
Sandmann
ENDLICH mal wieder ein paar Reiseberichte von dir! 😀
Auch wenn hier nicht viel kommentiert wird, ich lese die am Liebsten. Ich stelle mir dann immer die Geräusche und die Gerüche da vor, wo ihr seid und träume mich aus meinem kleinen, langweiligen Leben ein bisschen raus.
Das ist super. Vielen Dank für diese geilen Impressionen, ich werde Tag und Nacht arbeiten um meinen nächsten Urlaub entsprechend ausschmücken zu können…
Ein seufzender
Abel
Ay Calimero,
wenn du da mal hin kommst – nimm einfach eins dieser Etap Hotels. Wenn dir Atmosphäre nicht wichtig ist und du nur ein Dach zum Pennen brauchst, bist du da auf der preiswerten Seite. Wir haben zu dritt mit Frühstück insgesamt 79 Euro bezahlt… Das ist schon recht okay…
Sandmann
Manchmal frage ich mich, warum den hier so viele gelesen, aber niemand kommentiert hat….
Aber nun gehe ich erstmal schlafen 🙂
Sandmann