Hinter den Fenstern

Eine Odyssee durch den Norden

9:00 Uhr, Kiel
„Aber das ist doch viel umweltfreundlicher, wenn du Papas Auto mit dem Zug holst. Sonst müssen wir später mit zwei Autos parallel fahren. Finde ich doof.“ Das halbfinnische Fräulein Altona hat klare Vorstellungen von Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz. Das ist natürlich gut, in meinem Fall bedeutet das ein paar 100 Kilometer mit der Bahn, der S-Bahn, zu Fuß und mit zwei verschiedenen Autos. Eins davon ist der Passat meines Schwiegervaters, der übermorgen eine neue TÜV-Plakette bekommen soll. Yeah. Bei dem Mann bin ich noch lange nicht, also mache ich mich flott auf den etwas umständlicheren Weg von Kiel in die Nordheide. Bis Hamburg ohne Auto, weil sie nicht parallel… ach egal. Alles für die Umwelt. Und für Schwiegervater, und für zwei Jahre TÜV und zehn Selfies in verschiedenen Verkehrsmitteln. Auf zum Bahnhof.

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30 Jahre – und für immer jung

Ein Roadster aus dem Bilderbuch

Noch ein Blick auf die App: Es soll regnen. Der Blick nach oben: Jetzt noch nicht. Oliver Donath ist sich noch nicht ganz sicher, ob das Hardtop runter kann oder lieber nicht. Die immer wieder herausguckende Sonne siegt (noch) gegen den norddeutschen Regen, er startet seinen Achtzylinder und rollt in Bruno Saccos „Skulptur“ durch die Hamburger Hafen City zu neuen Ufern. Er polarisierte damals, er polarisiert heute. Der silberne, knurrende Mercedes-Benz SL 500, Sportschwabe, Ikone und echter klassischer Roadster.

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C4, V8 und die Mosel

Sehr flach, sehr schnell

Es ist friedlich in Traben-Trarbach. Der große Fluss mäandert träge an historischen Mauern vorbei. Vollverglaste Binnenschiffe entlassen im Stundentakt rüstige Senioren auf die Anleger, die durch die verkehrsberuhigte Altstadt stiefeln und Postkarten kaufen. Auf dem Campingplatz direkt am Ufer werden die ersten Moselweine entkorkt. Irgendwo bimmelt eine Glocke in einem Gotteshaus. Das alles kann man beschaulich und beruhigend finden, aber es gibt hier unten auch andere. Menschen, die einen Hauch gut gemeinte Rebellion im Blut haben und diesen am liebsten mit einem Auto ausleben wollen, was hier nicht richtig reinpasst. Eins aus den Vereinigten Staaten, wo die Highways einfach weiter und freier sind als an der Mosel.

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Das gelbe Erdbeben

Das Feuer ist heute nur gelb

Der große Mann steigt aus und lächelt gewinnbringend. Sein gelbes Auto stellt alles in Frage, was man bisher unter dem Stichwort „Individualisierung“ irgendwo im Gehirn abgelegt hatte: Bentley Continental T Mulliner Personal Commission. Ein Name wie Donnerhall, wenn man zuvor ein wenig in der Geschichte der Marke gestöbert hat. Vergesst den euch bekannten Luxus der anderen. Hier steht der Beweis, wie aus einer Kutsche ein ganz besonderes Statussymbol reifen kann. … ich will das weiterlesen!

Nur fliegen ist schöner?

Die deutsche Baby Corvette

Alle kennen ihn. Aber nur wenige, mit denen man heute spricht, haben tatsächlich einen besessen oder überhaupt auch nur einmal in einem dringesessen. Der Opel GT, die „kleine Corvette“ aus dem Werk in Bochum, polarisierte in den 1960ern die Kunden. Er war ein fahrbarer Beweis für den Mut, mit dem seinerzeit im Automobilbau noch in neue Kundenkreise vorgestoßen wurde. Wie fährt die Coke Bottle sich heute? Wenn man persönlich fast keine Zeitzeugen kennt – muss man es eben selbst probieren. Auf zu Opel Classic nach Rüsselsheim, da wird ja sicherlich einer aufzutreiben sein.

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Er kam… und er ging…

Sag es durch die Kirsche

Die unerfüllte Liebe. Sie lässt dich in der Nacht wachliegen, schwirrt dir am Tag durch den Kopf und macht deine Handlungen irrational. Unerfüllte Liebe tut weh. Und wenn du dich dann auch noch in jemanden verliebst, von dem alle sagen, dass er dir nicht gut tun wird… dann wird es schnell pathologisch. Die Neuauflage des Ford Scorpio, diese glupschig guckende Retrokarre nach 1995, war so eine unerfüllte Liebe von mir. Alle hatten mir abgeraten. Ich ließ mich drauf ein. Ich liebte und ich litt. Und da ich kein Teenager mehr bin, weiß ich inzwischen: Was du wirklich liebst, das musst du gehen lassen können. Mein Scorpio verlässt mich heute Abend.

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Schweizer Käse Loslassen

Bereit für die große Reise

Ich kann nicht gut loslassen. Autos kommen und gehen. Einige bleiben nur kurz, andere bleiben lange. Einige sind nur etwas schrägere Transportkisten für den notwendigen Weg von A nach B, andere haben eine lange Geschichte und begleiten einen ganzen Lebensabschnitt emotional und bleibend. Der 1971er VW K 70 gehört zu meinen Autos mit Geschichte. Mit eigener, persönlicher Geschichte aus meiner Kindheit und nach über 10 Jahren auch mit einer neueren, selbst erlebten Geschichte in der Welt der Erwachsenen. Aber so viele Geschichten sich auch stapeln – ein Tag hat nur 24 Stunden und ein Jahr hat nur 365 Tage. Ich habe inzwischen gelernt, dass ich das nicht ändern kann. In meinem Leben ist kein Platz mehr für einen kleinen, liebebedürftigen Goldklumpen aus Salzgitter. Und die Rumsteherei macht ihn nicht besser. Jetzt wohnt er wieder in der Schweiz, wo er mal herkam.

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Der Neue in der Klasse

Guckt euch diese Nase an!

Das dunkelblaue Coupé gleitet über das Kopfsteinpflaster, der Vierzylinder knurrt bajuwarisch-sonor im Standgas – was für eine Form. Und was für ein ungewöhnlicher Auftritt: Ein Gesicht wie ein traurig guckender Hai. Die Augen einer melancholischen Sphinx, mit einer schmalen, verchromten Niere, die gleichzeitig Nase und Zähne zu sein scheint. Keine B-Säule, ein klassisch flach abfallendes Dach und ein Heck wie direkt aus einer italienischen Sportwagenschmiede: Der BMW 2000 CS scheint von einem anderen Planeten. So wunderschön und so schnell auf der linken Spur der Autobahnen der 60er Jahre. Wer denkt sich bloß so ein Auto aus?

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Kein Laut.

Bäume, Wasser und viel Ruhe

Eine Woche jenseits der Akustik. Raus aus Kiel, raus aus Hamburg. Raus aus dem Lärm, den Baustellen und den hektischen Stadtteilen voller geistig nicht zurechnungsfähiger Nihilisten. Nicht in einen niedersächsischen CenterParc mit Ballermann-Kinderbespaßung und All-Inclusive-Verpflegung nebst 24-Stunden-Alkoholflatrate, sondern in ein finnisches Haus an einem finnischen See, ohne Nachbarn. Die Kinderbespaßung übernehmen wir selbst (das nennt man „Familie“) und zu essen gibt es auf Birkenholz gegrillte Saunawürste mit süßem Senf und penibel dosiertes, sündhaft teures Dosenbier. Eine Welt voller Wald mit leckeren Beeren, duftenden Kiefern und Mücken. Und Stille. Eine epische Stille.

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Waldgeister

Liegt da einfach so rum.

Verlassenes macht mich traurig und nachdenklich. Verlassene Häuser, verlassene Menschen oder verlassene Autos. Hinter allem steckt eine Geschichte, selten alltäglich, manchmal tragisch, meistens wegen der oberflächlichen Betrachtung unergründlich. Lebewesen oder Gegenstände in einem Zustand, in dem sie so nicht sein sollten. Oder an einem Ort, an dem man sie nicht erwartet hat. Alles auf dieser Welt wurde irgendwann einmal geliebt, gekauft, genutzt. Diese Gedanken drehen in meinem Kopf ein paar Runden und vermischen sich zu wirrem Zeugs, während ich in meinem eben gerade geparkten Auto sitze und in den tiefen, finnischen Wald blicke. Ganz weit hinten, jenseits alles Straßen, sehe ich die Umrisse eines verlassenen, alten Autos. Ich muss da glaube ich mal hinstapfen.

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Die Tiefgarage

Sehr sehr weit unten

Helsinki ist groß und besteht vor allem aus Häusern für Menschen. Deshalb sind, wie in jeder anderen Hauptstadt auch, die Übernachtungsmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge aller Art nur begrenzt vorhanden. Unser etwas schräges Hotelli mit einem netten, aber zwielichtigem Mann an der Rezeption bietet über den Erwerb von Aktien und betonierten Eigentumsanteilen ein paar Quadratmeter in einer Tiefgarage an, wo das bedachboxte Reisemobil einigermaßen sicher und vor allem fern der Augen korrupter Abschleppunternehmer 24 Stunden verweilen darf. Soweit die Theorie. Dass es sich hier um einen magischen Ort in der Nähe des Erdmittelpunkts handelt, wurde mir vorher nicht mitgeteilt. Herum, herum, herum, herum…..

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Sharknose aus München

Ferenc und die Amazonit Nase

Mit einem kleinen Spielzeugauto der Firma SIKU in einer wahrhaft seltsamen Farbe ging alles los. BMWs Sechser Coupé aus den 70ern weckte damals Begehrlichkeiten, heute weckt es Erinnerungen. Großer Reihensechser vorn längs, Heckantrieb, zwei Türen mit vier Plätzen und eine zeitlose, sportlich gedrungene Karosserie. Die Haifischnase hat es Ferenc Kempermann aus Hamburg seit seiner Kindheit angetan. Und endlich hat er sie in 1:1, in der gleichen Farbe wie damals sein SIKU Auto.
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Bullerbü mit Kater

So schön, das kann nur Kulisse sein.

„Ich heiße Lisa. Ich bin ein Mädchen. Das hört man übrigens auch am Namen. Ich bin sieben Jahre alt und werde bald acht. Manchmal sagt Mama: »Du bist ja mein großes Mädchen, du kannst mir also heute beim Abwaschen helfen.« Und manchmal sagen Lasse und Bosse: »Kleine Mädchen dürfen nicht mit uns Indianer spielen. Du bist zu klein.« Daher weiß ich nicht, ob ich eigentlich groß oder klein bin. Wenn die einen finden, dass man groß ist, und andere, dass man klein ist, so ist man vielleicht gerade richtig.“
Das sind die ersten Zeilen aus „Wir Kinder aus Bullerbü“. Auf dem Land- und Seeweg Richtung Suomi pendel ich heute von Norwegen nach Schweden, ins Reich von Astrid Lindgren. Lisa, Lasse und Bosse finde ich nicht. Aber einen alten Mann und seine Katze. Schnallt euch an. Aber hinten nicht, wenn das geht ist euer Auto zu neu.

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Wikingerdiesel

Über den Dächern von Oslo

Über den Dächern von Oslo

„Halbfinnisch“. Könnt ihr euch vorstellen, was das bedeutet? Also klar, „niedersächsisch“ kann ich noch erklären, da zieht es mich mehrmals im Jahr in eine kaum bekannte Stadt in der Lüneburger Heide, in der ich mich aber geborgen fühle, weil ich da aufgewachsen bin. Aber „halbfinnisch“… das ist, wenn eine genetische Programmierung alle fünf bis sechs Jahre an die Innenseite des Schädels klopft. Man isst dann mehr und mehr frisch gepflückte rote und blaue Beeren, googelt (im Rest von Europa längst vergessene) Skispringer mit Alkoholproblemen und nimmt wieder Kontakt zu Verwandten auf, die inmitten von Kiefern und Birken zwischen kalten Seen ihr Leben im Einklang mit den Mücken leben. Diese Perioden enden dann immer mit der Buchung von mindestens einer Autofähre und einem Mökki irgendwo auf diesem großen, felsigen Stück nordischer Erde, das gerade mal so viele Einwohner zählt wie Hamburg und Kiel zusammen. Sie hat gebucht. Aber nicht den direkten Weg. Oslo soll auch schön sein, Stockholm sowieso, also ist es kein Long way to Tipperary, sondern to Pertunmaa. Ein Umweg. Packen, volltanken und los.

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