Die Wege des Herrn sind unergründlich. Manchmal sind es auch die Wege von einfacher gestrickten Utensilien, Deckel von Kühlwasserausgleichsbehältern beispielsweise. Gerade einmal bin ich mit mir und der Welt zufrieden, alles was zu einem endgültigen automobilen Glück noch fehlt, ist ein kleiner Schluck Kühlwasser. Man erinnert sich, das kleckert irgendwo raus, wo genau ist noch zu lokalisieren. Also schraube ich den freundlichen blauen Deckel vom Ausgleichsbehälter ab, lege ihn beiseite, kippe einen Schluck nach und will alles wieder ordnungsgemäß zuschrauben… da flutscht mir der Lump durch meine geschwächten Finger und fällt in Richtung Erdmittelpunkt… und fällt… und fällt… Die Geräusche sind ungefähr „PLINK – PADONK – BUNK – BOCK – KLACK“ und Ruhe. Ein Blick unters Auto: nichts. Es beginnt eine Odyssee, die wohl dem Auffinden des Wracks der Titanic gleicht.
All das wäre ja nicht so schlimm, würde es sich nicht um genau diesen Deckel handeln, ohne den man ja nicht so ohne weiteres fahren kann. Jedenfalls nicht so gut. Drucklos nennt man das. Von meinem Citroen XM war ich es gewohnt, dass verschiedene Dinge, Knarrengelenke, Stecknüsse, Handys, Schrauben und anderes brauchbares Zeugs, herunterfallen und niemals unten ankommen. Und auch nie wieder gefunden werden. Nach Jahren nicht.
Aber hier handelt es sich um meinen Audi, den kenne ich, der hat nichts zu verbergen. Somit krempel ich die Ärmel hoch und versenke meinen Arm tief in den Eingeweiden des 4,2-Liter-Aluminium-BigBlocks, vorbei am Luftansaugrohr, dem unseligen Ausgleichsbehälter, dem Verdampfer der Gasanlage und dem Wärmeblech des rechten Krümmers. Das ist auch das Stichwort – Wärme. Der Motor ist noch heiß, und so langsam, wie ich den nackten Arm um die Aggregate herum in die Tiefe schlängel, so weniger schnell bekomme ich ihn nach dem Kontakt mit den schmurgelnd heißen Aggregaten heraus! Es fehlt definitiv der dritte Ellenbogen oder ein weiteres Handgelenk. Nach verbrannten Haaren riechend und mir die roten Stellen leckend, überlege ich andere Strategien.
Dieser Deckel hat einen den Geräuschen nach zu urteilen recht langen Weg hinter sich. Also muss er ziemlich tief liegen. Was ist beim Audi V8 ganz unten? Ja? Sie da in der dritten Reihe? Genau, die untere Pappe, die unter anderem den Fahrtwind zu den vorderen Bremsen leitet, um diese zu kühlen. Mit ein wenig Fingerspitzengefühl (ich bin zwar ein Mann, aber auch Männer können so etwas haben!) ertaste ich tatsächlich den kleinen blauen Lump und schaffe es, im Dreck auf der Straße liegend, ihn in eine Position zu friemeln, in der er zumindest sichtbar ist. Männer müssen ihr Ziel sehen können. Und ich habe Werkzeug dabei! Also schraube ich die rechte vordere Radhausverkleidung an drei Punkten ab und bekomme einen neuen Zugang zu dem Verschollenen. Lost!
Eine Geschichte, die zur Abwechslung einmal unkompliziert und gut ausgeht. Wer hätte das gedacht. Nach wenigen Handgriffen (wobei diese inzwischen schon ziemlich schmutzig sind) habe ich den Deckel wieder aus den Tiefen des Motorraums befreit. Aufatmen in der Menge und Erleichterung bei den Verantwortlichen. Er sagt, es gehe ihm den Umständen entsprechend gut und man habe ihn gut behandelt. Triumphierend halte ich ihn ins Abendsonnenlicht und schraube ihn konzentriert auf sein Bestimmungsgewinde. Alles wird gut. Böse Zungen mögen behaupten, ich erlebe banale Kleinigkeiten und walze sie hier episch aus. Aber ich bin echt geschlaucht und versuche, mich aktuell und in Echtzeit mit einem rotblonden Duckstein Hefeweizen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu bringen 🙂 Und fragen Sie bitte nicht, warum der auch noch in diesen Situationen ans Fotografieren denkt. Sind wir nicht alle ein bisschen bluna?
Ist Ihnen auch schon einmal etwas in den Motorraum geplumpst, und Sie haben es nie wieder gefunden? Oder erst Stunden später, nach Zerlegen des halben Autos? Je neuer das Auto, desto gekapselter ist alles. Bei meinem Granada konnte ich noch die Straße unter dem großzügig dimensionierten Motorraum sehen… Erzählen Sie doch mal. Und nehmen Sie kein Blatt vor den Mund, mir ist nichts zu skurril.
Schlimme Frisur übrigens, wie ich Jahre später erkennen sollte…
Sandmann
Mir ist gestern ein Schraubendrehen direkt unter den Krümmer gefallen. es wurde schon dunkel, keine Taschenlampe in der nähe und kein Schraubendreher in Sicht. aber ich hab ihn noch gefunden und mit einem langen Stab rausfummeln können. musste gleich an deine Geschichte denken. 🙂
*hach*
Es ist immer schön, wenn jemand an mich denkt 😉
Ich hatte irgendwann einmal so einen kleinen langen Greifer. Eine Art Bowdenzug mit einem Drücker oben und unten drei kleinen Greifärmchen. Damit konnte man prima heruntergefallene Schrauben oder andere Dinge aus Ecken rauspulen, wo man mit seinem dicken Handgelenk nicht hinkommt.
Ob das so etwas noch gibt…?
Sandmann
Jetzt wo du es sagt ? sowas hab ich auch. aber wo ? 🙂
Schau mal im Motorraum nach, vielleicht ist es nach unten gefallen 😉
Mir ist mal beim Schrauben ein Werkzeug in einen tiefen Hohlraum (VW-Bus B-Säule) gefallen. Ich nehme mal an, sollte das Fahrzeug nicht irgendwann mal jemand über Kopf gedreht haben, das Werkzeug liegt da heut‘ noch drin oder wurde mit dem Wagen verschrottet.
🙁
El
Das sind dann die Schrauben oder Unterlegscheiben, die von oben nach unten in den Schweller plumpsen und dort dafür sorgen, dass er von innen nach außen durchrostet 🙂
Ich würde ja die Pappe unter dem V8 auch weglassen, dann sieht man mehr, aber sie leitet den Luftstrom auf die vorderen Bremsscheiben und die Lichtmaschine, und das macht auch Sinn…
Sandmann