Sandmann fährt ein altes Auto. Nicht jedermanns Sache, wir sprechen hier von Mechanik, Elektromechanik und Elektronik, alles garniert mit Vibrationen, jahreszeitlichen Temperaturunterschieden, Feuchtigkeit, alternden Gummidichtungen, Öl und Schmutz. 17 Jahre haben die vier Ringe mittlerweile auf dem Blech, und man merkt bei jeder Umdrehung der Kurbelwelle, dass hier Benzin verbrannt wird. Das ist im allgemeinen laut und stinkt. Auf den Markt kam dieses Modell 1988. Es war das Jahr, in dem Natalie Cole den „Pink Cadillac“ besang und Yello mit „The Race“ die Charts stürmten. Audi in Neckarsulm spielte hingegen den Blues, den Blues der Oberklasse. Bisher hat man sich brav im Oberlehrer-Segment aufgehalten und die gut betuchte Mittelschicht mit zuverlässigen, ein bisschen langewiligen Limousinen versorgt. Mit dem Quattro wurden die Audis frecher. Und hier steht er nun. Ein längs eingebauter V8-Motor aus Aluminium, 32 Ventile, vier oben liegende Nockenwellen, vierstufiger Automat von ZF, vollverzinktes Blech, permanenter Allradantrieb und eine Serienausstattung, die ihresgleichen suchte. Die Welt sah mit eingeschliffenem Blick einen dicken Audi 100 und fragte sich, warum der 120.000 Mark kosten soll.
Einige fragen sich das noch immer.
22 Jahre nach der ersten Serie und 17 Jahre nach dem Neukauf meines Boliden hat sich die Welt verändert. Im Zeitalter der Klimaschutz-Diskussion finde ich mich als gebeuteltes Individuum wieder. Die Schere geht auseinander. Die Koreaner wollen ein 1,5-Liter-Auto auf den Markt werfen, während an anderer Stelle trotz Abwrackwahn und Stom-Kult großvolumige W12-Motoren gezüchtet werden.
Heute ist es fast normal, in jedem Getz oder Matiz eine Klimaanlage, einen Bordcomputer oder einen Tempomaten zu haben. Damals zeugte es noch von Exklusivität, elektrische Sportledersitze mit Memory und Sitzheizung zu besitzen und einen Tacho zu sehen, der bis 280 geht. Und einem Sound-System von BOSE mit vier aktiven digitalen Endstufen zu lauschen, das über einen CD-Wechsler verfügte, als alle anderen noch an ihren Kassettenrekordern saßen, um die neuen Hits aus dem Radio aufzunehmen.
Audi hatte die Käuferliga damals ein wenig falsch eingeschätzt. Das wird einem auch heute noch schmerzlich bewusst, wenn man mit seinem vermeintlichen Audi 200 vorfährt und kein Mechaniker so recht weiß, was er machen soll. (Der Nachfolger A8 sollte das alles erfolgreich gerade rücken.)
Ist es verrückt, ein Auto zu fahren, von dem sich zwischen 1988 und 1994 nur rund 21.000 Stück verkauften, dem damit der Exotenstatus schon in die Wiege gelegt wurde? Liegt es am Esprit des Understatements oder an der Gewissheit, faszinierende Technik, Komfort und Agilität zu beherrschen, die einem auch heute noch kaum ein vergleichbares Auto bietet?
Sagen wir mal so: Wenn man sich ein bisschen aufs schrauben versteht und einen guten Freund und V8-Retter mit einer Hebebühne hat, ist die Instandhaltung möglich. Und wenn man dann seinen Dampfer mit einer LPG-Anlage ausstattet, fortan 14 Liter LPG für 62 Cent tankt statt 14 Liter Super für 1,42 Euro, macht auch das Fahren großen Spaß. Und ist nicht ganz so schlimm für die Umwelt.
Meine Welt, durch die Windschutzscheibe dieses alten Autos betrachtet, können Sie hier jetzt gebündelt nachlesen.
Sandmann