Kein Kontakt mehr!

Knudsen Smalltalk

Knudsen Smalltalk

Klingt ein bisschen wie die Geschichte einer verlorenen Freundschaft?
Nein 😀 Ganz anders. Genau wie eine Freundschaft hat ein altes Auto immer Optimierungsbedarf. Ich habe bei ebay aus Versehen einen original Verteiler und ein Steuergerät für die kontaktlose Zündung aus einem Granada erstanden. Dieses Setup verspricht bessere Funken, keinen Verschleiß und Drehzahlfestigkeit auch im hohen Alter. Also, wir sprechen hier von meinem Auto. Bei Timur funkt das schon seit Jahren so (das Auto), und heute ist er vorgefahren, damit wir den ganzen Shizzle bei meinem Coupé auch mal einbauen. Braucht man nicht – will man aber haben. Eine kleine Abhandlung über bunte Kabel, Startanhebungen, eine Havarie inklusive halbfinnischem Fräulein Altona noch auf der Einfahrt und den roten Bereich des Drehzahlmessers. Argh.

Liebe Nicht-Techniker, Onkel Jens erklärt euch kurz den Zündfunken.

auf zu auf zu auf zu

auf zu auf zu auf zu

Der wird beim Taunus von einer Zündspule gehext, die aus den mageren 12 Volt der Batterie kompetente 20.000 Volt macht. So viel erwartet eine gelangweilte Zündkerze, damit die Spannung als Blitz an ihr rumfunken und das Benzin-Luft-Gemisch im Motor erfolgreich zur Explosion bringen kann. Diese 20.000 Volt werden bei älteren Autos über einen sich schnell drehenden Verteilerfinger auf die einzelnen Zündkabel verteilt. Unter dem Finger macht ein kleiner Kontakt immer im richtigen Moment auf und zu und auf und zu. Ein paar Tausend Mal pro Minute. Und der verbrennt mit der Zeit, außerdem muss der ab und an eingestellt werden und macht bei hohen Geschwindigkeiten komische Sachen. Deshalb hat sich mal jemand gedacht – hey, es gibt doch seit den 40ern elektronische Schalter, sogenannte Transistoren. Die haben drei Beinchen, wie ein von einem Kind gequälter Käfer. Wenn ich an das mittlere eine Spannung anlege, macht der Transistor zwischen den anderen beiden Beinen den Weg für den Strom frei. So ähnlich. Da klackert also nix mehr, da macht nix mechanisch auf und zu und da verschleißt auch nix. So eine Transistorzündung gibt es seit den 70ern (bestimmt auch schon vorher irgendwo) auch für Ford, und die aus dem Granada passt bei meinem Taunus V6. Nur die Verkabelung ist ein wenig blöd, aber zu zweit mit der entsprechenden Anleitung macht das sicher Spaß. Also erstmal den neuen alten Verteiler auf die Welle setzen.

Ah. Schon besser.

Ah. Schon besser.

Weil das hier mit den neuen Komponenten elektrisch gesehen alles ein bisschen anders ist, brauchte ich auch eine Hochleistungszündspule. Mit einem anderen Innenwiderstand. Klingt teuer, ist es aber nicht, die gab es neu bei motomobil für 30 Euro. Neben die neue Spule, unter der Haube, schrauben wir das kleine Metallkästchen von Motorcraft. Tested tough. Da sitzen ein paar Schaltkreise drin, genaugenommen kann man das Ding schon als prähistorisches Steuergerät bezeichnen. Das muss jetzt mit der Zündung, der Zündspule und dem Verteiler verbunden werden, und zwar so, dass es nicht superscheiße aussieht (ich will euch nicht noch mehr Gründe zum Meckern geben) und dass es nach Möglichkeit auch funktioniert. Seit ich damals in meinen Audi V8 mit Tom zusammen die Prins LPG Anlage eingebaut hatte und den armdicken Hauptkabelbaum dafür durchtrennen musste, sehe ich die dünnen Strippen eines 70er Jahre Autos mit einer gewissen Gelassenheit. Hier knipps, da schnipps, was Timur durchschneidet und abisoliert löte ich im Nachgang fachmännisch wieder zusammen und isoliere es mit Schrumpfschlauch.

Man kommt immerhin gut an alles ran

Man kommt immerhin gut an alles ran

Der kleine Haken bei unserem Experiment: Der originale Kabelbaum mit den dicken Steckern vom Granada war leider nicht bei dem Paket dabei. Also müssen wir mit Kabelschuhen selbst die Strippen ziehen, das sieht ein bisschen gebastelt aus, ist aber nur temporär und gut isoliert. Vorn auf der Knudsennase liegt die 15seitige Werkstattanleitung von Motorcraft mit einem Schaltplan und einigen Hinweisen. Einer davon betrifft das dicke Widerstandskabel im Motorraum, was beim Umstieg auf eine kontaktlose Zündung gegen ein anderes getauscht werden soll. Timur fährt mit seinem aber schon seit Jahren so rum. Sagt er. Also was soll’s. Startversuch – springt auf Anhieb an und läuft rund. Super. Kein Einstellen mehr, bestenfalls sogar ein geringerer Verbrauch. Das Steuergerät verschraube ich noch fest mit der Karosserie, damit die Wärme abgeleitet werden kann. Das Kästchen hat einiges zu tun und wird mit der Zeit ganz schön warm.

Sauber verdrahtet

Sauber verdrahtet

Der nächste Morgen ist unbebildert…..
Unter Zeitdruck will ich von Kiel nach Hamburg, mit dem halbfinnischen Fräulein Altona und dem viertelfinnischen Sandmädchen. Der Taunus: springt nicht an. Keine Zündung, kein Mucks. Nix Funken. Nur Flüche von mir und ein schlecht reproduzierbarer Blick meiner Herzdame.
Fazit: Taxi zum Bahnhof, mit der Bahn nach Hamburg, alle kommen zu spät und ich muss irgendwie wieder nach Kiel. Timur hat so eine Idee. Nächsten Abend treffen wir uns wieder am havarierten Knudsen, und er steckt eins der Pluskabel um. Springt auf Anhieb an. Na toll, das hätte ich also einfacher haben können 🙁 Das Problem war die sogenannte Startanhebung. Das Steuergerät bekommt über ein Kabel Plus, und über ein zweites noch einmal „am Anlasser vorbei“. Damit, wenn beim Anlassen eine Menge Energie vom Anlasser abgezogen wird, die Box trotzdem genug Saft für den Zündfunken hat. Gebe ich da Plus drauf, springt der Wagen an. Immer. Sonst nicht.
Ich weiß mal wieder nicht, wie sehr ich Timur danken soll und kann und reite mit Dauerplus auf der Startanhebung vom Hof. Macht er auch so, sagt er. Seit Jahren. Trotzdem bestelle ich im Netz noch ein weiteres Steuergerät, die kosten nicht die Welt. Auf der Autobahn zickt die neu verlegte Elektrik dann im Nachgang noch weiter! Die veränderten Widerstände verwirren die Ganzheitlichkeit des (elektrisch angesteuerten) Drehzahlmessers. Ab 120 km/h zuckt er in den roten Bereich. Verdammt.

Neeee so soll das nicht!

Neeee so soll das nicht!

Ein weiteres Mal stelle ich mir die Frage, warum der Drehzahlmesser relativ modern ein elektrisches Signal bekommt, während der Öldruck in der Mittelkonsole noch mit einem kleinen Schlauch zwischen dem Motor und dem Instrument gemessen wird. Egal. Das Forum weiß Rat. Die neu gruppierten elektrischen Machtverhältnisse im Kabelbaum mag der alte Drehzahlmesser nicht, er versteht das Signal der Hochleistungszündspule nicht mehr. Verschiedene Sprachen. Ein Babylon im Motorraum, wie furchtbar. Mir wird eine kleine Box für 50€ vorgeschlagen, die das Problem richten und die das neumodische Signal für das oldschool Rundinstrument übersetzen kann. Auch die bestelle ich, und das neue Steuergerät gleich mit. Den placebo-hochdrehenden De Zett eM entkoppel ich erstmal vom Stromkreis, denn das mag er nicht so, wenn er immer im roten Bereich rumhängt. Und den will ich mich nicht auch noch schrotten, für den Sechszylinder sind diese Teile inzwischen richtig teuer!
An einem sonnigen Morgen eine Woche später träume ich von dem grauen Widerstandskabel. Es gibt schönere Träume, aber ich bin inzwischen so verwirrt vom Gucken auf den regungslosen Drehzahlmesser, dass ich über jede Eingebung dankbar bin. Na klar. Warum verlege ich das nicht erstmal neu, bevor ich alles andere ausprobiere? Gesagt, getan. Im Elektronikmarkt um die Ecke kaufe ich bunte Kabel und noch eine Menge anderen Kram, den ich heute noch gar nicht brauche, aber bestimmt irgendwann mal brauchen könnte. Das IKEA Prinzip. Ich gestehe, dafür anfällig zu sein.

Leisten Sie keinen Widerstand!

So ein Widerstandskabel verhindert, dass der Funke im Unterbrecherkontakt zu heftig abbrennt. Spannungsspitzen. Mein Taunus hat aber gar keinen Unterbrecherkontakt mehr, also verlege ich zwischen den beiden Steckern ein ganz normales Kupferkabel ohne nennenswerten Widerstand und diesmal ohne Timur. Den will ich nicht schon wieder rausklingeln. Das bekomme ich wohl auch alleine hin, glaube ich.
Während ich draußen vor der Tür stehe und Strippen ziehe, erscheint von Geisterhand der DHL Mann und bringt das neue Steuergerät. Klasse. Ich bin begeistert, dass er mir die Sendung direkt gibt, anstatt sich an mir vorbeizuschleichen und zu behaupten, ich sei nicht zu Hause gewesen. Es ist schon mehrmals passiert, dass der bei uns in Hamburg geklingelt hat, ich ihm aufgemacht habe und das Paket trotzdem im Erdgeschoss irgendwo abgegeben wurde. Ohne Karte im Kasten. Absurd. Aber das ist eine andere Geschichte. Da ich eh schon alles im Taunus zerlegt habe mache ich erstmal eine Probefahrt mit frisch angeschlossenem Drehzahlmesser. Der Armaturenträger ist nackt und bloß, die Uhr tickt erwartungsvoll und die Relais klicken heute irgendwie unternehmungslustiger als sonst.

Alles wie es sein soll

Alles wie es sein soll

Läuft. Manchmal zuckt er ein bisschen, aber der 46 Jahre alte Umdrehungsmesser verrichtet präzise seine Arbeit. Er dreht bis 160 km/h seine korrespondierende Motordrehzahl normal hoch, schneller habe ich mich nicht getraut. Yeah 🙂 Wer behauptet eigentlich immer, Ford würde nix taugen? Fast 50 Jahre alt, und die Karre läuft noch immer! Für diesen Zeitraum wurde auf diesem Planeten noch kein Auto konzipiert. Also, etwas mehr Respekt aus den hinteren, ewig nörgelnden Reihen bitte 😉 Ich storniere die kurzentschlossen georderte Übersetzer-Box wieder und freue mich über die Einfachheit der Taunus-Elektrik. Das Widerstandskabel war’s nur. Dann kann ich jetzt ja endlich mal die Armaturenverkleidung mit der Madonna wieder einbauen. Etwas verstohlen fällt mein Blick auf den Feuerlöscher im Beifahrerfußraum. Hinter der Mittelkonsole hat es mal gebrannt. Warum eigentlich? Ich muss das mal nachfragen.
Ob ich noch schnell das andere Steuergerät….. hm….. Ach, warum nicht. Wenn ich schonmal dabei bin? Schraub schraub, steck steck, funk funk. Springt an, auch mit der „normalen“ Verkabelung. Herrlich.

Nun soll es wohl gut sein.

Nun soll es wohl gut sein.

Er läuft und läuft und läuft.
Ich bin wieder einen Schritt weiter auf dem Weg zur alltagstauglichen Reiselimousine. Äh… zum Coupé. Für den Trip nach Südfrankreich im August will ich noch einmal die Ventile einstellen, die ausgehärteten Benzin- und Wasserschläuche erneuern, neue Kerzen reindrehen und einen zusätzlichen E-Lüfter vor den Kühler setzen. Bald. Ein Granada-Kabelbaum ist auch unterwegs zu mir, wenn der DHL Mann es nicht verkackt steckt zwischen den Steckern also auch bald wieder ein Originalteil. Schön. Durchschnittsverbrauch des alten 2-Liter Doppelvergaser V6 aktuell: 8,6 Liter Super auf 100 Kilometern. Fragen? Und der Vergaser läuft noch viel zu fett, da geht also noch was. Aber jetzt erstmal wieder genug geschraubt. Das Leben ist noch voller Geschichten, die erlebt werden wollen!

Sandmann

 

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

7 Antworten zu Kein Kontakt mehr!

  1. Daemonarch sagt:

    Eine ähnliche Aktion hat mein Bekannter beim E-Type durchgezogen, mit einigen verzweifelten Szenen…

    Bis sich herausstellte, dass der „besorgte“ Kontaktlose Verteiler defekt war. :/

    Ansonsten sollte man sich der Moderne aber nicht ganz verschließen. 😀

    Ich hätte ja auch spaß an einem /8 mit modernem 200K-Motor.

    • Sandmann sagt:

      Ay Daemonarch,

      aus dem Grund habe ich mir vom Vorbesitzer des Geraffels nochmal versichern lassen, dass alles funzt. Kam von ebay Kleinanzeigen. Na gut, bis auf den einen Eingang im Steuergerät stimmte das ja auch.
      Inzwischen funkt ja die neue alte Box und alles ist gut.

      Wenn alle Stricke reißen ist der Kram schnell wieder zurück gerüstet. Ich muss mir nochmal eine Zündzeitpunktpistole kaufen 😀

      Und hey – so „modern“ ist das nicht. Es ist einfach sinnvoll. Der Transistor hat die Röhre abgelöst, überleg mal wie klobig die Radios in den 50ern noch waren! Und die Leute, die immer über Steuergeräte schimpfen googeln dann schnell mal die frischesten Verschwörungstheorien mit ihrem iPhone 7…

      Sandmann

      Sandmann

  2. stefanh sagt:

    Hallo Sandmann,

    schön dass es am Ende nun doch funktioniert! Was ich halt an der alten Kontaktzündung trotz ihres Wartungsanspruchs schätze ist die einfache Fehlersuche. Da kann ich jedes einzelne Bauteil durchmessen, ohne dass mir eine elektronische Blackbox irgendwelche Rätsel aufgibt.
    Eine gut justierte mechanische Zündung mit sauberen Kontakten bereitet übrigens auch bei höheren Drehzahlen keinerlei Probleme; jedenfalls gilt das für Audi 100, Opel Commodore, Mazda 929 und Volvo 244… 😉

    Der Vorwiderstand im Primärstromkreis dient übrigens auch dazu, dass die Zündspule im laufenden Betrieb nicht zu heiss wird, was sie mit deutlich längerer Lebensdauer und höherer Zuverlässigkeit dankt…

    Beste Grüsse, Stefan H.

    • Sandmann sagt:

      Ay Stefan,

      ja, in der Tat, ich hatte ja auch schon sehr viele Autos mit Unterbrecherkontakt, und keins davon hat Probleme gemacht. Jedenfalls nicht mit dem Unterbrecherkontakt 😉
      Ich fand nur meine verpatzten Einstellarbeiten am damals am Taunus traumatisierend. Da nehme ich lieber eine Blackbox, die vermutlich so simpel durchgelötet ist, dass sie 100 Jahre hält. Und der Rest läuft dann einfach so mit.

      Die neue Zündspule soll tatsächlich kein Widerstandskabel mehr haben. On sie heiß wird kann ich gar nicht sagen. Das Steuergerät wird warm, ich lege mein Patschhändchen nach der nächsten Tour auch mal auf die Spule. Ich werde berichten 🙂

      Grüße aus der Salzstadt
      Sandmann

      • stefanh sagt:

        Im Prinzip hast Du ja Recht; hätte ich nicht an meinem Granada diese Zündbox mal wechseln müssen glaubte ich wahrscheinlich auch an die 100 Jahre haltende Elektr(on)ik…
        Bis dahin vertraue ich lieber der „anschaulichen“ Elektromechanik; mit den notwendigen Einstellgeräten bin ich ja ausgerüstet – diese braucht’s natürlich dann schon.

        Gruss, Stefan H.

        • Sandmann sagt:

          Ay Stefan,

          oh. Die war bei dir mal durch? Mist.
          Ich habe noch eine zweite, querschnittsgelähmte hier liegen und werde mir noch eine dritte auf Halde legen. Die sind für weniger als 50€ zu bekommen. Und wenn alle Stricke reißen – habe ich noch immer den alten Verteiler, den Unterbrecher und die Zündspule in einem Karton in einer Ecke meines Kellers liegen 😀

          Sandmann

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