… möchte man verweilen. Ay Gemeinde.
Aber einen Schatten findet man hier nur an den allerwenigsten Orten. Die einen fahren mit Kleinst-Geländewagen durch die Mongolei, die anderen hier unternehmen abenteuerliche automobile Trips in asiatische Kontinente… und wir? Ich komme mir regelrecht klein und überflüssig vor. Wir rollen ganz profan nach weiter unten in Europa. Wenn auch mit neuen LPG Erfahrungen. Erwähnenswert sei vielleicht erneut der schon beschriebene Zeitpunkt der Hochsaison, Ferien in Deutschland, Österreich, der Schweiz UND in Frankreich. Erwähnenswert (wie immer) auch das Auto, ein 4,2-Liter-Audi-V8 in sommerlichem Schwarz, dick, durstig und wie gemacht für einen 4200-Kilometer-Trip. Erwähnenswert Mona Lisa und ihr Wunsch, an fünf Tagen mindestens drei Sommerkleider zu kaufen. Doch sprechen wir zunächst über das Wetter.
Verlässt man Locarno in Richtung Süden, ist man sehr bald in Italien. Hier lerne ich schnell, dass die Italiener wie die Franzosen Autobahngebühren haben. Warum führt Deutschland das eigentlich nicht für alle ausländischen Transitreisenden ein? Ich mein… wir bezahlen ja Steuern, und davon baut Angela Merkel die schönen Straßen, was unschwer an der einen oder anderen Baustelle zu sehen ist. Aber die von draußen? Die fahren und fahren.
Ich versteh‘ das nicht, aber ich bin auch einigermaßen unpolitisch. Also werfe ich brav das eine oder andere Münzchen in den dafür vorgesehenen Korb und erhalte Einlass. Mona Lisa protokolliert auf meinen Wunsch akribisch die Ausgaben, damit ich euch am Ende einen Fixkonstenabriss präsentieren kann. Mit quietschendem Klimaanlagenlüfter und unerträglichen italienischen Radiosendern kreuzt der V8 das Land. Die Wetterpropheten ziehen sich in der Region Ligurien/Cinque Terre zu einem kleinen Plausch zurück, was sich in dichten Wolken und Regenschauern ausdrückt. Nicht schlimm, fahren wir doch von einem Tunnel in den nächsten. Und den nächsten. Und den nächsten. Ich beschließe gut gelaunt, diese auf dem Rückweg einmal zu zählen.
Unser kleines, gemütliches und dank der Hauptsaison unfassbar teures Stadthotel im schönen Cogolin (in der Nähe von St-Tropez) entpuppt sich als klimatisiert, sauber, inklusive kostenlosem W-LAN und direkt an der belebten Stadtdurchfahrt, Ecke Marktplatz. Völlig verrückte Jugendliche schnarren auf ihren stümperhaft frisierten, röhrenden Hühnermördern pausenlos um die alten rappelnden Lastwagen, bunt gemischt mit rostigen, hupenden französischen Kleinwagen und schweren brüllenden Motorrädern auf dem Weg zum Strand. Na und? Unten im Haus ist ein phantastisches italienisches Restaurant, gleich nebenan ein Bäcker und ein fröhliches Café für die Versorgung mit den morgendlichen Betriebsmitteln! Quiekend vor Freude stehe ich am Ende unseres Flures. Zum einen, weil ich die Fahrt im 150 Jahre alten Fahrstuhl ohne schwerere Verletzungen überlebt habe. Zum anderen wegen unserer Zimmernummer. Natürlich die 42. Noch Fragen?
Es ist wahnsinnig heiß. Eine valide Chance für Abkühlung scheint der Strand! Nun begab es sich aber zu der Zeit, da eine Volksmenge im Ferienfieber von der gleichen Idee übermannt wurde, also stehen wir wieder einmal in dem einen oder anderen Stau. Eigentlich nur in einem einzigen, und der geht von Monaco bis nach Marseilles, also die gesamte Cote d’Azur entlang. Die Klimaanlage bemüht sich redlich und quietschend, das schwarze Treibhaus aus Neckarsulm mit den sonnenreflektierenden Siglachromscheiben irgendwie herab zu kühlen. Sie ist dabei mäßig erfolgreich, die Sonne brennt unbarmherzig von ganz oben und der V8 wirft keinen Schatten. Das Außenthermometer zeigt 38 Grad, wie warm es drinnen ist, zeigt ein Blick auf meine leicht pfeifende Leidensgenossin. Auf dem baumlosen Parkplatz in Port Grimaud (nur sechs Kilometer von Cogolin entfernt, aber wir waren eine Stunde unterwegs) blicke ich, gebeutelt von vielerlei Gedanken, auf das schwarze Auto. Kann Leder schmilzen? Fallen bei 100 Grad geklebte Scheiben einfach raus? Verformen sich Armaturenbretter?
Die Zeit lässt den Zubehörfreund reifen, und wenn ich schon werksseitig das ultimative V8-Extra, ein elektrisches Heckrollo, mein Eigen nennen kann, ließ ich es mir im vergangenen Jahr natürlich nicht nehmen, auch noch die blaue Mauritius unter den Original-Nippes-Teilen nachzurüsten: zwei teuer bezahlte Seitenrollos für die hinteren Türen. Ich habe keine Ahnung, ob diese drei Freunde wirklich die Sonne raus halten, auf jeden Fall kann man nun hinten schlecht reingucken, und das ist ja auch von gewissem Vorteil. Können wir? Ist dies jetzt der Moment? Ich kann es fast nicht glauben. Wir sind am Mittelmeer, sehen Palmen und freuen uns schon auf die erste Cola für fünf Euro.
Das Strandoutfit sitzt perfekt. Ein leichtes amerikanisches Kleid umschmeichelt die brauner werdenden Beine samt farblich abgestimmten FlipFlops, der formschöne Strohhut spendet einen filigranen Schatten für das Antlitz. Ja, so kann ich sie mitnehmen. Und wenn die Situation sich ändern sollte, habe ich im Kofferraum immer noch die Kiste mit den Schuhen und Handtaschen. Eigentlich würde ich gern den V8 so parken, dass ich ihn von meiner Liege aus sehen kann. Nicht, weil ich Angst habe, dass er gestohlen wird, nein. Ich schau ihn einfach gern an. Aber da mich dieses Thema in eine gewisse Erklärungsnot gegenüber dem weiblichen Geschlecht bringt (und ich ohnehin schon mehr Fotos von meinem Auto als von meiner Freundin gemacht habe) streichel ich ihm kurz über den warmen Hintern, klemme mir den B52-Bomber unter den Arm und betrete den Bereich, an dem das Land ins Meer übergeht.
La Mer. Qu’on voit danser le long des golfes clairs a des reflets d’argent. 60 Jahre nach Charles Trenet und 15 Jahre nach Sandmanns wilder Jugend stehe ich an der Cote d’Azur und blicke auf St. Tropez. Auch Mona Lisa hat hier campende Wurzeln aus der Kindheit, aber das ist eine andere Geschichte. Dieses Licht ist unbeschreiblich. An keinem anderen Ort auf der Welt sehen Farben so aus wie hier. Nirgends in Europa hat das Wasser, der Strand, die Palmen und der Himmel diese Kontraste. Und das alles ist nur einen halben Tag von Zürich entfernt. Ist das denn zu fassen? Urlaub, du hast mich wieder. Wer von euch war schon mal da unten? Wer will nun endlich mal da hin??? Schreibt mir. Ich erklär’s euch.
Strandmann
Folgen Sie mir zum Gendarm von St. Tropez.