Ich habe Herbstlaub gesehen! Dienstag

Am Rande der goldenen Zeiten

Ay Gemeinde,

Geklaute Äpfel aus Nachbars Garten

Geklaute Äpfel aus Nachbars Garten

Jake und Elwood stehen noch immer am Anfang einer sentimentalen Reise. Nach einer relativ guten, wenn auch emotional unruhigen Nacht im Doppelbett des Schlafzimmers „meiner Eltern“ (früh morgens fängt Örg übrigens an zu schnarchen) sind heute die offiziellen Fotos für den anstehenden Bericht in der Auto Bild Klassik angesetzt. Das bedeutet: früh aufstehen und für ein perfektes Outfit sorgen. Sowohl für uns beide als auch für den KaSi. Petrus scheint uns erneut einigermaßen hold, obwohl wir gestern Abend nicht alles aufgegessen haben. Was schlicht unmöglich war, der gemeine Pfälzer scheint unter einem Kilogramm abendliche Gesamtmenge an Fleisch oder Wurst nicht aufzugeben. Wir nahmen den Schinken mit aufs Zimmer und kühlten ihn unbürokratisch in der Minibar. Dienstag… hier sind wir!

Dank eines genetischen Fehlers in meinen Haarwurzeln, den ich auch heute noch meinen Eltern vorwerfe, würde mir bei selbst gezüchteten Koteletten rund ein Zentimeter fehlen.

Wo nichts wächst, da wird geklebt

Wo nichts wächst, da wird geklebt

Zwischen Haaransatz und Bartansatz. Da wächst einfach nichts. Weiß jemand Abhilfe? Bis dahin müssen wir mit Echthaarkotten von ebay auskommen, immerhin in meiner Haarfarbe und dauerhaft klebend. Die von Örg sehen zwar vollsynthetisch aus, sind aber echt! Kaum zu glauben. Direkt nach dem reichhaltigen pfälzer Wurst-und-Fleisch-Frühstück wird der ehemalige Friseurabfall filigran angbaut. Und was soll ich sagen… es sieht unfassbar aus. Sehe ich nun aus wie mein Vater? Oder wie ich schon immer aussehen wollte? Ich denke noch darüber nach. Urteilen Sie auf kommenden Bildern selbst…

Schilder ran und ab vom Hof

Schilder ran und ab vom Hof

UE – KL 75. Ohne Plaketten und ohne Siegel, aber für den Fototermin rechtfertigt der Zweck die Mittel. Fahren ohne zugelassene Kennzeichen? Egal – schließlich soll auch der KaSi eine gute Figur machen. Und wenn man schon keine Bremse hat, fällt das mit den Schildern ohnehin als Randproblem unter den Tisch. Ein fotografisches Hauptproblem stellt allerdings der Eingangsbereich vom Landgasthof Schoner dar. Wo ich das eigentliche Aufhängerfoto machen will, stehen jetzt Blumenkübel vor einem neuen Backstein-Anbau. Aber hey – Blumenkübel lassen sich bewegen. Der eingetroffene Fotograf baut schon einmal sein Equipment auf, und wir beide machen unsere eigene Fotoserie…

Stüterhof ist nicht nur ein Wurmloch jenseits aller kartografischen Erwähnungen, nein, hier gibt es auch ein ungeklärtes Verkehrsphänomen. In der Sackgasse, die in einen Feldweg mündet, stellen wir das Stativ auf. Da, wo Papa damals wohl gestanden haben muss, als er das Foto machte. Und von diesem Moment an, als hätten sie sich abgesprochen und nur darauf gewartet, kommen sie, die Autos, Traktoren, Reisebusse und Tieflader. Wo wollen die alle hin??? Da oben ist doch nix…?

Genaugenommen sehen Sie hier den Grund dieser Reise. Dieses Foto von 1973 in dem alten Album war der Grund, warum ich das alles hier machen wollte. Und jetzt sind wir da!

Stüterhof 1973

Stüterhof 1973

Stüterhof 2008

Stüterhof 2008

Ich stehe, nein hocke wieder wie in einem anderen Leben lächelnd vor der Eingangstür. Örg übernimmt den Teil meiner Schwester Anita. Auch, wenn wir uns bei diversen fehlgeschlagenen Fotoversuchen vor Lachen in die Büsche werfen – mir ist ein bisschen komisch. Als die Massen von Autos und landwirtschaftlichen Fahrmaschinen in der Sackgasse verschwunden sind, ist das Bild im Kasten. Mit einer neueren leichten Gänsehaut denken wir über 35 Jahre nach – und wie wenig Zeit das eigentlich ist. Und wie viel sich in 35 Jahren ändern kann… Wie viel schon in 2 Jahren. Oder wie eine ganze Welt sich in 3 Monaten drehen kann.

Bist du es, Jens?

Bist du es, Jens?

Sie mögen sich vielleicht am Rande schon gefragt haben, warum irgend jemand so eine Reise veranstaltet. Ich habe Sie im Vorfeld auch nicht sonderlich gut in meine Beweggründe eingeführt. Ist es eine Form der Vergangenheitsbewältigung? Gar das Zusammenfegen der Scherben einer Ehe, die auf den Schultern der Kinder viel zu lange aufrecht erhalten wurde? Das Aufmucken der letzten Jahre einer Zeit, die während der Kindheit blauäugig als unbeschwert und ohne Probleme verbucht werden konnte? Oder betreiben wir reine Selbstdarstellung? Äh… ja, auch. Aber egal. Sehen die Koteletten nicht umwerfend charmant und bahnbrechend einlullend, ja nahezu aphrodisierend aus? Wo habe ich meine Gitarre? Na, lassen wir das. Der Fotograf will weitermachen.

Technik Workshop mit Schlips

Technik Workshop mit Schlips

Gif mol de Tang! Oder de Schruuvtrekker. Hier eine Frage an die Spezialisten: Der Solex hat zwei Gemischeinstellschrauben, für je zwei Zylinder eine. Wenn er jetzt nicht so rund läuft… muss man die dann heraus oder rein drehen? Wann wird er magerer, wann fetter? Bei Menschen ist das ganz einfach: Gute verliebte Zeiten: fetter. Kummer, Trennung und Frust: magerer. Aber wie ist das bei einem VW K70? Kann uns da jemand helfen? Ich sollte weniger trinken. Aktuell läuft der Motor ganz gut, aber wenn man den Choke reindrückt geht er aus. Na gut, das unterstützt die Motorbremse bei Bergabfahrten, da die normale Bremse nach wie vor nicht zu benutzen ist. Hat nicht jede Medallie zwei Seiten? Trotz allem lässt sich ein Selbstheilungsprozess beobachten: Jeden Tag springt der K70 besser an, läuft runder – und auch die 15 Jahre alten Reifen flattern nur noch ganz leicht.

der kleine KaSi Sausewind

der kleine KaSi Sausewind

Der 37 Jahre alte Volkswagen fährt wie entfesselt. Mit Holger Neu, dem Fotografen aus Darmstadt, machen wir eine Fotoserie nach der nächsten. Bilder vor der Pension, Fahrfotos auf der Straße zum Stüterhof, Bilder beim Erklettern der Apfelbäume (und Äpfel klauen) und Bilder beim zeitgenössischen Rauchen im Auto. Bilder mit der Gitarre auf der Motorhaube und einfach nur coole Bilder mit dem sündigen Apfel der Verführung zwischen den Zähnen. Diese Koteletten fasse ich einfach nicht. Holger hat offensichtlich auch seinen Spaß, Örg und ich agieren eigentlich nur wie immer und er hält mit dem Objektiv drauf. Und irgendwie ist alles bunt, farbenfroh, sentimental-fröhlich und gut. Ein komplett nicht vorhandener Handyempfang und ein irgendwann 2024 geplanter Internetzugang hier in der Region hinterlassen auch positive Eindrücke: Man besinnt sich auf das Wesentliche, redet miteinander und singt mal wieder selbst 🙂

Goldener Oktober im goldenen K70

Goldener Oktober im goldenen K70

Als der Fotograf grinsend wieder in Richtung Darmstadt unterwegs ist, bricht die Sonne durch das Herbstlaub. Jake und Elwood beschließen, noch ein paar Kilometer im Pfälzer Herbstwald zu fahren und landen im Karlstal bei Trippstadt, wo übrigends NICHT die Kaiser-Wilhelm-Buche steht. Die finden wir (nicht) morgen an der B48 nach Annweiler. Aber Juny – huhu – wir haben an dich und deine Reiterferien gedacht, die du hier verbracht hast. Außerdem gedenken wir weiterer Fotos in meinem alten Album, die da unten irgendwo im Tal gemacht wurden. Doch die Sonne sinkt langsam, und der Text muss irgendwie online gebracht werden, also geht es weiter.

Hier sehen wir, warum es Pfälzer WALD heißt!

Hier sehen wir, warum es Pfälzer WALD heißt!

Rückblickend: WAS für ein wunderschöner Tag. Und was für eine Arbeit. An jeder Kurve locken Fotomotive, ständig halten wir an, kramen das Stativ aus dem Kofferraum, hüpfen in knappen Selbstauslösersequenzen gazellengleich durch die schöne Landschaften und denken an gute Zeiten. Damals wie heute. Bei aller Geschäftigkeit habe ich das Gefühl, völlig unbeschwert wieder einmal einfach nur schwärmen, träumen und lachen zu können. Lachen. Wann habe ich das letzte mal so viel am Stück gelacht? 😀 Das muss lange her sein. Ich liebe die K-70er.

Abspann zweiter Teil.

Szenenwechsel. Wir treffen uns mit Jürgen und Werner, beides aktive Mitglieder des AudiV8-Forums, im schönen abendlichen Annweiler. Zu der Jugendherberge hier gingen einige Klassenfahrten meines Papas. Der Weg dorthin führt von Johanniskreuz 25 Kilometer steil bergab zwischen Bäumen und Wildbächen und Felsen. Sehr spaßig, wenn man die Fußbremse nicht benutzen sollte. Ein gekonnter Mix aus runterschalten, kuppeln, lenken und Handbremse ziehen weckt in mir sportliche Höchstleistungen und in Örg salzige Schweißperlen in Anbetracht des leitplankenlosen Abgrunds. Irgendwann muss hier der Mittelpunkt des Planeten kommen, aber vorher biegen wir wie beschrieben nach dem zweiten Tunnel in die Innenstadt ab.

Echtzeit-Bloggen in der Fastfood Kette

Echtzeit-Bloggen in der Fastfood Kette

Zentral, aber ohne UMTS-Netz sitzen drei Leute entspannt beim Bier – und einer fluchend am Laptop. Nein, hier geht das nicht. Aber ich WILL! In Landau soll es einen Hotspot bei McDonald’s geben. Also Vorschlag: Bier runterstürzen und da hin fahren! Fein, nicht nur den Hotspot gibt es dort, sondern auch UMTS, mehr brauche ich gar nicht. Wissen Sie überhaupt, was das ist? Das ist das aktuell schnellste Datennetz, mit dem Sie über das Handy ins Internet kommen. So wie ich jetzt gerade. Okay, nicht wirklich retro, sich mit einem Laptop über sein Telefon in einem McDonald’s in einem weltweiten Datennetz rumzutreiben. Ein paar ganz kleine Abstriche müssen wir machen.

Retro Handy aus den 70ern

Retro Handy aus den 70ern

Also ab mit den Koteletten, rein mit dem Fastfoodketten-Bierchen und raus mit den Textblogs und Absätzen und verkleinerten Bildern. Opium für’s Volk? Vielleicht auch mein eigenes Opium, ich muss diesen Wahnsinn hier irgend jemandem mitteilen! Und das Absenden der Daten bringt so unglaubliche Entspannung… Spät ist es, als ich endlich ein paar Sätze mit unseren beiden Besuchern (oder sind WIR die Gäste? Schwer zu definieren) wechseln kann. Örg hat derweil für ausreichend Entertainment gesorgt, und alsbald lösen wir uns auch zur Nacht auf. Schließlich muss ich den KaSi noch den ganzen langen Berg, den wir heruntergefahren sind, wieder hochscheuchen.

Um 1.30 fallen Örg und ich im Elterlichen Schlafzimmer 🙂 ins urgemütliche, feste, flauschige Bett. Morgen rufen die Madenburg und Burg Trifels, wo 1979 das ultimativ letzte Foto von meiner Familie vor der Trennung entstanden ist… Wir lesen uns…

Sandmann und Örg

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

11 Antworten zu Ich habe Herbstlaub gesehen! Dienstag

  1. Touranus sagt:

    N’Abend Sandmann,

    Nu hast Du Dich verraten!

    Stand beim „Wartungsblog“ nicht, die Reifen seien 15 Jahre alt???
    Wenn Deine Retrotour 2008 war, sind sie ja nun sogar 17! Jahre alt…. tstststs 😉

    Und irgendwie lese ich dauernd „Bierchen“…. Hach, die gute Vorbildfunktion! *lach*

    Nimm den Kommentar nicht so ernst, ich bin bei solchen „Anlässen“ auch nicht anders..
    Ich will einen 300D!
    …und nach Fehmarn, wo sich unsere Geschichten wahrscheinlich ähneln…nur mit anderem Ausgang. Aber dazu mehr als Kommentar bei Deiner Fortsetzung… 😉

    Schnee….brauch ich nicht! *grumpf*

    Ben

    • Sandmann sagt:

      Ay Touranus,

      äh… ich… also jetzt wo du es sagst… Aber der KaSi ist ja wieder trocken in der Garage, ob die Reifen nun 15 oder 17 Jahre alt sind. Und in der Pfalz kann man auch mit einem Bier fahren, das geht. Ohne die Biere wäre mir vermutlich der Kopf geplatzt…

      Schnee – brauch ich AUCH nicht!!!

      Sandmann

  2. Touranus sagt:

    Naja…. das erste Bier wurde runtergestürzt um zum Hotspot zu fahren, das zweite war ein Fastfoodkettenbier.

    Ey, wir lesen Deine Berichte schon aufmerksam! 🙂

    Freu mich schon drauf, auch mal wieder eins mit Dir zu trinken. Gibt viel zu erzählen…

    EIGENTLICH mag ich ja Schnee. Da blinkt das ESP Symbol immer so lustig im Kreisel… aber dieses Jahr ist mir eigentlich noch nichtmal nach Weihnachten.
    Naja, man arbeitet dran. Alles wird gut… 😉

    Ben

    • Sandmann sagt:

      Ay Touranus,

      das sind ja sehr kleine Biere da unten… Du wirst dir vorstellen können, dass ich mit einem 40 Jahre alten Auto ohne nennenswerte Bremsen nicht alkoholisiert fahren werde…. 😉 Auch mit jedem anderen Auto nicht.

      ESP? Kann man das essen?

      Sandmann

  3. Touranus sagt:

    P.S. Wieso kann man seine eigenen Kommentare eigentlich nicht mehr bearbeiten?
    Fand ich irgendwie besser….

    • Sandmann sagt:

      Das gibt dein Benutzerstatus nicht her, als Admin kann ich das…
      WordPress ist für umme, da muss man hier und da Abstriche machen.

      Außerdem – wenn du meine Artikel schon so aufmerksam liest, dann kannst du ja auch genau so aufmerksam schreiben und nochmal rübergucken, bevor du auf „abschicken“ drückst 😉

      Sandmann

      • Touranus sagt:

        Guten Morgen,
        Jahaaaaa, ich weiß. Aber zu Anfang ging es hier… deshalb wunderte ich mich nur.. 😉

        -9° …. Braucht man wirklich nicht *bibber*

        Touranus

        • Sandmann sagt:

          Ay Minusneuner,

          das Bearbeiten der Kommentare ging hier? Echt? Dann wird es auch wieder gehen, das gucke ich mir nochmal in Ruhe an. Ich habe am Theme seit dem Start nichts geändert…

          Aber jetzt werde ich erst einmal ein paar Schneebilder an anderer Stelle hochladen. Wahnsinn, was gestern in Ostholstein abging… 🙂

          Sandmann

          • Touranus sagt:

            N’Abend Pumpenmann,

            ja, das ging mal. War kurz nachdem ich anfing, auf dieser Seite meinen Senf dazu zu geben.
            Da war unter dem Datumsfeld (oder daneben) ein hellgraues Feld „Nachricht bearbeiten“.

            Da hatte ich mal einen Kommentar, den ich zu Wob79 gemacht hatte korrigiert. Es erschien aber nicht direkt nach dem Schreiben eines Kommentares, sondern meistens einige Stunden später. EHRLICH! 😉

            Touranus

  4. Markus1975 sagt:

    Hey Jens

    Da sind sie ja. Die Herbstlaubberichte. GEIL! In diesen Berichten bzw. Geschichten steckt ja nun wirklich Herzblut drin. Und dies merkt man auch beim lesen dieser welchen.
    Du hast ja nun schon so einige Dinger hier und anderswo niedergeschrieben, aber die Herbstlaubberichte toppen alles.
    Das Photobuch von Dir steht bei mir im Wohnzimmerschrank und wird dann und wann herausgekramt. Wenn man sich dabei die Texte von Dir vor Auge führt kann ich nicht anders.
    Ich muß lächeln.

    V8 mäßige Grüße

    Markus

    • Sandmann sagt:

      Ach Markus,

      das ist schön, wenn es dich glücklich macht. Mehr will ich ja gar nicht 😉

      Die Reise hat mir persönlich wesentlich mehr als nur den Jokus gebracht. Als Außenstehender kann man sich wohl nicht vorstellen, was diese Erlebnisse in mir ausgelöst haben. Immerhin geht es hier um einen Ort, an dem ein teil meiner Kindheit begraben wurde. So pathetisch das klingt, irgendwie ist es so. Nicht umsonst habe ich fast jeden Abend dort still in mich reingeweint.

      Wenn du den ganzen Tag lachst und lachst, bist du Abends leer, und es kommen die Gedanken hoch. Ich glaube, ich habe da noch einiges zu verarbeiten. Aber ich fange ja auch gerade erst an…

      Sandmann

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