Schönen guten Tag, mein Name ist Doktor Sand, was kann ich für Sie… :-O Ach du Schreck! Ich verstehe. Sie sehen ja schlimm aus, was ist passiert?? Wie bitte? Das haben Sie selbst verursacht? Sie sind ohne Handbremse gegen eine Garagenmauer gerollt? Wie kann man denn so dämlich sein? Ach, Ihr Besitzer war das? Ja ja das waren immer die anderen. Und jetzt wollen Sie womöglich neue Augen und einen neuen Unterkiefer, oder wie stellen Sie sich das vor? Aha. Ob ich die Teile da habe? Ja natürlich, was denken Sie denn. Wie? Nein, lohnen tut sich das nicht, dafür sind Sie schon zu alt und mit Verlaub – danach sind Sie nicht beliebter als vorher. Wie? Ja. Hm. Trotzdem? Na gut, nützt ja nichts. So können Sie da jetzt nicht mehr auf die Straße raus. Machen Sie sich doch bitte mal vornerum frei, in zwei Stunden sind wir durch.
Sie haben Glück, im OP ist grad Platz.
Ich habe den neuen Unterkiefer schon einmal vorbereitet. Der war ursprünglich dunkelblau, aber irgend ein sprühbares Schwarz steht ja in jedem Keller rum. Die Nebelaugen und Wimpern sind schon draußen, hoffentlich haben Sie keine Blessuren an den seitlichen Kunststoffschienen davon getragen. Mannmann alles voller Glassplitter. Diese Mauer hat Ihnen ganz schön zugesetzt. Wären Sie ein normaler Gebrauchsgegenstand, dann würde man Sie jetzt entsorgen. Wären Sie ein Pferd, würde man Sie erschießen. Aber Ihr Besitzer hat einen an der Waffel, und deshalb soll das also wieder gerichtet werden. Jeder wie er mag.
Machen Sie sich bitte frei
Bei einem Fachchirurgen würde das rund 1000 Euro kosten, das ist Ihnen klar, oder? Dafür bekommt man zwei komplette Vertreter Ihrer Spezies, okay, keinen Ghia und auch nicht mit Leder, dafür aber ohne Trümmerfresse. Jaja, ich fang ja schon an. Ich werde immer rot wenn ich nackte Autos sehe. Entschuldigen Sie.
Zahlt das denn Ihre Kasse? Nicht?? Sie zahlen das privat? Das wird ja immer besser. Glücklicherweise sind Sie einfach gestrickt. Ihre Augen sind inklusive der Stellmotoren in 10 Minuten draußen, der Unterkiefer hängt nur an wenigen, gut zugänglichen Schrauben. Wenn das doch bei jedem Patienten so wäre.
Ein neuer Unterkiefer
Schauen Sie mal hier. So sähe die neue Kauleiste aus, und die nicht gesplitterten Augen sind erst ein paar Jahre alt und so gut wie neu. Wäre das was? Ja, ich weiß, das Schwarz ist nicht genau das gleiche wie bei Ihnen, aber nun seien Sie mal nicht so pingelig. Auch wenn es der Originalton wäre – hinterher sehen Sie immer noch scheiße aus, das wissen Sie doch. Mir als Arzt ist es immer wieder ein Rätsel, wie jemand so ein Individuum wie Sie lieben kann. Wie bitte? Ja, Sie haben Recht, das geht mich nichts an. So. Hier noch anheben… Moment… *KLACK* schnaaaaarz Na das passt ja besser als ich dachte. Warum gucken Sie mich denn so affig an? Ach, das ist angeboren? Entschuldigen Sie bitte.
Warten Sie, ich komme jetzt nicht mehr so gut an die Verkabelung der Nebelaugen ran 🙁 Das hätte ich vielleicht vorher… so… UUURKS…… *klick* okay, die Stecker sind drin. Uff, mein Rücken. Wenn Sie noch etwas Geduld haben, sprühe ich etwas Fett auf die Verschraubungen, dann hält das ewig. Ja? Moment, ich hol das mal. Sie können sich inzwischen mal im Spiegel betrachten und vielleicht noch letzte Korrekturen vornehmen? Das sieht aber alles schon recht gut aus. Also, strukturell. Sie haben sich gut gehalten, und am Skelett war zum Glück nichts beschädigt.
Neue Schuhe?
Wie bitte? Die Schuhe von der Dame da drüben gefallen Ihnen besser als Ihre? Sind Sie nicht froh, dass ich Ihr Gesicht einigermaßen wieder herstellen konnte, müssen Frauen – besonders Zicken – denn immer nur an Schuhe denken? Ach Sie mögen Ihre nicht, weil immer alle sagen, die sehen aus wie aus dem Zubehör? Aber die sind doch original! Und außerdem lenkt Ihr gesamtes Äußeres doch so effizient von allem anderen ab, wer guckt da noch auf die Füße? Na gut. Es soll so sein. Bocken Sie sich schon mal hoch, ich hole die chirurgischen Hebel…
Na sehen Sie, nun haben wir das gute Wetter doch optimal genutzt. Warum ich so gebeugt gehe? Na ja, ich bin nicht mehr der Jüngste, und das war jetzt ganz schön anstrengend. Der Unterkiefer eines neueren Autos ist quasi das halbe Gesicht, je jünger desto schlimmer. Und das will gehoben und angepasst werden. Für mich selbst liegen hier halt keine Ersatzteile rum, also muss ich in dem bleiben, was ich habe. Sehen Sie. Aber der neue Kiefer und die neuen Augen stehen Ihnen gut, man sieht fast nichts mehr. Und ja, auch die neuen Schuhe sind irgendwie ganz schön. Angenehm schlicht, mit dezentem Chromrand. Das kann ich als Arzt beurteilen, ich habe schon eine Menge Schuhe gesehen. Passen die nicht vielleicht auch auf den Taunus….?
Ja, danke, es hat mich auch gefreut. Wenn Sie zufrieden sind, schreiben Sie mir gern eine positive Bewertung auf unserem Portal. Und wenn Sie Ihren Besitzer sehen, sagen Sie ihm, dass nun eine Baustelle weniger da ist und dass er einfach mal entweder die Parkposition einlegen oder die Handbremse anziehen soll. Der Depp.
Sandmann
Ähm… Herr Doktor, da wäre noch etwas: Kennen Sie einen fähigen Zahnarzt, der mich mal von der Karies an meinen Hosenbeinen befreien und ein paar Füllungen einsetzen könnte?!?
Nett dass Sie fragen.
Ja, ich habe Sie schon einem Kollegen in Berlin vermittelt. Der wird die mitgegebenen Prothesen fachgerecht einschweißen und sich auch um die porösen Nervenenden kümmern. Sie kommen in gute Hände, dafür verbürge ich mich.
Herzlich
Dr. Sand
Bester Dr. Sand,
es zeichnet einen guten Arzt aus, dass er die Grenzen seiner ärztlichen Fähigkeiten kennt, und rechtzeitig einen Fachkollegen zu Rate zieht. Von daher meinen tiefen Respekt für die Überweisung zur Behandlung der Hosenbein-Karies. Solches Verhalten sollte eigentlich bei allen Berufen selbstverständlich sein, ist aber leider so selten anzutreffen.
Was Sie aber noch besser als die Heilkunst beherrschen ist das Schreiben. Ich habe Ihren brillianten -und dazu noch rezeptfreien- Artikel nur so verschlungen, vielen Dank für die kurzweilige Unterhaltung!
Und bitte seien Sie nachsichtig mit dem Fahrer Ihres Patienten, solch kleine Missgeschicke passieren halt.
Herzliche Grüße
Jürgen
Mein lieber Herr Jürgen,
nun, wir Fachleute sind zwar Allwissend, haben aber nicht die Zeit, alles durchzuführen. Leider. Und so kam es mir zupass, dass der Scorpio Patient in die Obhut des berliner Karosseriebauers gegeben wird. Da weiß ich ihn in guten Händen. Er wird ihn dann auch gleich behalten und seine porösen Nervenenden heilen. Er teilt meine ärtzliche Liebe zu dem Hässlichen und Verspotteten.
Den noch aktuellen Fahrer des Patienten habe ich mit Nachdruck zurechtgewiesen. Er hat versprochen, auf den Taunus und einen möglichen Nachfolger des Scorpio besser aufzupassen.
Es war mir eine Ehre, Sie unterhalten zu haben. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Weinhändler oder gucken Sie sich den konstanten stilistischen Verfall von Neuwagenbloggern an.
Mit bräunlichen Füßen
Dr. Sand