Ay Gemeinde,
eigentlich soll es heute nach dem schönen Konzert gestern Abend unbeschwert und mit unter zehn Euro pro 100 Kilometer bei 280 PS und Allrad an die Cote d’Azur weitergehen. Hätte ich da nicht ein kleines Detail übersehen oder unterschätzt. Stets war ich der Meinung, die Schweiz sei ein fortschrittliches, recht hoch entwickeltes Land. Wenn auch nicht Mitglied der EU, aber okay, das kann ja auch Vorteile haben. Nun rolle ich seit einigen Kilometern angetrieben mit teurem Super daher und suche blauäugig mit dem Navi eine Gastankstelle auf der Route. Kein Problem, denken Sie? DOCH. Auf der Route gibt es keine. Neben der Route auch nicht. Und die, die man irgendwo verzeichnet findet, haben nicht durchgehend geöffnet. Und es ist Sonntag. Und es war Sommer (Gitarrensolo jetzt, bitte).
Das einzig nennenswerte Gasvorkommen zwischen Locarno und Mailand befindet sich kurz vor Bellinzona.
Wie eine Oase in der Mineralöl-Wüste leuchtet auf dem TomTom das LPG Zeichen, ein wahrhaftig seltener Anblick hier in der Schweiz. Am Horizont tauchen riesige Gastanks auf, hier baut man noch auf Quantität, kein Wunder. Man sollte annehmen, dass bei dieser geringen Gas-Dichte allein am Durchreiseverkehr ein kleines LPG-Vermögen verdient werden kann. Aber was ist das? Die Gitter sind geschlossen. Schmiedeeiserne Rolltore versperren den Zugang zur Zapfsäule, irgendwelche in italienisch gekrakelten Öffnungszeiten lassen nichts Gutes ahnen. Verzweifelt bricht Mona Lisa zusammen und stützt sich schluchzend auf den aufblasbaren Bade-Bomber. Der Schlag sitzt tief. Im Zeitalter der dramatischen Benzinpreise müssen wir wohl oder übel mit dem guten Super weiterfahren. Oder?
Gibt es denn in diesem Land wirklich nur 20 Tankstellen, die LPG anbieten? Die meisten davon irgendwo bei Basel oder Bern oder Lausanne, jedenfalls nicht da, wo wir lang müssen? Und die, die wir finden? Warum haben die nur von Montag bis Freitag zwischen 10.00 und 17.00 Uhr geöffnet? Hey ihr Heidilandbewohner, wollt ihr nicht langsam mal eine Revolution anzetteln? Oder habt ihr es nicht nötig, Geld zu sparen? In Norddeutschland bekommt man LPG inzwischen an jedem zweiten Zigarettenautomaten, und hier findet man nicht einmal eine Zapfsäule, wenn man nach ganz oben klettert. Na ja, man kann eh nur bis zum nächsten Berg schauen. Was ist denn da los? Kann mir jemand Gründe nennen? Weiter nach Italien.
Man kann über die Italiener sagen, was man will. Die einen bezeichnen sie als laut, die anderen schimpfen über schmutzige Städte und Küsten. Aber hey – sie haben GASTANKSTELLEN! Ich bin so glücklich. Nachdem der benzinverbrennende Audi viele, viele Fünf-Euro-Scheine auf die schweizer Autoroute geblasen hat, finden wir fast direkt hinter der Grenze (ich habe noch gar nicht das Schild mit den Höchstgeschwindigkeiten gelesen) die erste Tankstelle, die GPL anbietet. LPG heißt hier GPL. Und das auch noch für schlanke 68 Cent pro Liter, in Deutschland sind wir momentan bei 74 Cent. Und was kostet Gas in der Schweiz? Wer weiß das schon so genau. Ich ziehe lachend an dem dicken Niederländer mit seinem Wohnwagen vorbei, bis der mir bedeutet, dass er auch gern Gas tanken würde. Oh. Verzeihung. Der Wagen sieht gar nicht so aus. Also warte ich noch ein bisschen. Der freundliche Tankwart fragt mich, ob ich Super 95 oder 98 möchte? GPL bitte! Oh. Scusi. Der Wagen sieht gar nicht so aus! Er pfropft den Rüssel an den Adapter, ist begeistert von der reinfließenden Menge und ein wenig verwundert ob meiner Fotos.
Es geht günstig weiter. Die Sonne scheint und ich kann das Mittelmeer schon riechen… oder ist das die Kanalisation von Mailand?
Sandmann
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