Prolog: Ich mag keine komplizierte, anfällige Elektronik.
Ay liebe Blog-Gemeinde,
ein ereignisreiches Jahr neigt sich dem Ende. Noch verschiedene Highlights im Kopf aufarbeitend brause ich über die A7 runter mit dem festen Vorsatz, endlich einmal pünktlich und ohne Stau in Hamburg zu sein… „16.00 Uhr“ dreht es sich durch meinen Kopf, während ich, noch gut im (mit der heißen Nadel gestrickten) Zeitplan, zügig voran gleite. Drei CDs mit 300 Titeln 80er Jahre Musik im Wechsler orgeln den Synthipop einer vergangenen Epoche, mir ist deutlich mehr nach MeatLoaf. Dafür muss die Weihnachts-CD im Radioschacht raus und die Scheibe aus dem Handschuhfach rein. Nichts leichter als das, mag man meinen. Aber nein. Mit dem Drücken des Eject-Knopfes fängt der ganze Spaß ja erst an…
Ich will gar nicht meckern. Das JVC Radio tut recht gute Dienste und klingt hervorragend im A8, nur manchmal übertreibt es ein wenig in dem Wunsch, seinen User (ja, man muss sich wohl als solchen bezeichnen) möglichst farbenfroh und aufwändig zu unterhalten.
Das äußert sich derart, dass nach dem Drücken jenes Knopfes das breite Bedienpanel surrend nach tief drinnen einklappt, der dicke Lautstärkeregler zurückfährt, anschließend die gesamte Blende nach unten sirrt und im dadurch frei gewordenen Schlitz die CD ausspuckt. Soweit die Theorie. Bis zum Punkt „Lautstärkeregler zurückfahren“ klappt auch alles ganz gut, aber nun hören wir einen angestrengten Elektromotor ächzend am Versuch scheitern, das Display in die down-Position zu bringen. Das probiert er dienstbeflissen gleich drei, vier mal und gibt dann mit einer kurzen Meldung an die zentrale Steuereinheit schmollend auf. Die Hauptverwaltung sieht nur „Fehler“ und schaltet sofort alle beweglichen Teile tot, um schlimmeres zu vermeiden. Soweit scheint man sich einig…
Schmunzelnd blicke ich auf den nicht freigegebenen CD-Schlitz und das nicht wieder rausgekommene Bedienpanel, auf dem sich im Übrigen auch der Aus-Knopf befindet. Irgendwo dazwischen erzählt mir das verreckte Display was von „Err 32“ und welches Lied als nächstes kommt. Samantha Fox prollt ins Mikrofon, der extended Mix, ich kann es nichtleiser machen, ich kann es nicht stoppen, ich kann das gesamte Radio nicht ausmachen. Herrlich.
Aber ich habe schon vor ganz anderen Aufgaben nicht kapituliert. Da mein Navi mir schon jetzt ohne Einbeziehung des Hamburger Innenstadtverkehrs eine Punktlandung am Bahnhof prophezeit, muss ich Zeit rausfahren. Das Radio soll standesgemäß funktionieren, also muss es vorher heile gemacht werden. Zwischen Neumünster und Quickborn sind 170 zum Glück kein Problem… Auf dem nächsten Rastplatz wird der Schraubendreher angesetzt, die Blende abgehebelt und mit leichter aber bestimmter Kraft der gesamte Radioschacht hervorgezaubert, das umgebende Wurzelholz wird dabei nur ganz leicht beschädigt. Unermüdlich schallen die Synthiklänge, wir sind bei den Pet Shop Boys angekommen. Wie ein eitriger Auswurf schwappt das Gerät aus der Konsole, wie Gedärme quellen die ungezählten Kabel hinterher!
Noch während Rick Astley seine lange Stock-Aitken-Waterman Weile vor sich hin poppt, platzt mir der Kragen und ich reiße beherzt die Stromverbindung ab. Ruhe. Himmlische Ruhe. Alle Sicherungen noch am Platz, Zeitplan noch im Lot. Kabel wieder eingestöpselt, und der kleine Elektromotor erwacht zum Leben. Ich helfe ihm in seiner Passion ein wenig nach, indem ich den Displayschlitten da hin drücke, wo er ankommen soll. „Err 31„. Nein. Und Rick macht auch knödelnd da weiter, wo er aufgehört hat… Alle negativen Gefühle, die ich jemals hatte, empfinde ich einen kurzen Moment lang für dieses Radio. Es hasst mich. Da bin ich mir sicher.
Unbarmherzig läuft die Zeit , Kabel wieder ab und nochmal ran… und tatsächlich!!! Da kommt die Weihnachts-CD raus. Ungläubig verharre ich kurz und greife ich zum Handy, um diesen erhabenen Moment zu fotografieren, da saugt das Radio sie auch schon wieder ein!!! Neiiiin! Eject! Eject! Ah. Da ist sie wieder. Sie weicht MeatLoaf und wandert ins Handschuhfach. Der Rest ist einfach, alles wieder in den Schacht stopfen, die verbogenen Metallösen für die Blende richten, Blende drauf, Motor gestartet und zügig weiter nach Hamburg. WAS für eine Aktion! Alles funktioniert, ich kann den Aus-Knopf sehen und fühlen und komme sogar rechtzeitig am Bahnhof an. Silvester ist gerettet. Meine Antipathie gegen solche Unterhaltungselektronik hat sich potenziert, und ich schwöre mir, dass MeatLoaf auf immer und ewig da in diesem Schlitz drin bleibt, während ich „Blind as a Bat“ mitsinge und mit 8 Zylindern in den Sonnenuntergang fahre.
Epilog: Gute Vorsätze brechen.
Der schönste Schwur hält nur so lange, bis man Gründe findet, ihn zu brechen. Oder genauer gesagt, bis zum 26. Dezember, vielleicht bin ich auch einfach zu faul, um die Creedence Clearwater Revival CD im Kofferraum in den Wechsler zu drücken, über „Eject“ geht es ja schneller. Belustigte Passanten erleben mich fluchend am Straßenrand beim neuerlichen Radioausbau. Nun geht es etwas schneller, ich mach‘ es ja nicht das erste mal. Und jetzt bleibt der FleischKlopps ECHT drin.
Promises are made to be broken. Von daher mache ich mir gar keine für das kommende Jahr. Treiben Ihnen auch Ihre Elektrogeräte mit bibeldicken Gebrauchsanweisungen den Schweiß unter die Achseln? Von mir einen fröhlichen guten Rutsch nach 2008, feiern Sie schön und schauen Sie mal wieder rein!
Sandmann
Gniiiiihihi 🙂
Was man alles wiederfindet!