Oder in der Wüste…? Hier ist noch Teil 2 mit Wasserwummen.
Es gibt sie, diese besonderen Orte auf der Welt, die nur wenige Menschen überhaupt kennen und die etwas ganz besonderes ausstrahlen. Die Calanques, eine zerklüftete Buchtenlandschaft bei Cassis am Mittelmeer gehört für mich in diese Kategorie. Auf weißen Felsen wachsen trockene, grüne Pinien, der Himmel ist strahlend blau und das Wasser smaragtgrün. So zumindest ist es in meiner Erinnerung geblieben, ich war seit 20 Jahren nicht mehr dort! Vielleicht ist es auch wieder mal nur so ein Retro-Ding von mir, dass ich diesen Ort unbekannt und besonders nenne, wie dem auch sei, wir fahren da heute mal hin. Nicht grad um die Ecke von Saintes Maries de la Mer, aber in 1,5 Stunden durchaus schaffbar. Badesachen eingepackt, machen Sie sich auf ein paar farbenfrohe Urlaubsbilder gefasst!
Halt. Erst Frühstück!
Die Franzosen halten es ja irgendwie nicht so mit dem Vollkornbrot und dem Müsli, ich selbst eigentlich auch nicht, also fühle ich mich hier wohl. Jeden morgen pilgere ich in der aufgehenden Sonne zum Bäcker auf dem Campingplatz, während alle um mich herum noch schlafen. Ich mag diese friedliche Atmosphäre, nur hier und da unterbrochen von international sprachbegabt nörgelnden kleinen Frühaufsteher-Kindern, die keifend und pöbelnd ihren gerade Liebe machenden Eltern auf den Keks gehen. Angenehm gedämpft durch die Plastikwände der überfetten Wohnmobile. So, Frau Boulangeriste, deux baguettes, trois croissants et trois pain chocolat. Merci beaucoup. Ich bin wie jeden Morgen eine nennenswerte Summe ärmer, aber glücklich! Frühstück!
Das Geld ausgeben geht weiter. Péage. Wer voran kommen will, zahlt. Alle anderen schlängeln sich auf den Nationalstraßen entlang der Küste, die landschaftlich bestimmt schön, aber zeitfressend sind. Die 130 Kilometer von der Camargue ins östlich von Marseille gelegene Cassis kosten insgesamt knapp 9 Euro. Mannmann, wenn ich hier wohnen würde hätte ich glaube ich lieber ein Boot. Oder so. Aber man kann an den Schranken fröhliche Dialoge mit einheimischen hier jobbenden Studentinnen führen, die das eigene Französisch dramatisch voran treiben! „Quatre Euro dix.“ „Un moment… alors…“ „Merci beaucoup, bonne journee!“ „Au revoir!“ Spektakulär. Immerhin habe ich nicht „Aujourd’hui!“ geschmettert. Aber das ist jetzt ECHT eine andere Geschichte…
Hm. Irgendwie kenne ich diesen Parkplatz gar nicht, der war damals doch weiter unten…? Ah. Ist er auch immer noch, aber wir sind hier etwas oberhalb der ersten Calanque Port Miou gelandet. Zum Schnäppchenpreis von 6 Euro steht der Audi immerhin schattig, was bei jetzt schon über 35 Grad (es ist 11:00 Uhr Morgens!) als ganz okay zu bezeichnen wäre. Ich mache mir ein bisschen Sorgen um meine beiden Mitfahrerinnen, denn wir müssen unsere Sachen über eine gewisse Strecke bis zur zweiten Bucht Port Pins schleppen. In meinen Erinnerungen ist dieser Weg wenig schattig und dauert rund eine halbe Stunde. Zumindest von dem eigentlichen Parkplatz aus. Also, Mädels, viel trinken, setzt euch was auf den Kopf – und ich nehme dann mal den großen Ring und die Handtücher. Und die Tasche. Ach herrjeh…
Ah, ja, es ist noch immer so wie in meinen Erinnerungen. Nach einem ziemlich heißen und steinigen ABstieg kommen wir an dem eigentlichen Parkplatz vorbei („Lassen Sie NICHTS im Auto. DENKEN Sie gar nicht mal daran, IRGEND etwas im Auto zu lassen! Nehmen Sie ALLES mit!“), von wo aus es vor dem dann kommenden AUFstieg zunächst durch eine glutheiße Ebene geht, die von einer Art natürlicher, gewaltiger Felsmauer geflankt ist. Die einzige hier ersichtliche bauliche Veränderung in den vergangenen 20 Jahren ist eine für Autos befahrbare Sandpiste bis in die nächste Bucht, um eventuelle Rettungseinsätze effizienter zu gestalten. Wir nehmen den steinigen Fußweg. Es ist unerträglich heiß, wie können Menschen so bescheuert sein und freiwillig durch Wüsten laufen???
Nach tatsächlich rund 30 Minuten (keiner von uns hat Lust, auf irgend etwas wie eine Uhr oder so zu gucken) kommen wir ein bisschen schlapp und leicht zischend in die nächste Bucht. Ja! Das ist sie. Ich kann mich gut an diesen Anblick erinnern, als nach der Wanderung hinter den Pinien das grüne Wasser der Calanque auftaucht. Was erwartet uns hier nun im Jahr 2011? Ein abgesperrtes Badebecken? Ein gut gehender Kiosk mit Liegenvermietung und ein Strand mit Sonnenschirmchen? Eine Tauchschule, ein Jetskiverleih und ein Supermarkt? Tausende von Touristen, weil dieses Fleckchen vielleicht gar nicht mehr so exklusiv ist und all seine Besonderheit verloren hat?
Nichts von alledem. Es scheint sich hier um ein Stück Planet zu handeln, an dem die Zeit endlich mal stehen geblieben ist. Hier sind nur ein paar wenige Badegäste, weil der von uns beschrittene Weg noch immer der einzige zu sein scheint, und das finden viele Touristen einfach zu anstrengend. Die hängen dann lieber am Pool ab und flirten den Bademeister an. Die Felsen haben sich keinen Zentimeter bewegt 🙂 und das Wasser ist so grün, wie es immer war. Wir sind angekommen. Zuletzt habe ich hier in den Sommern 1991-1992 vor mich hin geschnorchelt, erst mit Nea und Silke und dann mit Jan und Dietmar. Ich muss mal die Bilder raussuchen, die sind bestimmt mit meinen hier austauschbar 😉 Nur ich selbst… ich bin wohl ein bisschen älter geworden…
Keine Seeigel weit und breit, allerdings auch immer noch keine komfortable Treppe ins Wasser rein oder aus dem Wasser raus. Wenn ich also mal mit 90 hier her komme hab ich mit meinem Rollator keine Chance. Hm. Alsdenn. Köpper, rein da! KALT! *schrei*
Es ließe sich hier der ganze Tag verbringen. Wir liegen im Schatten unter den Pinien, wo uns die Mittagshitze fast schon angenehm kühl vorkommt. Futtern mitgebrachte Baguettes mit Briekäse und luftgetrockneter Salami und trinken eiskaltes Quellwasser. Das Szenario sieht fast schon kitschig schön aus, wie eine Fototapete aus den 80ern.
Allerdings lockt nach ein paar Stunden auch schon wieder die Aussicht auf einen chilligen Abend „zu Hause“, mit gegrillten Wüstchen oder leckeren Nudeln, mit Wasser und Wein und einem lauen Abendlüftchen. Oder, ihr Süßen? Nein? Hm. Niemand hat heute Lust, etwas zu kochen. Also was soll’s, es ist der letzte Abend in Saintes Maries de la Mer, dann gehen wir halt eine köstliche südfranzösische Pizza verdrücken. Aber noch sind wir nicht da. Erst müssen wir den langen Weg wieder zurück wandern, um dann im überhitzten Auto die gleiche Strecke wieder zurück zu fahren, die wir heute Vormittag hergekommen sind (und die wir morgen Vormittag auch schon wieder in Richtung Saint Tropez fahren müssen!). Voilà. Der Rückweg wäre einfacher gewesen, nicht so heiß und weitestgehend bergab… hätte meine Kleine sich nicht beim Übersehen eines dickeren Steins gefühlt drei mal überschlagen. Okay. Ihr bleibt hier, Papa stratzt hoch zum Parkplatz und holt das Auto – okay? Ich bin so ein aufopfernder Mensch…
Abendstimmung am Mittelmeer. Der Audi V8 steht tickend und total verstaubt auf dem Campingplatz. In unseren Mägen kreisen höchst leckere Pizzen, meine schwimmt zudem noch im Inhalt eines mittleren Karäffchens dieses unbezahlbaren Landweins. Im orangen Licht der Gaslaternen an der Promenade flanieren Verliebte und Nachtschwärmer, während herrlich kitschig der Mond aufgeht und die Wellen leicht an den Strand branden. Warum eigentlich kitschig? Was ist kitschig? Gibt es dafür eine Definition…? Ja, der heutige Tag ist auch so ein Retro-Ding, wie so vieles in meinem Leben. Die Buchten von Cassis sind nun nicht mehr ausschließlich in meiner wilden Anfang-Zwanziger-Zeit verankert, sondern nun auch in einem eindrucksvollen Tagesausflug mit meinen Kindern. Hätten Sie mir das damals prophezeit, ich hätte laut gelacht, noch einen Schluck aus der Weinflasche genommen und das Lied von Neil Young gesungen, was mir eine der beiden Holländerinnen gerade beigebracht hat. Damals. Im Sommer 1991…
Sandmann
Ich will auch Urlaub…
Naja, noch 51 Tage und den Rest von heute…
Ay Mario,
noch 51 Tage? Das ist aber eine unkonventionelle Zeit, wie kommt’s?
Na ja, vielleicht lässt du dich ja ein bisschen von den Blogs inspirieren und die Vorfreude schüren 🙂
Der TUT Vogel kreist wieder um den dunklen Campingplatz, heute ist der letzte Abend hier unten. Schon ein bisschen traurig… Morgen geht es weiter in den Norden Frankreichs zu Freunden und dann nach Hause… doof…
Sandmann
Das sieht ja aus wie in der Karibik!!!!
Warum geben die Leute so viel Geld für Fernflüge aus, wenn man doch auch an solchen Orten diese wunderbaren Erlebnisse und Bilder haben kann?
War das Wasser kalt? Sieht irgendwie so aus.
Abel
Ay Calimero,
das Wasser war sehr sehr angenehm. Nicht zu kalt, aber trotzdem eine wunderschöne Abkühlung nach dem langen Marsch durch die Wüste 😀
Ich glaube, die Karibik ist noch eine ganz andere Nummer. War noch nie da, werde das aber irgendwann mal nachholen. Allerdings nicht mit dem Auto…
Sandmann
Hi Sandmann,
Karibik kann ich Dir nur empfehlen. Komme gerade – braunfritiert – von zwei Wochen Dom-Rep zurück… Sieht dort aber schon etwas anders aus als in den Calanques, irgendwie weniger Felsen und Pinien, dafür mehr Palmen 🙂 Wenn Du also mal ein paar WIRKLICH kitschige Bilder sehen willst, die man unbearbeitet als Wand-Tapete verwenden kann, lass es mich wissen. Jetzt muss ich irgendwie den August rumbringen, dann geht’s im September nochmals nach Kroatien, möchte die Adria auch mal noch etwas genauer untersuchen 😉
Entspannte Grüsse,
Michi
Ay Michi,
soso, ein Schweizer unter Palmen. Sehr stilvoll, ich kann mir gut vorstellen, dass es da wirklich so aussieht wie auf den besagten Fototapeten. Ich habe einen Karibik-mit-Boot begeisterten Freund und einen Ich-tauch-gern-in-der-Karibik Freund. So gesehen kenne ich die Bilder…….
Und überhaupt – Kitsch nennen das doch nur die Leute, die es noch nicht selbst gesehen haben. Wenn es wirklich genau so aussieht wie auf den Bildern, kann es eigentlich kein Kitsch sein, oder?
Grüße aus einem norddeutschen, verregneten Sonntag voller Träume…
Sandmann