Spielende Kinder sind irgendwann aus dem Spielzeugalter raus oder haben notorisch wenig Taschengeld. Wenn sie als Männer später Geld übrighaben, sind sie meistens im beruflichen und sozialen Alltag angekommen und stecken in teuren Verpflichtungen. Gern legt auch die Lebensgefährtin ein „vernünftiges“ Veto gegen klassisches Spielzeug für Erwachsene ein. Aber es gibt Ausnahmen. Martin Hofmann ist erwachsen, hat ein wenig Geld beiseitegelegt, will wieder spielen und hat zu allem Überfluss die Freundin auf seiner Seite. Das war der Moment, wo ein 68er Dodge Charger in sein Leben treten sollte.
Nicht die klassische Midlife-Crisis
Erwachsene Männer spielen genau wie Kinder gern mit Autos – aber die klassische Form eines Porsche 911, die so vielen Männer in der Mitte ihres Lebens den Kopf verdreht, reizt Martin Hofmann nicht. Amerikanische Muscle Cars sind da schon eher sein Ding – sie fallen dem Kind der 80er wieder ein, er hat sie damals in den amerikanischen TV-Serien gesehen. Erinnerungen an gute Zeiten mit dem „A-Team“, „Knight Rider“ und ein „Colt für alle Fälle“ und den Autos, die da durchs Bild geblubbert sind. Und plötzlich hat er nichts Anderes mehr im Kopf als Muscle Cars.
Notieren Sie, Watson.
In Hamburg sabbelt man nicht lange, da macht man Nägel mit Köpfen. Mit einem kundigen Importeur wird das vorhandene Geld mit den Wunschvorstellungen in Einklang gebracht, parallel notiert Martin die Kosten und avisierten Leistungen einer guten Oldtimerversicherung. Wenn ich das für euren bestehenden Klassiker oder den, der es einmal werden soll, auch machen möchtet: Ich werbe in diesen Artikeln immer wieder gern für die Allgefahrenversicherung von Hiscox. Klickt einmal rein, vergleichen kostet nichts, und ich kann die euch sehr ans Herz legen.
Auf diesen Grundlagen beginnt Hofmann eine detektivische Suche im Internet. Und gerade das gestaltet sich gar nicht so einfach, wenn man wie er konkrete Vorstellungen hat. Es soll ein Dodge Charger werden, das klassische und begehrteste Muscle Car der späten 60er. Hofmann befolgt den weisen Rat seines Importeurs und sieht sich sehr viele, sehr unterschiedliche Fahrzeuge an – und wird immer wieder enttäuscht. Er will Baujahr 1968 und das große Kraftwerk vorn drin, da dünnt sich das Angebot in Deutschland ohnehin immer weiter aus. Dichtung und Wahrheit der Kleinanzeigen besorgen den Rest. Also erweitert er seine Recherche auf die USA, und schon kurze Zeit später macht es spürbar *KLICK*. Bei einer Anzeige passt alles – Motor, Innenausstattung, Hinterachse und der beschriebene Zustand. Hofmann greift direkt zum Telefon.
Ein Treffer in den USA
Auf der anderen Seite des großen Ozeans meldet sich Chris aus der Nähe von Milwaukee, Wisconsin. Ja, der Wagen sei noch da, er habe auch schon eine lange Geschichte in seiner Familie hinter sich. Als das ursprüngliche Fahrzeug in die Jahre gekommen war, erwarb es sein Bruder und wollte es eigentlich zeitgenössisch zum Drag Racer umbauen. Dieses Vorhaben zog sich aber anscheinend erheblich in die Länge, und Chris konnte es irgendwann nicht mehr ertragen, den schon damals recht seltenen Wagen ohne Motor ausgeweidet auf dem Hof stehen zu sehen. Also kaufte er ihn seinem Bruder ab und baute ihn bis 2004 nach und nach genauso auf, wie er selbst sich einen fabrikneuen Dodge Charger bestellt hätte. Und da scheint zwischen Hofmann und Chris geschmackliche Einigkeit zu bestehen. Was für ein Treffer!
Über den großen Ozean.
Der Importeur einigt sich mit dem amerikanischen Besitzer des Muscle Cars auf die Bestellung eines unabhängigen Gutachters vor Ort, der 120 Fotos vom Auto macht und alle eventuellen Schwachpunkte und Mängel in einem Schriftstück festhält. Die Fotos und die umfangreichen Beschreibungen überzeugen sofort – und das wichtige Ja seiner Freundin bekommt Hoffmann umgehend. Er kauft den 42 Jahre alten Dodge, ohne ihn je selbst gesehen zu haben und nimmt ihn sieben Wochen später in Empfang. Nach einem kurzen Umbau für den deutschen TÜV und eine auf Anhieb erfolgreiche Zulassung gehört der Dodge seit 2010 zur Familie.
Innen groß…
Das ist also Familie Hofmann. Der Charger wird beim Fototermin höflich vorgestellt, während ich versuche, die Dimensionen zu erfassen. Ein für die späten 60er Jahre unaufgeregtes Armaturenbrett beherbergt in schwarzem Kunststoff einige Rundinstrumente und dicke Kippschalter. Kleine Aufkleber auf dem Tacho erzählen von Stundenkilometern und verdecken die Meilen-Angaben. Ein Lichtlein aus dem Mitteltunnel leuchtet den Weg, als sich der Steuermann in das weiße Kunstledergestühl fallen lässt.
… und außen noch größer!
Zurücktreten bitte. Was einst als Matchbox-Auto mit dicken Reifen und spannenden Formen in der Sandkiste auf eine kleine Reise ins benachbarte Erdbeerbeet wartete, steht hier jetzt im Maßstab 1:1. Die Front wirkt schnell, das Profil wie von einem heißen Gegenwind nach hinten ausgeformt. Ein faszinierender Hüftschwung mit wunderschönen Details wie dem seitlichen Tankdeckel oder den kleinen, runden Rücklichtern lassen meinen Mund permanent offenstehen.
Der Dodge scheint zu warten. Im Hintergrund rollt ein knubbeliger koreanischer Kleinwagen die Kopfsteinpflasterstraße neben der Oldtimertankstelle Brandshof entlang, und ich kann mich nicht entscheiden, was mir hier deplatzierter vorkommt. Nennen wir es Ansichtssache. Der Anlasser dreht sich.
7,2 Liter Brennraum füllen sich mit Benzin. Ein kurzes, turbinenhaftes Aufbrüllen. Dann ein ruhiges Grummeln wie von einem fernen Gewitter, gleichmäßig und völlig unaufgeregt. Hofmann legt den mittigen Wählhebel des TFT 727 Getriebes in die Fahrstufe ein und fährt an mir vorbei… und fährt vorbei… und fährt vorbei… Ich habe schon kürzere Autos gesehen. Der koreanische Kleinwagen ist hoffentlich langsam mal verschwunden, wir brauchen gleich die ganze Straße!
Dimensionen eines Triebwerks!
Das tiefe Grollen erzählt den Umstehenden von etwas, was gern frei gelassen werden möchte. Von einem Raubvogel in Lauerstellung, von einem endlich erfüllten Traum. Und Hofmann lässt es frei. Katzenhaft schnellt der Dodge nach vorn. Wie bei einer nahenden U-Bahn vibriert die ganze Straße. Er ist gar nicht laut dabei, ich fühle es trotz der Entfernung eher im Magen und bewundere, wie unangestrengt das Fahrzeug dabei wirkt. Irgendwie von Evil Knievel geprägt erwarte ich am anderen Ende der Vorbeifahrt einen Bremsfallschirm, aber diese Aufgabe müssen die vier zeitgenössischen Trommelbremsen übernehmen.
Meine Nackenhaare haben sich noch gar nicht wieder gelegt, da fährt er erneut an mir vorbei. Die breite, scheinwerferlose Nase taucht tief in die Bodenwellen ein, hart und bestimmt stemmen sich die Reifen und die Stoßdämpfer gegen das Kopfsteinpflaster – und schon ist er wieder weg. Es riecht nach sauber verbranntem Superbenzin. Das ist Form und Kraft in einem, das ist die Erfüllung eines Traums mit der Kontrolle über die Maschine. Mich fröstelt. Als der Dodge wieder tief grummelnd an mir vorbei auf den Parkplatz rollt, stehe ich noch ein bisschen rum und blicke ihm nur noch andächtig hinterher.
Aufladen im Alltag.
Hofmann, setzen, alles richtiggemacht. Der Mann ist noch immer ein bisschen Kind. Und er wirkt glücklich, so glücklich wie ein Mann nur wirken kann, wenn er sich einen Traum erfüllt hat. Habt ihr euch auch euren Traum erfüllt? Und habt ihr weiter oben schon geklickt und mal geschaut, was die Oldtimerversicherung euch kosten würde? Wenn nicht, dann macht das doch jetzt mal hier. Hofmanns Nachbar muss jeden Tag sein neues Elektroauto wieder aufladen. Der Charger lädt andersrum Hofmann jeden Tag wieder auf, bringt Farbe und Sound in den grauen, monotonen norddeutschen Herbst und gibt einen Ausblick auf viele weitere Reisen und Erlebnisse mit einem mehr als ungewöhnlichen Auto. So soll es sein. Hier hat ein Mann seinen Traum gefunden und lebt ihn nun. Und das noch immer mit dem Segen seiner Freundin. Der Fahrer des koreanischen Kleinwagens wird das vermutlich niemals verstehen.
Sandmann
Dodge Charger
Baujahr: 1968
Motor: V8
Hubraum: 7.206 ccm
Leistung: 350 PS
Max. Drehmoment: 651 NM bei 3.200 U/min
Getriebe: TFT 727 Torqueflight
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 5250mm/1950mm/1385mm
Leergewicht: 1546 kg
Top Speed: 240 km/h
Wert: ca. 90.000 Euro
toll geschrieben Herr Sandmann 🙂
Was ich immer wieder lustig finde, habe ja einen 67er Plymouth Valiant, also auch einen Mopar, aber von der billigsten Marke. Dafür dann wieder in der Schweiz zusammengebaut als Mercedeskonkurrent und jetzt kommts; mit Bremskrafverstärker und Scheibenbremsen, obwohl ich nur den 273er V8 (4.5) drin habe 🙂 Finde ich immer wieder lustig, wie unterschiedlich diese Autos betreffend Komfortfeatures und Sicherheitsfeatures ausgestattet wurden. 🙂
(Falls Du mal über ein Montage Schinznach Mopar schreiben willst, Du kennst und findest ja die Schweiz) 🙂
Ay Marc,
vor über 50 Jahren hat man mindestens bei amerikanischen Modellen noch nicht viel über die Sicherheit nachgedacht. Dass bei dem hier ein V8 mit mehr als 7 Litern Hubraum durch vier Trommelbremsen verzögert wird mag ja bei 55mph auch noch irgendwie funktionieren 😀 Die Prioritäten waren woanders.
Und anscheinend hat man in der Schweiz da schon weitergedacht.
Tatsächlich zieht es mich wieder zu euch da runter. Geschichten schreibe ich ja gar nicht mehr so viele, jedenfalls sind die Zeiten vorbei wo ich wegen eines Autos 2500 Kilometer gefahren bin (und das dann auch bezahlt wurde). Leider. Aber ich kenne viele nette Menschen im Bergenland rund um den Zürichsee, und ich hab mich damals ein bisschen in die Schweiz verliebt 🙂 Ich werde mal wieder anreisen.
Sandmann
Hoi Jens
Das tut mir leid, dass die Zeiten vorbei sind mit dem Reisen und Berichte schreiben. 🙁
55mph kamen meines Wissens erst um 73 herum wegen der Ölkrise.
Würde mich freuen, Dich mal nach Jahren in der CH zu sehen 🙂
Grüsse
Marc
Ay Marc,
na ja, ich arbeite nicht mehr für den EINEN Verlag, für den ich sehr umtriebig unterwegs war. Was ich sehr schade finde, aber andere Mütter haben auch schöne Töchter 🙂 Und das Storytelling ist ja nunmal mein Beruf, so schnell höre ich damit sicher nicht auf. Allein schon, weil es mich in die Schweiz zieht…
Ich habe in Zürich in der Innenstadt einst einen wundervollen Wein getrunken, einen Pankraz Pinot Noir getrunken. Das muss ich irgendwann noch einmal machen…
Sandmann
Hi Jens,
da hast völlig recht, der DC ist eindeutiges Relikt aus der Sandkasten-Epoche! Die collen Kisten ohne Scheinwerfer, Ford Mercury, Mercury Cougar, oder wie die hießen, fand ich damals wie heute einfach top. Zugegeben, ich habe in den paar Sandkastenjahren auch immer angenommen, die hätten vorne nix zum leuchten, nuja… 😉
Jeder hat ja so seine Macke, wo ich total ins Schwärmen bei komme, sind schräg nach innen eingesetzte Heckbleche! Ist schon beim T3 meine Lieblingsfläche, und hier sieht das auch unverschämt sexy aus! Zusammen mit den Raketendüsenrückleuchten ein echter Augenschmaus. Witzig übrigens, die Felgen lösen bei mir Erinnerungen aus an die Bereifung meines ersten C-Kadetts. Irgendwie sah das verdammt ähnlich aus.
Tolle Story jedenfalls, und auch feine Fotos!
Beste Grüße, Dirk
Ay Dirk,
meine Leuchtenerkenntnis bezüglich sandkastenansässiger Muscle Cars habe ich persönlich vom Oldsmobile Toronado. Ich weiß nicht mehr welche Marke es war, aber er war ein bisschen größer als die üblichen Matchbox oder Siku Autos und die Lichter ließen sich ein- und ausklappen. Ich fand den extrem spacig, auch eines dieser Autos bei denen ich erst sehr spät realisierte dass die wirklich gebaut wurden (wie der Iso Grifo, siehe entsprechende Geschichte).
Schräge Heckbleche sind cool. Konkave übrigens auch, behauptet mein Granada MK1 Coupé 🙂 Und gibt es eigentlich IRGENDWO bei IRGENDWEM C-Kadetts mit ganz normalen Stahlfelgen? Ich glaube nicht 😀
Hervorragende Grüße
Sandmann
;-)) …als ich den C-Kadett hatte, gab´s coole und uncoole Stahlfelgen. Die uncoolen waren einfache Blechdosen mit vielen kleinen Löchern am Rand, und die coolen sahen halt sehr denen ähnlich, die hier am DC sind. Opel hatte allerdings „nur“ 4-stern, der hier ist ja für Große, hat 5…
Etwas größer als SIKU & Co waren meiner Meinung nach Autos von CORGI TOYS. Da hatte ich auch paar von. Fett schweres Blechzeugs war das, und echt „griffig“.
Eigentlich wollte ich das FELGEN Thema ignorieren. Jetzt fange ich selbst damit an 😀
Stimmt. CORGI. Das könnte sein. Vermutlich hab ich das Ding sogar noch irgendwo… Ich hatte auch einen Toyota Land Cruiser von MAJORETTE, die waren auch immer etwas größer. Die gab’s in Süddeutschland gern mal an den Autobahntanken in so großen Ständern hängend… Hach…
Sandmann
Die Majorette gabs bei uns in der EPA (Einheitspreis AG) auch am Ständer zu je SFr. 1.90. Da war dann der Stadtbesuch das grosse Ereignis, wenn der Zweifränkler aus dem Sparkässeli investiert werden sollte 🙂
Der Olds Toronado ist für mich heute noch ein absoluter Traum. Eigentlich ein Anti-Ami oder zumindest nicht das, was sich der Durchschnittsbürger drunter vorstellt und daher auch zusätzlich reizvoll für mich.