Die Rusty Horror Picture Show

Sienceeeee Fiction….. Double Feeeeatureeeeee…..

12 Jahre Garantie gegen Durchrostung! So konnte man es damals lesen, als Audi begann, seine Karosserien komplett zu verzinken und ein Denkmal der Langlebigkeit zu setzen, was Schule machte. Eigentlich keine Wunderidee, legt sich doch der Zink uneigennützig als unedleres Metall auf den vom Wasser so geliebten Stahl und korrodiert aufopfernd zuerst. Was aber nicht so schlimm ist. Schlimmer ist lediglich, wenn man sich darauf verlässt und dann in den Internetforen von Durchrostungen an eigenen, eigentlich vollverzinkten Karosserien liest. Es hat sogar schon Fälle gegeben, da hat Audi auf Kulanz die betroffenen Stellen auch nach einem Jahrzehnt noch ersetzt. MIR kann so etwas ja zum Glück nicht passieren. Schließlich ist der Audi V8 ein begnadeter Vorreiter in Sachen Zink, als Oberklasselimousine und damaliges Konzernaushängeschild qualitativ hochwertig verarbeitet und darüber hinaus vor ein paar Jahren untenrum komplett neu lackiert worden. Und ein Lackierer findet angehende Rostherde und beseitigt diese, bevor er grundiert. Dachte ich. Manchmal täuscht man sich auch auf ganzer Linie.

Die Garantiezeit ist längst vorbei, mein Audi befindet sich anno 2010 in seinem 17. Lebensjahr. Ich will mich nicht beschweren, nach fast 450.000 Kilometern läuft er noch immer tadellos und sieht auch im Gegensatz zu mir noch immer sehr gut aus. Bis auf ein paar kleine braune Pustelchen, die sich in der polierten Edelstahlleiste oben auf der hinteren Stoßstange spiegeln. Die fielen mir in diesem Frühling erstmalig auf. Da kann ich mir ja einmal den Nachmittag für verbuchen und das kurz mit der Drahtbürste wegmachen, bevor es weiter rostet. Und ich möchte auch gleich noch unter den rechten hinteren Radkasten schauen, ich erinnere mich, dass ich da beim Einbau der LPG Flüssiggasanlage einen kleinen oberflächlichen Rostherd entdeckt hatte. Die Stoßstange hängt nur mit sechs kleinen Schrauben am Träger und lässt sich wartungsfreundlicherweise nach hinten komplett abziehen. Lustigerweise ist eben jene funkelnde Zierleiste an der Karosserie angeschraubt und nicht, wie man vermuten möchte, an dem Stoßfänger. Aber auch hier lassen sich ein paar Kreuzschlitzschrauben und Plastikmuttern schnell entfernen, und nach wenigen Minuten ist der attraktive Hintern des V8 nackt und bloß.

Der Schrecken sitzt tief. Ich hatte im Forum wie gesagt schon viel gelesen. Aber was ich hier an meinem eigenen Auto tief verborgen hinter Zierleisten und fern dem Auge des Betrachters vorfinde erinnert mich eher an den Zustand meines Ford Granadas, damals, 1994. Auf der gesamten Fahrzeugbreite hat die Zierleiste durch Verwindungen und Vibrationen in jahrelanger akribischer Kleinarbeit erst den Lack, dann die Grundierung und zuletzt die Verzinkung abgeschabt. Hier ein Kratzer, da ein Schubbern, und dieser kleine fiese Blechzierat zog am längeren Hebel. Und hat dem Rost freien Eintritt auf das Blech gewährt. Rund um die Schraubenaufnahmen aus Kunststoff und an der Falzkante blüht hemmungslos die braune Pest wie ein nässendes Krebsgeschwür, und so wie es aussieht tut sie das schon seit Jahren. Mir kommen Fragen bezüglich der Qualität der Vorarbeiten meines Lackierers in den Kopf, aber das ist eine andere Geschichte. Ich muss handeln. Schnell. Mit einer Drahtbürste komme ich hier nicht weit, da muss die Flex und die Schruppscheibe ran. Na super. Habe ich heute Abend noch etwas vor? Nein. Gut so. In diesem Moment sehe ich resigniert mein Wochenende komplett dahinschwinden.

Neues vom Flexer. Schruppscheiben bestehen aus grobkörnigem, von minderjährigen Eskimokindern unter Wasser mundgefaltetem Schleifpapier und sind auch in der Lage, nennenswerte Mengen an Metall wegzuhobeln, wenn man zu lange drauf hält. Wie geschaffen, um Flugrost und etwas tiefer sitzende Rostnester einfach zu pulverisieren und mit dem Westwind über die Autos der Nachbarn zu verteilen. Wenn es denn nur solche schlichten Rostnester sind. Je länger ich muskelverschleißend auf dem Rücken liegend über Kopf das Audiheck bearbeite und mir kiloweise Funken, Lackreste und glühende Metallspäne ins Antlitz fliegen, desto mehr schwindet meine Hoffnung, dass ich hier nachhaltig (und mal eben nebenbei) etwas konservieren könnte. Auch wenn mein Audi sich ansonsten bester Blechgesundheit erfreut, ich denke mal, die Tage dieses Heckblechs dürften gezählt sein. Als ich an der linken Falznaht (dem Übergang zum Seitenteil unter dem Rücklicht) ankomme, erhalte ich die Gewissheit: Durchgerostet! Leider komme ich dafür 5 Jahre zu spät, Audi wird mir nicht mehr helfen können.

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Nun schwinden sowohl meine gute Laune als auch der Elan, hier gute Arbeit abzuliefern. Das Blech wird im kommenden Jahr ohnehin rausfliegen, also gilt mein Hauptaugenmerk nun nur noch der Konservierung über den Winter. Das ist mit Sprühzink, Rostschutzgrundierung und dem originalen Panthero-Schwarz einigermaßen schnell gemacht. Auch vor meiner Tür auf der Straße, die Hebebühne für unsere Werkstatt haben wir irgendwie noch immer nicht gekauft.

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Ein Astrafahrer, der seinen Radlauf spachtelt und dann rot ansprüht, fährt erst einmal ein Jahr so rum. Warum weiß ich auch nicht. Ist Ihnen das auch einmal aufgefallen, dass viele alte Autos mit nicht beendeten Ausbesserungen unterwegs sind? Nein, ich ziehe es durch, ohne Lackschichten rostet es gleich wieder weiter. Trotzdem muss die Stoßstange noch einen Tag ab bleiben, die Gewinde für die Schrauben der Chromleiste lassen sich nicht entfernen, ohne zerstört zu werden. Ich gehe jetzt einmal ganz blauäugig davon aus, dass ich die am Montag bei Audi käuflich erwerben kann…

Irgendwann in grauer Vorzeit, als ich den Einbau der Gasanlage beaufsichtigte und auch aktiv daran teilhaben durfte, bemerkte ich ein weiteres Rostnest im rechten hinteren Radkasten. Hervorgerufen wohl von Benzinresten, die den hier verlaufenden Tankeinfüllstutzen unplanmäßig verlassen haben, gammelt der Audi hier unbemerkt, heimlich, still und leise vor sich hin. Unbemerkt, weil der innere Radkasten aus Plastik hinter der BBS Felge sowohl den Blick auf die Stelle verwehrt als auch schön nächtliche Feuchtigkeit und Spritzwasser so lange festhält, bis erst der Unterbodenschutz und dann das Blech porös werden und sich nicht mehr wehren können. Also? Wagen aufgebockt, Felge runtergenommen, Radkasten abmontiert. Noch immer ein fröhliches, hoffnungsvolles Liedchen auf den Lippen. Und? Erneute spitze, damenhafte Schreie meinerseits! Ja nimmt das denn gar kein Ende hier? Abendbrotzeit, langsam grenzt das an eine kleine Restauration! Vollverzinkt…

ROST ROST ROST. Was von Retter Tom damals noch liebevoll mit Fett eingejaucht wurde, gammelt nun unverhohlen großflächig weiter, und das an einer Stelle, die ein normal sterblicher Autofahrer eigentlich niemals zu sehen bekommt. Wer schraubt denn schon seinen Radkasten auf, wenn er kein Drogenschmuggler oder Restaurator ist?

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Natürlich handelt es sich um ein tief innenliegendes Formblech mit schönen Sicken, um die Stabilität zu erhöhen! Das wiederum bedeutet, dass ich mit der Flex und der Schruppscheibe nicht in jede einzelne Ecke komme und zum Akkuschrauber mit Spezialaufsatz greifen muss. In der Garage finde ich ganz tief unten noch Aluminiumoxid-Schleifaufsätze, und die sind für die kleinen korrodierten Kanten ganz hervorragend geeignet! Wahrscheinlich ist der Abrieb das krebserregendste, was es auf der Welt gibt. Irgendwo habe ich auch noch eine Schutzbrille und eine Staubmaske. Wo denn bloß?

Nun ist es doch noch ein kleiner Korrosions-Workshop geworden. Im Gegensatz zum maladen Heckblech gebe ich mir hier allerdings mehr Mühe, denn hier ist das Blech nicht so ohne weiteres auszutauschen. Allein die Nähe zum Tank könnte diesbezüglich für Probleme sorgen… Nach einer ausgiebigen Flex- und Bohrmaschinen Entrostungs-Aktion blicke ich auf blankes, gesundes Blech. Kein Karies mehr zu sehen, Herr Doktor. Und das blanke, gesunde Metall blickt auf mich und fragt sich vermutlich, wer mich so zugerichtet hat und ob das alles jemals wieder abzuwaschen geht. Nun gut. Was einmal verzinkt war, soll auch wieder verzinkt werden! Im Schichtbetrieb sprühe ich zeitversetzt zwei Lagen Zink, danach zwei Lagen korrosionshemmende Rostschutzgrundierung, anschließend zwei Schichten Lack, zwei Schichten Klarlack und am Ende zwei dicke Lagen Unterbodenschutz in den Radkasten. Jeweils mit 15 Minuten Zeit zum Aushärten dazwischen, genug, da es sich um schnelltrocknende Produkte handelt. Die Dämmerung ist inzwischen in vollem Gange, einige Abendvögel gucken mich verwundert an und vergessen, zu singen.

Eines langen Tages Früchte. Uff. Mit dieser Stelle bin ich durchaus zufrieden und schätze, dass sie nun den gesamten Rest des Autos um ein paar Jahrzehnte überleben wird. Guckt man sich die Restaurationsberichte von wirklich alten Autos an, dann komme ich sehr gut weg. Selbst das Heckblech, so man es denn noch erwerben kann, ist an einem Tag eingeschweist und versiegelt. Vielleicht finde ich ja noch ein kulantes Audizentrum, das um das Image seines ehemaligen Premium-Produktes besorgt ist? Haha. Bei Audi hätte man den V8 inzwischen am liebsten gar nicht gebaut und behandelt ihn nicht wie den Einstieg in die Oberklasse, sondern wie das schwarze Schaf unter den Single-Frame-Herden. Schade. Am Rande dieser Dokumentationen habe ich (während der Trockenzeiten) noch drei Rostnester auf der Motorhaube beseitigt und endlich, ENDLICH einmal die Fensterdichtung der Beifahrertür neu eingepasst. Nun kann man rechte Fenster auch wieder runter- UND hochfahren… Ich bin wie im Sog. Wieder ein Stückchen weiter, wenn auch mit der Option auf eine größere Operation im kommenden Jahr. Wer weiß, was dann noch alles zum Vorschein kommt?

Haben Sie auch Rostsorgen an Ihrem Auto? Man liest ja selbst von Neuwagen, die Kantenrost haben… Ich geh jetzt mal duschen.

Sandmann

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

4 Antworten zu Die Rusty Horror Picture Show

  1. calimero sagt:

    Schockschwerenot.
    Haben das alle V8? Hast du das denn inzwischen in den Griff bekommen? Die Geschichte ist ja schon etwas älter…
    Abel

    • Sandmann sagt:

      Ay Calimero,

      ja, das haben leider fast alle V8. Die Leiste auf der Stoßstange schabt mit den Jahren die Verzinkung vom Heckblech ab, und dann rostet es an dieser Stelle unbemerkt.
      Meine Kiste sieht noch immer so aus, leider tatsächlich durchgerostet. Nicht schlimm, aber auch nicht schön. Ich habe da jetzt ein Stück Bundeswehr-Textiltape draufgeklebt, wenn schon schlimm, dann aber auch richtig 🙂 Eines Tages wird das geschweißt…

      Sandmann

  2. Das Problem an dieser Stelle war ein Konstruktionsfehler. Die Zwischenlage war auf der Leiste verklebt und nicht am Blech. Wenn man das repariert – am besten substanzerhaltend – sollte die Zwischenlage aus 3M-Steinschlagschutzfolie unbedingt auf das lackierte Blech geklebt werden und an den Stellen, wo dann die Kunststoffdübel sitzen, nur jeweils ein Loch gepiekst und die Dübel dann durch die Folie gestoßen werden. Das hält dann für die Ewigkeit.

    • Sandmann sagt:

      Ay Oliver,

      inzwischen hat der V8 ein neues Heckblech und frischen Lack. Tom, der Retter aus Legan, hat auch diesen durchgerittenen Wagen noch (ein zweites Mal) gerettet. Ich weiß noch gar nicht wie ich das finden soll 😉 ich sehe mich schon wieder mit weichem Herzen und verheulten Augen in dem Wagen sitzen….
      Immer das gleiche.

      Sandmann

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