Es muss sehr komisch ausgesehen haben, damals, 1955, als Citroën den VGD vorstellte. Ein „Voiture a grande diffusion„, eine Karre für die breite Masse, stand da vor den Augen der spießigen Wirtschaftswunder-Bevölkerung. Es musste hier irgendwie gelandet sein, denn es passte nicht recht in diese Welt. Vorn breit, hinten schmal, extrem tropfenförmig und randvoll mit frischen Ideen aus der Zukunft. Es war eine Zeit, in der Citroën noch keinen blankgelutschten europäischen Plastikmüll produzierte. Wo die Ingenieure noch mutig Technik von übermorgen auf die experimentierfreudigen Käufer von gestern losließen, und wo man in Frankreich noch ganz tief in die Trickkiste der schrulligen Extravaganz gegriffen hat. Dieses Experiment hat sich immerhin knapp 1,5 Millionen mal an Menschen verkauft, die irgendwie anders waren. Und die Formen lieben. Mein Freund Ørg ist einer davon.
Ach bitte, steigen Sie doch ein.
Auf dem Weg in die kleine Werkstatt belästigen mich unzählige knubbelig-winzige Designkatastrophen. Der automobile Auswurf der Abwrackprämie spült durch die Straßen wie kreativer Abfall in der Kloake der freien Marktwirtschaft. Während meine Augen und mein Verstand sich noch immer davon erholen wollen, bittet Ørg zum Gebet und gibt mir keine mentale Chance. Was ich hier sehe übersteigt meine persönliche Wahrnehmung, negiert alles, was ich normalerweise in Zusammenhang mit einem Auto bringen würde. Roter, neu gesattelter Plüsch, rote Schlingenware auf dem Boden und akribisch in Eigenarbeit mit originalen Stoffen neu bespannte Türpappen umgeben mich mit dem gemütlichen Charme von Omas Wohnzimmer. Ich bilde mir ein, es röche nach Kaffee und Keksen, und irgendwo in einer Ecke spielt ein altes Mittelwellenradio Klassic Hits im Deutschlandfunk. Jetzt bin auf einmal ich selbst das Alien in dieser Welt. Ich möchte hier wohnen!
Im Halbwissen der Stammtisch-Laberer wird die Göttin gern als zickig dargestellt. Der Motor gleiche einer Schlangengrube, das hydropneumatische Fahrwerk sei anfällig (und immer undicht) und das Blech roste schneller, als man schweißen könne. Verglichen mit einem mager ausgestatteten Golf IV mag das stimmen. Ørg kann darüber nur lachen. Das grundsolide Blech des Frankreich-Imports ist inzwischen mit einigen Hektolitern Hohlraumwachs für die Nachwelt gerettet. Die „Federkullern“, mit denen sich der Bolide in der Höhe absenken lässt und sich katzengleich auf den Boden legen kann, lassen sich genau so leicht tauschen wie herkömmliche Stoßdämpfer. Und der Motor – wo ist er eigentlich, hat Ørg ihn zu Wartungszwecken ausgebaut? Ach nein, da, ganz weit hinten unter der gewaltigen Motorhaube kauert das übersichtliche Vierzylinderchen und schnurrt wie eine Nähmaschine von Opel. Überall ist gutes Rankommen, ungewohnt sind lediglich die gefühlt mehreren Meter zwischen Triebwerk und vorderer Stoßstange. Hier passt noch einmal ein kompletter Chevy Matiz rein, als Beiboot sozusagen.
Eine Formensprache, die auch 50 Jahre später noch immer sprachlos macht. Mit Seitenteilen, die sich mittels zweier kleiner Schrauben am Heck komplett entfernen lassen! Mit einem abschraubbaren Dach!! Mit vier holmlosen Türen!!! Der Volksmund hat es damals schon erkannt, und Citroën reagierte mit dem Wortspiel DS (gleich der „Göttin“ déesse). Bei der heutigen Vollabnahme wurden sich die Sekretärin und der Prüfer anfangs nicht einig, wer sich denn zuerst reinsetzen dürfe. Aber das ist eine andere Geschichte. In dieser Woche erntet Ørg die süßen Früchte jahrelanger Arbeit: Das begehrte H-Kennzeichen. Es bescheinigt Autos, die älter sind als 30 Jahre, einen zeitgenössischen originalen Zustand. Hierbei geht es weniger um wattestäbchen-gepflegte Zustand-1-Klassiker, sondern um die schlichte erhaltenswerte Originalität. Und ein bisschen gesunde Patina steht jedem Alltags-Oldtimer (und auch seinen Fahrern) meiner Meinung nach hervorragend! Der erste Test kommt am bald. Ørg und ich fahren mit der DS und meinem V8 für eine Woche an die dänische Westküste. Das bekommen Sie natürlich hier zu lesen 🙂
Sandmann
Moin,
vor allem mehr Bilder von diesem genialen Traumwagen!!
Himmel, ich liebe den DS!!!
Touranus
Ja,
das ist schon ein Traumwägelchen… Mehr Bilder kommen jetzt mit den Urlaubs-Blogs 🙂 Auch wenn die schon wieder 2 Jahre alt sind, ich bündel gerade meine gesammelten Werke hier in Sandmanns Welt.
Nur mal so am Rande, weil du ja auf der Suche nach einem neuen Auto bist… du bekommst großartige DS für weit unter 10.000 Euro…
Sandmann
Für weit unter 10.000 Euro… äh….ja… *räusper*
Nun ja, ich werde mal etwas Zeit im Internet in den DS Foren verbringen und dann mal schauen, wie übersichtlich das Risiko mit einer Göttin noch weiter unter 10.000 Euro ist.. 😉
Mist! JETZT hab ich echt einen Floh im Kopf….. Stilechter gehts eigentlich ja gar nicht. Ich muss da mal etwas besprechen…. 🙂
AAAHHHH was hab ich GETAN!!! 😀
Tipp vorweg: Das Auto ist so oder so sehr alt, da ist IMMER was dran zu schrauben. Es gibt alle Teile, die Technik ist überschaubar. Setz dich doch mal mit Örg in Verbindung, der hat den seit einem Jahr still gelegt, kann dir aber bestimmt ne Menge drüber erzählen.
Hm.
Wie stelle ich denn da mal einen Kontakt her, das ist ja schon schwierig, den überhaupt telefonisch zu erreichen… *grübel*
Sandmann
Ich schließ mich Touranus an, ich will auch so einen Citroen! Und wie kriegst du diese Punkte über das E???
Abel
🙂
Dann mal auf auf zum Göttinnenkauf! Die Punkte über dem E bekommst du in jeder ordinären Symbolschriftart… Genau wie das dänische Ö! Zumindest… ähm… moment… in den Kommentaren geht das NICHT 🙂 Na dann.
Sandmann