Vor einer Handvoll Jahrzehnte kam ein Chevy Nova 1966 als harmloses Coupé auf die Welt. Nach der Jahrtausendwende transplantierten findige Schrauber nacheinander mehrere neue Herzen – eines größer als das andere. Heute steht der einstige Langweiler an der Startlinie der Viertelmeile und ist alles andere als harmlos -> Pomona. Das klingelt weihnachtlich in den Ohren derer, die a) sich nicht mit Serienlimousinen abgeben, b) Europa den automobilen Rücken gekehrt haben und c) an Motoren erfreuen, die von normal Sterblichen ehrfürchtig eher als Kraftwerke bezeichnet werden. 😎 Im beschaulichen Dornbirn wirkt der Dragster so deplatziert wie eine geladene Waffe auf dem Bundesparteitag der Grünen.
Drag Strip. Wer nicht so genau weiß, was das bedeutet und Autos mit einem zu großen Motor, der aus der Haube rausgucken muss, nur aus „Mad Max“ kennt: Das Ziel solch unterhaltsamer und in den USA sehr beliebter Veranstaltungen ist es, die Viertelmeile aus dem Stand verdammt schnell zu durchfahren. Ein wahnwitzig großer Motor genügt hier nicht allein, die Kraft muss (oder sollte zumindest) auch ohne nennenswerte Gefahr für Leib und Leben auf den Asphalt gebracht werden. Hierzu bedarf es verschiedener Umbauten und Verstärkungen der ursprünglichen Serienlimousine. Denn das Material leidet in den rund elf Sekunden (ohne Nitro), die als Marke angepeilt werden, erheblich.
*klick* Nachhilfe aus 😉
Während eines Familienurlaubes im sonnigen Kalifornien im Jahr 2009 kommt der Österreicher Robert Willinger mit seinem Clan auch in jenem Pomona vorbei und trifft ganz in der Nähe des berühmten Fairground auf Eric Brown, der sein Auto verkaufen will. Das klingt zunächst banal – die Welt ist randvoll mit Menschen, die ihr Auto verkaufen wollen. Aber die meisten davon kommen ja auch nicht aus Pomona. Der angebotene 66er Chevrolet Nova entstammte der „Second Generation“, die nur zwei Jahre gebaut wurde, und war nicht mehr… nun… ganz original. Brown hatte die Mittelklasse-Limousine in mehreren Jahren zu so einem Street-/Strip-Car umgebaut und schon kräftig auf dem Fairground eingeritten. Dort haben in kürzester Zeit allein bei diesem Chevy drei großvolumige Motoren der Reihe nach ihr Leben ausgehaucht. Trotzdem oder gerade deshalb hat der Wagen es damals auf das Titelblatt des „Chevy High Performance Magazine“ geschafft und wurde von den Lesern zu den Top-10-Cars des Jahres gewählt. Robert Willinger musste dieses Auto kaufen, es war genau sein Ding.
Letzte Feinjustierungen des Meisters am Triebwerk, während schon kubikmeterweise Luft verdichtet wird
Das eingebaute vierte Herz des Rennwagens beim Kauf war ein 408 cui Smallblock mit Dart-II-Köpfen und allerlei High-Performance-Teilen. Die Kraftübertragung besorgte ein 350er-Getriebe mit Reverse Shift Pattern, Manual Shift und Transbrake, was auf eine 9-Zoll-Ford-Hinterachse mit der Übersetzung 4.11 drückte. Diese Ausstattung – gestatten Sie mir diesen Vergleich – ist für Autosiasten ungefähr so reizvoll wie für Barbecuefreunde ein echter Weber-Grill im Garten. Alle anderen haben jetzt ein paar technische englische Begriffe gelesen und sollten mitnehmen: Geile Teile eingebaut. In Tschechien schaffte das Coupé mit dem Aggregat immerhin 12,3 Sekunden auf die Quartermile, auch wenn das noch nicht das Optimum darstellte. Im gleichen Jahr verteilte Herz Nummer vier – das eigentlich erst 200 Meilen runter haben sollte – auf dem Hockenheimring seine Kolben auf dem Acker. Adios. Alles vorbei.
Herz Nummer 5 sollte dann gleich ein wenig größer sein. In Florida trieb Willinger ein 598 cui-Triebwerk mit 14-71er-Kompressor auf und wurde sich mit dem Verkäufer per Mail einig. Das Geld wurde überwiesen, der Motor transportfertig gemacht – aber dann überlegte der Herr auf der anderen Seite des großen Teiches es sich in letzter Minute anders. Er gab sein Herz nicht her. Immerhin überwies er das Geld inklusive Spesen zurück, und die Sache war erledigt. Nummer 5 lebt, aber nicht in dem Chevy Nova.
Sachliches Renncockpit. Kein überflüssiger Schnickschnack, der Pilot kennt jeden einzelnen Schalter
9,4 Liter Hubraum sind waffenscheinpflichtig!
Genug gepokert. Robert Willinger entschied sich, den nächsten Motor lieber selbst abzuholen und wurde ausgerechnet in Las Vegas fündig. Eine (achtung, die englischen Wörter gehen nochmal los) 572 cui-Scott-Shafiroff-Engine mit 10-71er-Kompressor, Intercooler, Dart-II-Aluköpfen, Roller-Kipphebeln und, und, und… Das sollte Herz Nummer 6 werden, und er transportierte ihn vorsichtshalber mit einem gemieteten Chevy-Pick-up-Truck selbst direkt von der Wüste zum Schiff. Im schönen Österreich angekommen besorgte der enthusiastische Schrauber noch ein Powerglide-2-Speed-Getriebe aus der Drag-Abteilung, getestet bis 1.500 PS. Das sollte genügen. Um Ihnen auch für diese Kombination noch eine Metapher zu geben: Der Weber-Grill steht im Kofferraum des Urquattros, und Walter Röhrl wendet selbst die Würste…
Damit der reaktorähnliche Powerklotz überhaupt in dem amerikanischen Mittelklassewagen Platz fand, musste der gesamte Vorderwagen neu aufgebaut werden. Und wenn man schon mal dabei war konnte man auch gleich Innenraum und Unterboden blank schleifen und neu lackieren. Die Hinterachse wurde in ein Chris-Alston-Chassis eingepasst, der Unterboden erhielt weitere Verstärkungen. Jeden Montag und Donnerstag sowie an ungezählten Wochenenden komplettierte Willinger mit seinem Kumpel Gerhard Svetina den schnellen Brenner, der Lack wurde von der Firma Autolackprofi und die Lackierung selbst von Dave Design gestellt. Im August 2011 drehte sich der Zündschlüssel unter meisterhafter Aufsicht in der US-Garage Engler das erste Mal.
Rennaccessoires statt Kofferraum. Und der nächste Rod wartet schon ungeduldig
Mit nur geringer Leistung und noch nicht optimal eingestellter Einspritzanlage gelangen beim ersten Lauf im Tessin bereits 11,7 Sekunden.
Da geht noch was. Und das wird einem erst so richtig klar, wenn man direkt vor diesem Auto steht. Einen Rückwärtsgang gibt es nicht, dafür ist die Rakete nicht gebaut worden, also schieben wir ihn aus der Halle ins Freie und lassen die Mittagssonne im Chrom aufblitzen. Die Haube ist gleich ganz weggelassen worden, der Block ist einfach zu mächtig. Vorn liegt ein breiter Riemen über den Rollen, irgendwie lose, als wolle er das Schwungrad einer altertümlichen Dampfmaschine antreiben. Zwei bullige Luftklappen thronen auf dem Kunstwerk, jede einzelne groß genug, um einen Dackel vom Zebrastreifen zu saugen. Der Rest ist Kraft und Klang. Willinger schält sich am Stahlbügel vorbei auf den Fahrersitz, kippt ein paar Schalter, wartet ein bisschen und lässt den Donnergott Thor frei. Er steigt wieder aus und stellt am gierig saugenden und störrisch laufenden Gewittergeballer noch ein paar Schrauben ein. Standgas mag der Motor nicht, er ist für Vollgas gebaut worden…
Pin-ups, Power und Titelbilder – der freundliche, zurückhaltende Robert Willinger lebt seinen Stil konsequent von a bis z
Und ich konnte Willinger überreden, den Chevy einmal über die Straße zu jagen, nicht zu schnell, nicht zu langsam – genau in der richtigen Geschwindigkeit, um einen kleinen Eindruck von der geballten Macht dieses Wagens zu bekommen. Zufrieden lächelnd lässt der Experte das Exponat wieder vorwärts zurück in die saubere Halle bullern und holt noch zwei Kaffees. Er freut sich schon auf die nächste große Veranstaltung in seinem Namen hier in Dornbirn, wo Besucher alle diese verrückten Autos bewundern können.
1966er Chevrolet Nova Coupé |
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Motor: | V8 Scott Shafiroff |
Hubraum: | 9.400 ccm (572 cui) |
Leistung: | ca. 1.200 PS |
Beschleunigung 0-180 km/h (1/8 Meile): | 6,5 s |
Getriebe: | Powerglide 2-Speed |
Bremsen: | Wilwood Disk Brakes |
Reifen: | 28×13,5×15 hinten, 165×15 vorn |
Länge: | 4.648 mm |
Breite: | 1.775 mm |
Höhe: | 1.435 mm |
Gewicht (ursprünglich): | 1.300 kg |
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Sandmann
herrlich… und ich bin in der Lage solche Hubraummonster einmal im Jahr bei mir um die Ecke in Aktion sehen zu duerfen, beim http://www.jade-race.de 😉
Ay Sammy,
krass 😀 Man wundert sich, wo die ganzen Verrückten eigentlich den lieben langen Tag so stecken….? Und ZACK sind sie auf einmal alle da! Schöne Veranstaltung, macht mich neugierig und ist nicht ganz so weit weg wie der Bodensee……
Dragster sind nicht so meins. Der Chevy war der pure Wahnsinn, ich bin fasziniert von der Technik und ich schätze mich glücklich, mal vor einem Auto niedergekniet zu haben, das so aussieht, als käme es direkt aus meinem Matchbox Koffer 😉 Dass sowas dann auch noch fährt ist schon schräg. Aber du weißt ja, ich bin mehr der entspannte Gleiter und lasse mich seit ein paar Jahren sogar von Smarts überholen, wenn die es eilig haben.
Jeder wie er meint…….
Sandmann
P.S.: Das Taxi läuft wieder!
es ist schon faszinierend dass solche Monster wirklich laufen, 8 Sekunden von 0 auf 250km/h sind da eher die Regel als die Ausnahme, VW-Kaefer mit Turbo-Wankel oder BMW E30 Touring mit Chevy-V8-Mittelmotor, unglaublich vielfaeltig die Fahrzeuge, der Deich als laengste Naturtribuene der Welt, aber nicht fuer mich als Rollstuhlfahrer, ich darf im inneren Kreis an der Burn-out-Linie stehen und zuschauen, bekomme dann den Gummi- und Ethanolgeruch 3 Tage nicht mehr aus der Nase 😉
und, achja, Jens, wir haben ein hundefreies Gaestezimmer 🙂
Hihi 😀
Danke für die freundliche Einladung, Sammy. Ich habe mir für 2014 so einiges vorgenommen, und da gehören definitiv auch Touren zu meinen Facebook-und-Blog-Homies dazu!
Was ich bei diesem Chevy so beeindruckend fand war der aggressive Nicht-Rundlauf der Maschine, an der Robert echt noch von Hand rumgedreht hat. Und vorn flatterten die Riemen, sowas geiles. Der will echt Vollgas, alles andere ist dem egal, da ist er muksch 🙂 Brutal.
Daimlerfehlersuchende Grüße
Sandmann
Ja wie, der Anlasser? Oder verstopfte Leitungen?
Unsere kleine rote Sau brauchte eine neue ZKD, ich liebe diese alten 90er Jahre Hobel, alles kein Drama. Selbst ein X14 XE ist ein Motor alter Schule!
Ay Bronx,
na ja, primär sprang er ja nicht oder nur sehr schlecht an. Woraufhin ich dann den erst zwei Jahre alten Anlasser kaputt georgelt hatte, das war ein Korea-Tauschteil. Das wurde dann zunächst zum primären Problem und ist jetzt behoben. Mit einem BOSCH in einer freien Werkstatt in Hamburg. Kosten: 3/4 vom Anschaffungspreis 🙁
In meiner Mittagspause fahre ich hier in Hamburg mal direkt zu Mercedes-Benz, Fehlerspeicher auslesen lassen und mal drübergucken und eingrenzen. Und dann wird das heile gemacht, bumms. Kein Bock, jetzt schon wieder ne andere Karre zu suchen.
Sandmann
Na dann hoffe ich mal, das die Sternen-Jünger auch fit im finden von Fehlern sind. Mit dem W 204 meines alten Herrn hab ich da nichts gutes erlebt. Das sind Teiletauscher, mehr nicht. Deren Einlassungen waren nicht im geringsten von Sachkenntnis getrübt! 🙄
Du solltest zu einer Taxi-Bude fahren, da hast Du Leute mit Herz und Händchen für alte Diesel.
Bronx
Ach ja, Korea-Tauschteil, wer bitte baut sowas ein? 🙁
Ay Bronx,
kurzes Update: Der Meister hat den Wagen zwar nicht mit rein genommen, sich aber ausführlich und lange mit mir unterhalten und auch die möglichen Schwachstellen, die schnell zu machen und nicht kostenintensiv sind aufgezeigt. Ich tausche jetzt zuerst die Glühkerzen (Stück 11,50 Euro direkt bei Mercedes, cool), die Kunststoff-Dieselleitungen rund um den Filten mit allen O-Ringen und die 10 Dichtungen an den Einspritzventilen aus. Das scheinen alles Klassiker zu sein, und die Teile waren preiswert.
Wenn das nicht hilft habe ich einen netten Kontakt zu einer „Taxibude“ in Hamburg bekommen, das wären dann die nächsten 🙂 Momentan springt er gut an und läuft auch sauber. Ich hasse sporadische Fehler……
Schönen 2. Advent
Sandmann
„Ich hasse sporadische Fehler……“
Da sagst Du was! Ebenso. Das mit den Glühstrümpfen mag wohl überfällig sein. Bei ex-Taxen häufiger, die werden ja nie kalt!
„(Stück 11,50 Euro direkt bei Mercedes, cool)“ Taxipreise halt. Sind es „schnelle“?
Machst Du selbst? An so einem geht das ja noch ohne viel Krampf. Viel Erfolg! 😉
Bronx
Euch auch einen angenehmen Advents-Abend.
Ay Bronx,
es gibt nur „schnelle“. Der Mann am Tresen war selbst erstaunt über den kleinen Preis, ab dem CDI Motor wird es wohl eine Schippe teurer…..
Ich werde die Tage mal ordentlich Caramba in die Gewinde laufen lassen. Man liest viel von abgerissenen Kerzen… 🙁 Und – einen 12er Steckschlüssel LANG brauche ich auch noch.
Sandmann, gerade die Feuerzangenbowle geguckt habend 😀
Moin,
doch nicht etwa die UFA-Variante mit dem Reichszellerloid-schaffenden Heinz Rühmann?
Da hab ich mich schon als Bengel ausgekippt drüber. 😉
Momentan wirds ja wieder etwas wärmer, so das die Glühstrümpfe nicht so ackern müssen. Bei Deinem Treibsatz kommst Du ja einigermaßen heran. Mach das mal am T4 🙄
Ich drücke die Daumen, das nix abreisst!
Steckschlüssel *lang* ist unabdingbar!
Nagelnde Grüße vom Bullireiter . . 😀
. . . der seit gestern (!) endlich die Winterpuschen drauf hat . .