Das Ende der Unikate

Sie müssen jetzt ganz tapfer sein!

Wie mit dem Panzer drübergefahren!

Wie mit dem Panzer drübergefahren!

Zumindest, wenn Ihr Herz an altem Blech hängt, an Zeitgeschichte und unwiederbringlichem rollendem Kulturgut. Ich begebe mich übermorgen in die Nähe der afrikanischen Westküste, warum, das können Sie hier dann auch nachlesen… Und da habe ich mal in meinen alten Blogs gewildert und diese Geschichte gefunden. Die Meldung ist nicht neu, aber sie ist im Netz ein bisschen untergegangen. Im November 2006 überschlägt sich ein Autotransporter auf dem Weg von Cape Town nach Port Elisabeth in Südafrika. Das ist tragisch, aber passiert täglich. Die Nachricht bekommt erst jenen Gänsehautfaktor, wenn man sich anguckt, was der Transporter geladen hatte: Neun historische Unikate aus den Häusern Audi und Volkswagen, im Neuzustand oder besser. Der Lastwagen war im Auftrag von Volkswagen South Africa (VWSA) unterwegs. Ein schwarzer Tag!

SO sahen sie mal aus

SO sahen sie mal aus

Die altgedienten Kostbarkeiten befanden sich auf einer Ausstellung anlässlich des 55jährigen Bestehens von VWSA. Im festlichen Rahmen eines Mittagessens mit geladenen Gästen im Groote Schuur Manor House, einem altehrwürdigen Gebäude, das heute auch das Staatsoberhaupt der Republik Südafrika beherbergt, wurden sie vor dem Portal ausgestellt und konnten von der interessierten Öffentlichkeit hochglanzpoliert bestaunt werden. Autos, die jeder kennt. Die viele schon selbst besessen haben, oder ihre Väter oder Großväter. Klassiker wie du und ich. Das macht sie so liebenswert.

Einsteigen und losfahren

Einsteigen und losfahren

Afrika, denken Sie? Ja, Afrika. Volkswagen blickt in Südafrika auf eine lange Fertigungstradition zurück. Das Werk in Uitenhage beschäftigt aktuell 5600 Mitarbeiter. Die Zahl der exportierten Modelle liegt bei 40.000, die Gesamtproduktion sogar bei 100.000 Fahrzeugen im Jahr. Tendenz steigend. So wird hier seit 1978 der Golf 1 produziert, der unter dem Namen City Golf in nur leicht modifizierter Form noch immer neu zu kaufen ist. Außerdem produziert man hier noch den Golf 5 und verschiedene Fahrgestelle für Nutzfahrzeuge. Bei herrlich trockenem Klima bekommt der Begriff Rostvorsorge eine ganz neue Dimension 🙂

Der Stolz des deutschen Vorgartens

Der Stolz des deutschen Vorgartens

Die Liste der Fahrzeuge, die an jenem schicksalsschweren Dienstag für den Rücktransport verladen wurden, liest sich wie ein Wunschbrief an den automobilen Weihnachtsmann: Der letzte in Uitenhage gebaute VW Bus T3 von 2002, ein 1958er, ein 1959er und ein 1978er Käfer, ein Audi 90 von 1970, ein Audi 100 von 1973, ein 1975er Audi Coupé S und ein Passat von 1979! Man möchte sie anfassen, möchte sich reinsetzen und die haptischen Erfahrungen dieser kargen, puristischen automobilen Epoche erleben. Die liebevollen kleinen Details entdecken. Und den Geruch der alten Materialien inhalieren. Man möchte sie fahren uns deine eigene Freude mit den ganzen Leuten da draußen teilen!

Quasi das Genick gebrochen

Quasi das Genick gebrochen

Das wird Ihnen bei den hier gezeigten Autos allerdings nicht mehr gelingen. Jedenfalls nicht ohne ein Brecheisen. In der Nähe von Albertinia überschlägt sich der Autotransporter mehrfach. Die geladenen Fahrzeuge werden restlos zerstört, nach einer Begutachtung von Fachleuten wurde schnell klar, dass eine Restaurierung hier nicht möglich sei. Bill Stephens, der Communications Manager von VWSA, zeigte sich erschüttert. Neue Fahrzeuge hätten ersetzt werden können. Diese hier verunfallten Unikate jedoch markieren jeder einzelne für sich einen unwiederbringlichen Meilenstein in der Konzerngeschichte. Es fühlt sich für mich ein bisschen so an wie die Ermordung John Lennons. Danach kamen dann musikalische Höhenflüge wie Mr. President oder Dr. Alban.

Herbie geht in den Ruhestand

Herbie geht in den Ruhestand

Man könnte nun natürlich noch einmal viele Fragen diskutieren. Unter Oldtimerfreunden ist es eigentlich üblich, Überführungsfahrten wertvoller Autos entweder auf eigener Achse oder auf mehreren Transportern durchzuführen. Damit eben in genau diesem eingetretenen Fall das Risiko des Verlusts mehrerer Fahrzeugs minimiert werden kann. Zum Unfallhergang konnte ich im Netz leider noch immer keine Angaben finden, auch über den Fahrer des Transporters und seinen Zustand schweigt man sich aus. Gilt es also, die bittere Pille zu schlucken, noch einmal inne halten und über das eigene Kleinod draußen in der Garage zu streicheln. Und lebewohl zu sagen.

Sie wirken sehr geknickt...

Sie wirken sehr geknickt...

Das Museum versucht seit dem, vergleichbare Fahrzeuge in der ganzen Welt aufzutreiben, zu restaurieren und die leeren Plätze bestmöglich zu ersetzen. Auch will man aus dem großen, eingelagerten Bestand weitere Modelle ans Tageslicht holen. Eigentlich… eiiiiigentlich sind es ja auch nur Autos. Beulen kann man verschmerzen, Blech ist irgendwie ersetzbar. Aber der eine oder andere unter Ihnen wird nachempfinden können, was in mir beim Betrachten der Fotos vorgegangen ist. Etwas irgendwie friedliches, wunderschönes ist für immer zerstört worden. In den verzweifelten, unschuldigen Blicken der Wracks kann man sehen, dass sie es nicht verdient hatten…

Sandmann

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

14 Antworten zu Das Ende der Unikate

  1. calimero sagt:

    Tach Sandmann,
    mir tränen regelrecht die Augen. Man sollte sich so einen Klassiker in den Alltag stellen, so lange das überhaupt noch geht. Puh.
    Abel

  2. Markus1975 sagt:

    ^Hey Jens

    Ich erinnere mich. Ich war damals wirklich geschockt. NEIN!!! und dabei Haare gerauft. Die Frage die damals im Raum stand, war ja die, was mit dem kläglichen Rest passiert ist. Diesbezüglich hatte ich ja damals rumtelephoniert. Allerdings hatte ich leider keinerlei Rückaktion der Gegenseite von Audi erhalten. Schade eigentlich. Dabei waren wirklich alle zuvorkommend und nett.
    Erschreckend war nur, daß einige Leute die mit diesen Oldtimern zu tun haben, von diesen Unfall erst durch mich erfahren haben. Au backe

    V8 mäßige Grüße

    Markus der jetzt um altes Blech trauert und ein Bier trinkt
    (Habe seit um zehn Feierabend 😉 )

    • Sandmann sagt:

      Ay Markus,

      stimm, du hattest da mit ein paar Leuten gesprochen…
      Na ja, Volkswagen ist ein derart gewaltiger Konzern, da ist es schon nachvollziehbar, dass Wolfsburg nicht immer weiß, was in Afrika passiert. Sind ja nur „alte Autos“, nicht jeder hängt so am Blech wie wir hier 😉

      Dieses kleine, spanische Eiland, auf dem ich mich derzeit motorisiert bewege scheint nicht viele Oldtimer zu beherbergen. Dafür kostet hier aber Super auch nur 96 Cent. Nicht zu fassen…

      Sandmann

  3. bycan sagt:

    Hallo sandmann,

    da scrolle ich die Seite und lese und…. entdecke doch tatsächlich ein Foto von Herbie unter den Opfern. Plötzlich erhält das ganze eine menschliche Komponente, ich werde ganz still und denke für einen Moment an die Autos die nie mehr so sein werden wie früher.

    • Sandmann sagt:

      Ay bycan,

      GENAU bei dem Bild habe ich auch geschluckt. Herbie, und später auch Dudu 🙂 waren meine Kindheitsautos. Irgendwie glaube ich, dass dieser Käfer sich weh getan hat. Bescheuert, oder?

      Sandmann

  4. El Gigante sagt:

    Au Backe, das tut weh! 🙁

    • Sandmann sagt:

      Besonders um das Coupé S trauere ich.
      Der Michi aus der Schweiz hat mir viele Bilder von einem einsamen, offenen Schrottplatz dort unten zukommen lassen, auf dem mindestens 5 davon einfach so verrotten. Aaaaaah!
      Aber na gut, ich kann weder die Welt retten noch alle schönen Autos dieser Welt besitzen…

      Sandmann

      • Michi sagt:

        Hi Sandmann,

        nö, ick war dat nich… das mit den Coupés. Ich denke, Du hast die Bilder von Herrn H.(eilige Hallen). Die Bilder kann man übrigens auch auf seiner Homepage sehen (für diejenigen, die’s interessiert).

        Ich muss sagen, mir machen die dahinsiechenden Typ 43 200er mehr zu schaffen als die Coupé S, aber es sieht schon furchtbar aus…

        Liebgruss,
        Michi

        • Sandmann sagt:

          Oh ups. Ja. Sorry, natürlich war es STEFAN H. der mir die Bilder geschickt hat!!! 😉 Wie peinlich. Aber ihr redet da ja auch alle gleich…

          Den 200er fand ich schon immer ein bisschen ZU kantig, das Coupé ist das erste Auto meiner Kindheit… von daher… ich MUSS irgendwann mal eins haben, besitzen, im Alltag fahren. Da würde ich eine Menge für geben…

          Sandmann

  5. Markus1975 sagt:

    Ay Jens

    Ich werde bekloppt!!!!! Nicht nur das der Sprit dort so günstig ist…nein! Ich muß hier lesen das da igendwo in der Walachei fünf schöne Autos verrotten. Und da waren sie meine drei Probleme: Zeit, Geld und Platz. 😉
    Aber wie Du schon geschrieben hast. Man kann die Welt nicht retten und schon gar nicht alle schönen Autos. Aber wenigstens einen schönen Autowagen. Der wird gehegt und gepflegt. Ich will einmal hoffen, daß morgen die NGK Zündkerzen kommen. Und rein damit!

    V8 mäßige Grüße

    Markus der neidisch auf die paar Cent ist

    • Sandmann sagt:

      Ay Markus,

      da verrotten noch wesentlich mehr als fünf schöne Autos, das sind ja nur die Audi Coupés! Aaaah. Na egal.
      Ich bin wieder in München gelandet und werde nachher bis Hamburg weiterfliegen, mit einem Haufen Bildern im Gepäck von NEUEN schönen Autos 🙂

      Sandmann

  6. calimero sagt:

    Tach Sandmann,

    dann bin ich mal sehr gespannt auf die Bilder von den verrottenden Coupes! Kann man die denn nicht irgendwie retten?
    Abel

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