Irgendwas ist ja immer.
Ich pflege eine tiefe, emotionale Beziehung zur Musik. Zur Musik im Auto. Ich bin es gewohnt, mich gerade während längerer Touren von sanften Klängen umschmeicheln zu lassen, das sind meine Auszeiten, die ich mir ansonsten selten leiste. Meine langjährige Liebe ist das 18 Jahre alte, mit vier aktiven digitalen Endstufen ausgestattete Bose Soundsystem in meinem Audi V8. Eine akustische Premium-Lady, ausgereift und welterfahren. Nun – die wunderbarsten, emotionalsten Partnerschaften zerbrechen überraschend an Kleinigkeiten. Ich bemerke, dass der haptisch aufregende, dicke An/Aus Knopf am Gerät sich zwar dreht… aber nichts mehr anmacht. Die Luft ist raus. *knack* bsssssss und goldene Ruhe. Hilfe! Und was jetzt? Singen?? Nein. Was mache ich bloß? Bose ging von mir, unerwartet, völlig unvorbereitet, und hinterlässt den schalen Geschmack von Trennung und Einsamkeit.
Zeiten der Entbehrung!
Bei zwischenmenschlichen Beziehungen merkt Mann immer erst, was ihm fehlt, wenn es nicht mehr da ist. Und dann vermisst er es. Schmerzlich. In der ersten Phase direkt nach der Trennung überwiegen Trauer und Selbstmitleid, wo einst der gemeinsame Alltag stattfand, gähnt nun ein tiefes, schwarzes Loch. Dieses Loch versucht Mann mit allerhand Provisorien zu füllen, um sich zu trösten, um weiterzumachen, um klar zu kommen. Manches lässt sich vielleicht kitten, und bevor ich nun in Tränen ausbreche bemühe ich mich um Ersatz. Aber kann ich meine musikalische Liebe bis zur Klärung der Differenzen nicht einfach durch ein Sprungbrett, ein anderes Gerät, ersetzen. Da gibt es zu viele Inkompatibilitäten, das membranisierte Umfeld verträgt sich nicht mit jedem Herzstück. Können Sie mir noch folgen?
Ich will und kann aber nicht alleine sein! Nicht ohne Musik. Ich muss mich irgendwie ablenken, irgendwie über die Trennung hinweg heben, irgendwie akustisch berieseln lassen. Lisa kann so etwas. Lisa ist die weibliche Sprechstimme meines hoffnungslos veralteten Navigationssystems. Ich bin ja so glücklich, dass ich mir damals vom Media Markt Verkäufer die dicke, vollgestopfte Variante Go 720 habe aufschwatzen lassen, mit Bluetooth, TMC und… MP3-Player. Oh Lisa. Sonst hörst du mir immer geduldig zu, akzeptierst meine Wünsche und zeigst mir, wo es lang geht. Heute möchte ich, dass du mir etwas vorsingst. Bitte tu‘ das nur für mich.
Wir müssen uns mit deiner Vergangenheit beschäftigen, Lisa, mit einer Zeit, als ich aus irgendwelchen Gründen Musik auf dein Gedächtnis kopiert habe. Denn irgendwo her musst du deine Melodien ja nehmen. Ich finde in deiner Erinnerung liebliche Weisen aus den Zeiten, wo ich mit dem K70 umhergefahren bin (denn da ist auch – noch – kein Radio drin). Udo Jürgens, Neue Deutsche Welle, ach manno, ach jeh, ja aber nein, hier finde ich noch die letzte CD von Selig. Auch was Deutsches, streckenweise erträglich. Und schon schreit mir Jan Plewka seinen Kummer durchs Auto, ich muss mich ein bisschen konzentrieren, damit ich bei der Bedienung nicht unachtsam meinem Vordermann auf den Kofferraum glitsche. Ist das nun die Lösung?
Bedingt. Vielleicht sind Sie auch jemand von der Sorte Mensch, der morgens von seinem begeistert vor sich hin scheppernden Radiowecker aus einem wunderschönen Traum gerissen wird? Vielleicht möchten Sie auch an jeder zweiten Bushaltestelle einem Grüppchen pubertierender Teenager ihre Frauenarzt und Bushido plärrenden Smartphones brutal in den Hals stopfen? Dann haben Sie auch noch eine Grundaffinität zu Klangvolumen und Bass, zwei Begriffe, die ein mobiles Navigationsgerät einfach nicht effektiv bedienen kann. Klar – meine Freundin Lisa hat einen FM-Transmitter und könnte die MP3-Musik zum Radio senden. Oder sie könnte sich über Bluetooth mit dem zentralen Soundsystem koppeln, und alles wäre gut. Das kann sie, die Gute. Leider beherrschte meine alternde Musikanlage diese aktuellen Pflichtübungen noch nicht einmal, wenn sie faktisch vorhanden wäre. Sie ist ja weg. Phase zwei tritt ein, Wut und Hass, gemischt mit einem Spritzer Entbehrung wegen fauler Kompromisse.
Der Welt da draußen entfliehen, sich einigeln und sich dem Rausch der Gefühle ergeben. So oder so ähnlich. Auch wenn es mir inzwischen gelungen ist, Notnagel Lisa mit ein wenig abwechslungsreicher(er) Musik zu umgarnen, bleibt der Tonfall unserer Konversationen eher kläglich und eintönig. Und das seit nunmehr drei Wochen. Variantenreich, wie eine Beziehung sein sollte, habe ich es mit Kopfhörern versucht. Aber das sieht nicht nur sehr speziell aus, das schottet mich auch während der Fahrt von allem anderen ab. Und immer hängt mir das Kabel beim Fahren in den Kaffee. Das mag ich nicht. Also lasse ich sie weiter heiser quaken und bin es langsam leid, ich möchte wieder eine richtige Beziehung zu einem richtigen Autoradio. Und keine halbgaren Sachen, aus dem Alter bin ich doch mit 39 so langsam raus.
Mir kommt eine grandiose Idee. Während Sie da draußen mit einem Strauß roter Rosen ihrer langjährigen Liebe ihre immer noch vorhandene Zuneigung erklären, könnte ich hier in Kiel es einfach mal mit einem neuen An/Aus Knopf versuchen. Der muss doch zu bekommen sein, und er wird nicht die Welt kosten. Und warum schreibe ich hier meine Alltagsleiden nieder, statt einfach einmal zum Telefon zu greifen und den Fachhändler in der Nähe von Kiel anzurufen? Ich weiß es nicht. Aber ich werde genau das gleich einmal machen, allein schon, damit dieses Loch, da, in meiner Mittelkonsole, wieder gefüllt werden kann. Wie ist das bei Ihnen? Hören Sie Musik im Auto? Oder Hörspiele? Gibt es welche hier, die vielleicht auch ganz ohne Radio auskommen?
Sandmann
Moin Jens,
jaaaaaaa, das kann ich SEHR gut verstehen!
Ich bin ja auch Zuhause extrem Hifi-vernarrt und spezialisiert auf die Restauration von Oldschool Geräten. Kompaktanlage? Kommt mir nicht ins Haus!
So auch beim Auto.
Ich habe schon früher immer komplette, selbstentworfene Anlagen in meine Autos gebaut. Nicht weil ich „sich selbst verstellende Außenspiegel“ cool finde, oder die Mädels an der Bushalte beeindrucken wollte, sondern weil ich auch im Auto ALLES hören will! Auch einen satten Bass bei geringen Lautstärken…. und die genialen Gitarren Riffs von Mark Knopfler…. Deshalb habe ich bei der Bestellung des Tourans auch das VÖLLIG ÜBERTEUERTE Soundsystem geordert. (Klingt zwar super, aber das bekommt man auch für deutlich UNTER 1000 Euro hin!!!!!)
Wobei ich mir vorstellen könnte, das der Sound Deines V8 auch ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann! 😉 Das hab ich aber leider nicht. (Mich umwabert jeden Tag ein Treckerähnliches Pumpe/Düse Nageln)
Lange Zeit habe ich mich auch gegen MP3 gesperrt. Das „Weglassen“ von akustischen Signalen geht in audiophilen Kreisen GAR NICHT! (Frag mal den Besitzer der „Heiligen Hallen“ ;-))
Aber mittlerweile ist das Komprimierungsverfahren so gut geworden, dass es einfach bequemer ist, sich für’s Auto ein par schöne USB Sticks fertig zu machen. Lange genug auf der NDW geritten? Kein Problem, Stick in den Lappi und schnell ’nen neuen Ordner angelegt. Dank meines neuen HP Schläppis ist das eine Sache von Minuten… Schöne neue Welt…..!? (In Erinnerung an mein 800 DM teures Sony Kassetten-autoradio und unzählige Stunden am heimischen Tapedeck….)
Zuhause darf es dann aber gerne wieder Vinyl auf dem guten Thorens sein. Dazu das Glas Rotwein…. hach… Ach ja, hier ging’s ja um Lala im Auto!
Musik MUSS sein. Und sie MUSS gut klingen. Auf langen Strecken sind dann die Hörbücher dran. Mit Harlan Coben oder Jeff Lindsay stört mich dann auch kein Stau auf der A7 während hunderte Kilometer langen Strecken. Aber dann bitte auch in der vernünftigen Klangvariante und nicht in Telefonhörerqualität von der „günstigsten“ http://www.audible.de Preiskategorie… (Darf ich die Seite hier eigentlich nennen? wenn nicht, bitte löschen).
So, mal wieder den Kommentar-Rahmen hier gesprengt… ich KANN mich einfach nicht kurz fassen! 🙂
Nun überleg ich noch mal kurz, ob ich meinen original Kommentar von damals unter Deinen „Aldi 80 Abschiedsbericht“ setze oder….. *grübel*
Gruß
Benny
Ay Ben,
oh ja, oh ja. Wobei ich nicht so HiFi verrückt bin wie manch anderer. Als ehemaliger Physiklehrer weiß ich schon seit einem Jahrzehnt, dass auch die alten Komprimierungsverfahren von MP3 eigentlich nur das abschneiden, was wir mit unseren grottigen Gehören ohnehin nicht wahrnehmen…
Trotzdem habe ich noch einen hochwertigen Plattenspieler, und letzte Woche habe ich mir sogar einen kleinen tragbaren aus den 60ern gekauft 😀 Klasse, ein echtes Schmuckstück…
Du darfst hier übrigens gern Links posten, nur bei mehr als drei Links in einem Post wirst du in den Spam geschoben, das habe ich so eingestellt…
So, und jetzt durchforste ich mal das Netz nach Radioersatzteilen…
Sandmann
Äääääähhhhhh…. nu hab ich lange überlegt, aber ich muss noch mal kurz den Klugscheißer spielen…
Typisch Physiklehrer!!!! 😉
Es lässt sich nicht alles, was Wahrnehmung betrifft, berechnen. Der theoretische Wert von 20 – 20.000Hz, die ein menschliches Gehör im IDEALFALL hören kann, sagt nix aus. Auch Töne, die nicht als Schwingungen „wahrgenommen“ werden, beinflussen unser Gehirn, bzw unsere Empfindungen. Nicht umsonst klingt analog „wärmer“ als digital. Deshalb gewannen die Pioneer CD Player mit Multilink-Technologie alle Vergleichstests. Sie berechneten obere und untere Frequenzen zu den auf CD gebrannten Daten hinzu und klangen einfach besser als die Konkurrenz….
Ich machs jetzt kurz und halt mich zurück… bei DEM Thema bin ich wie El, wenn es um den Umweltschutz geht. Nur das Hifi hier nicht hingehört… Obwohl der Sound Deines V8….. *seufz*
Benny
Jaaahaaaaa,
ich wäre ja auch eigentlich nicht ich, wenn ich mich ernsthaft über a) El Gigantes analoge Spiegelreflex auslassen würde (ich finde eine Digitalkamera schlicht praktischer) oder wenn ich das emotionale Empfinden von nicht hörbaren Ober- und Untertönen anzweifelte. Das stimmt wohl.
Der exessive HiFi-Purismus der Heimanlagen mit Verstärkern für 20.000 Euro und Boxen aus mundgedengeltem Wurzelholz ist mir im Preis/Leistungsverhältnis einfach zu unangemessen. Wobei natürlich jeder machen kann, was er möchte. Aber ich denke, dass eine sehr hochwertige Heimanlage zwar besser klingt als meine 20 Jahre alte Komponentenkiste von JVC, aber nicht in dem Maße, in dem es der wesentlich höhere Preis meinen Ohren antun müsste.
Aber ich mag ja sowieso die Radios aus den 60ern am liebsten 🙂
Sandmann
Tach Alle miteinander,
ich darf mich auch diesem Thema nicht entziehen.
Musik im Auto ist, für mich zumindest, das wichtigste Entertainment das es gibt!
Ich habe mir nicht umsonst für meinen Smart das große Soundsystem nachträglich eingebaut (was für ein rumgefummel. Ob ich das nochmal machen würde…. Ich glaub schon!)
Ich durfte mir von meinem neuen Arbeitgeber ein neues Auto bestellen und da ist natürlich gleich vorgesorgt worden: B&O Anlage mit allem was das Männerherz so begehrt. Alles selbstredend in einem Audi verpackt versteht sich. Im Januar kann ich das gute Stück in Neckarsulm abholen. Ich freu mir jetzt schon einen Mixer ans Bein!
Grüße aus Stutensee
Ay Mumpitz,
tja, was mal BOSE war ist nun B&O, angeblich nicht zum Schlechtesten. Fein finde ich die Hochtöner, die erst rauskommen, wenn man die Anlage anmacht 🙂 Auf so etwas stehe ich ganz extrem…
Entertainment im Auto hat ja heute sowieso einen viel höheren Stellenwert als noch vor 10 Jahren. Heute hast du ja komplette Heimkino-Surroundsysteme in den Mittelkonsolen, mit Handykoppelung, Internet und was weiß ich. Interessant, dass die Bedienung dieser Kisten während der Fahrt uneingeschränkt erlaubt ist, während man Ärger bekommt, weil man (trotz Blick nach vorn) ein Handy am Ohr hat…
In einen Smart passt ein Soundsystem rein? Anstelle des Beifahrersitzes??? 😉 Sorry, der musste kurz sein. Schönes Wochenende!
Sandmann
Hallo Sandmann,
Statt dem Beifahrersitz……. Mal drüber nachdenken. Glaub das wird nix. Da bekomm ich Ärger mit meiner Regierung (Frau).
Das Soundsystem besteht im Einzelnen aus einem 2-Wegesystem für das Armaturenbrett. Die Tief-Mitteltöner sind in einem separaten Bassreflexgehäuse und die Hochtöner sitzen wie ein Pickel oben rechts wie links auf dem Dashboard. Im Beifahrer-Fußraum wo sonst der Styropor-Klotz über der Batterie prangert ist ein Aktiver Subwoofer (16er) in einem GFK-Gehäuse der Fa. HUB-Car verpflanzt. Ein toller Sound in so einem kleinen Auto. Aber in 3-4 Wochen steht Er (der Smart) zur Adoption frei. Dann darf sich ein anderer über das Raum- Verbrauchs- und Klangwunder erfreuen.
Zu deinen ausfahrbaren Hochtönern. Die gibt es nur in der Oberklasse. Da kostet das System aber auch gleich deutlich im 4-Stelligen Bereich.
Bei mir wird es ein A4. Aber auch eine super tolle Klang-Bühne. Vom Auto mal ganz abgesehen.
Grüße aus Stutensee
Ah. Ja, der neue A4.
Doch doch, den mag ich ganz gern… Und den gibt es auch schon mit B&O? Na da schau her 😉 Mehr Auto braucht auch eigentlich kein Mensch.
Und ich muss noch einmal erwähnen, dass ich noch immer keinen Smart gefahren bin. Vielleicht sollte ich das einfach mal machen, schließlich sage ich meinen Kindern ja auch immer, es muss alles einmal probiert werden, bevor das zickige „Mag ich NICHT!“ kommt 🙂
Sandmann
Ich habe das originale BOSE meines W202 C43 auch liebevoll instandgesetzt und restauriert. Was wurde ich dafür von der BumBum-Fraktion belächelt. Aber der Klang ist einfach einzigartig, mehr noch, bedenkt man, daß es sich halt ebenso um ein 18 1/2 Jahre altes Auto handelt. Dazu das originale Navi … I love it 😉
Ay Oliver,
ich habe bisher in allen Autos davor oder danach keinen vergleichbaren Klang gehabt. Mercedes klingt auch ohne BOSE ab Werk wirklich gut, und auch der Klang im XM war echt okay. Aber die vier BOSE Endstufen im V8 waren einfach „mein“ Sound. Fett, nicht so schepperig und richtig satt.
Könnte man sowas doch irgendwie in den Taunus bekommen….. 🙁
Sandmann