Von einem, der auszog, ein Billigauto zu er-fahren. Teil 1
Ay Gemeinde,
die Benzin- und Dieselpreise klettern von einem Hoch zum nächsten, Pendlerpauschalen werden gekippt und wieder eingeführt und wieder gekippt, der einfache deutsche Autofahrer im Euroland steht mehr denn je vor großen finanziellen Problemen. Wo kann man nun noch sparen? Bei ebay? Nein, die Zeiten sind vorbei. Bei Saturn? Nein, Geiz ist billig, ich bin doch nicht blöd und kauf euch das nicht ab. Bleibt nicht viel. Am Auto sparen? Warum kaufen sich neubaugebiets-annsässige Doppelhaushälftenbesitzer einen Neu- oder Jahreswagen? Weil sie Reparaturen fürchten. Und weil er in ihrem Carport besser aussieht als der des Nachbarn, der sich gestern den gleichen Carport gekauft hat. Aber haben Neuwagen denn unter dem Strich wirklich diesen Riesenvorteil? Legen Sie etwa mal eben 15.000,- Euros auf den Tresen? Wollen Sie sich die kommenden Jahre einen Autokredit ans Bein heften, wo doch die Finanzierung Ihrer Doppelhaushälfte noch bis 2042 läuft? Plus Carport?
Ich starte mutig den Selbstversuch und mache mich auf die Suche nach einem Alltagsauto für unter 700,- Euro.
Ein Audi soll es sein. Schuster, bleib bei deinen Zierleisten. Und zwar der erste vollverzinkte Audi 80, Typenbezeichnung B3, gebaut ab 1986 und somit schon wieder ein Youngtimer. Ich stürze mich in die Gebrauchtwagenbörsen!
Das gestaltet sich unentspannter als vermutet, denn die alten Audi 80 sind entweder völlig heruntergeritten, völlig überteuert oder völlig verkauft. Ein mit Baumharz verklebter 1.8S bei Eckernförde, Kühlwasser ist irgendwie nicht mehr da, Bremskraftverstärker ölverschmiert, das „bis heute lückenlose Scheckheft“ protokolliert seit dem Jahr 2000 immerhin die Ölwechsel, 355.000 Kilometer hat er runter und niemand weiß was von irgend einem irgendwann einmal stattgefundenen Zahnriemenwechsel, Schiebedach geht nicht auf… „Unter 850,- geht da GAR nichts, da können Sie gleich wieder fahren!“ Ich fahre gleich wieder.
Oder hier in Kiel: Top Zustand, wenig Ausstattung aber technisch einwandfrei. Der Top Zustand hat ein kleines Aber in Form von diversen Beulen und Kratzern, schlecht weggemachtem Rost (Rost? Ups?) und einem auf der ganzen Länge reingedrückten Seitenschweller. Umgerüstet von Automatik auf 4-Gang-Getriebe (Satan, weiche!) und seine Frau sei gerade zur Kur und wolle den eigentlich behalten, ob ich ihn nicht lieber mieten (mieten???) – MIETEN? – möchte? Nein, will ich nicht, aber ich biete Bargeld hier und jetzt, und das nicht zu knapp, weil ich das Weiß mag. „Ja… nee… dann fahren Sie ja heute damit noch rum, der ist ja noch zugelassen, meine Frau will das nicht, ich weiß nicht…“ Er will mich anrufen. Hat er bis heute nicht gemacht. Also ich nicht Weiß.
In Ribnitz-Damgarten erfreut ein alubefelgter Kamei-Design-verbastelter roter Vertreter der Gattung „Nicht meine Welt“ das Auge, hat keinen TÜV mehr, Handbremse zieht nicht, der Aschenbecher ist voller als technisch möglich, es stinkt und der Auspuff röhrt. Neee. „Am Preis können wir noch was machen, auf 900,- würde ich mich drücken lassen.“ Schönen Tag noch. Und das Spielchen spiele ich anschließend noch mit insgesamt 9 Anbietern und fast 700 Kilometern. Anstrengend.
Örg ruft mich an. Die Chefin einer Freundin habe da einen alten Audi 80 zu verkaufen, und er sei schwarz. Ja! Wohlige Wärme strömt durch meine Zuversichts-Synapsen. Meine große Tochter hat in den vergangenen Tagen ob der Wagenfarbe Bedenken angemeldet, dass ein ZU peinliches Auto in ihrer Peer-Group zu übelstem Geläster führen könnte. Und das ist schlimm für eine 12jährige. Ich telefoniere mit der Besitzerin, die ein anderes Auto geerbt hat, und lasse mir von einem kaputten Auspuff und neuen Reifen berichten. 5 Gänge, 2-Liter Maschine mit 113PS, das ist er, ich stecke Bargeld, Fotoapparat und den Örg ein und wir fahren in die Hansestadt Lübeck.
Himmel, ist der dreckig! So ein vernachlässigtes Auto habe ich seit der letzten Fahrt im Ford meines Arbeitskollegen nicht gesehen! Sand und Tannennadeln auf den Sitzen, in allen Sicken mucheln Blätter, Moos ist auf den Zierleisten, der Lack ist stumpf und zerkratzt. „Ich hatte keine Lust mehr, den sauber zu machen, das ist mir ein bisschen peinlich…“ Peinlich muss es nicht sein, drückt aber den Kaufpreis… Insgesamt ist der Zustand des Audis nach über 18 Jahren aber okay. Der Auspuff ist vor dem Kat und am Mitteltopf akustisch eindeutig durchgerostet, dafür sind Bremsen und Reifen aber gemacht worden. Eine Fensterkurbel ist abgebrochen, dafür geht das Schiebedach aber auf. Die Kühlwasseranzeige funktioniert nicht mehr, dafür ist der Tank noch halbvoll.
Nach einer Probefahrt durch Lübecks Vororte ist eigentlich alles klar, ich will dieses Auto haben. Er schaltet sich gut, der Motor dreht freudig hoch, die Bremsen sind einwandfrei. Örg findet hier und da Ölspuren und leicht wackelige Radlager… Die arme Frau, die selbst keine Ahnung von Technik hat, wirkt leicht erdrückt von Örgs und meiner üblichen Preisdrückerei, also bremsen wir uns ein wenig. Dienstag wolle jemand kommen und ihn nach Usbekistan exportieren, aber eigentlich wolle sie das nicht. Wieder so ein Was ist letzte Preis Händler. Wir diskutieren kurz über kaufmännische Sinnhaftigkeit, Zeitwert und Auspuffanlagen und werden uns noch auf der Straße über den Preis einig! Heissa!
Schon wieder unterschreibe ich einen Kaufvertrag, diesmal aber auf der Käuferseite. Spielt es irgend eine Rolle, dass heute Freitag, der dreizehnte ist? Egal, aber es macht sich gut in so einem Papier und ich schreibe es groß vor meine Unterschrift 🙂 Nach Erhalt der zwei Schlüssel schütteln wir uns die Hand. Ich habe ein Auto gekauft. Noch eins. Meine Nachbarn werden entzückt sein. Mit gemischten Gefühlen gleite ich in die alte Mittelklasse-Limousine, der momentan jede Erhabenheit abhanden gekommen ist. Das alte Grundig Casetten-Radio klingt ganz gut, ich habe nur leichte Probleme, die Sender anhand der UKW-Frequenzen zu identifizieren… RDS im Auto ist schon eine feine Erfindung. Örg bedeutet mir winkend, dass wir noch in Lübeck eine Tankstelle zum Anstoßen ansteuern sollten.
Wir nehmen die nächstbeste Aral. Im hauseigenen Supermarkt („Sagen Sie, kann ich hier auch Benzin kaufen?“ – „Warten Sie mal, ich muss nachfragen…“) erwerben mein Lieblings-Comiczeichner und ich zwei Flaschen Flens, stoßen unter Männerfreunden auf das neue Auto an und verbeulen mit den ersten obligatorischen Motorhaubenbildern umgehend die selbe. Ich bin mir sicher, dass man mit ein bisschen Teppich- und Lackreiniger aus dem Audi wieder einen schönen, zuverlässigen Alltags-Youngtimer machen kann. Schließlich soll er auch einem allgemeinen Ästhetikempfinden genügen. Na, da habe ich ja noch viel Reinigungsarbeit zu erledigen…
Bevor die Community das Lästern beginnt: Der Neuerwerb soll nur befristet laufen und steht neben dem V8 auf der Straße, beide sind zugelassen, ich habe den acht Zylindern nicht den Rücken gekehrt! Aber ich blühe regelrecht auf, wenn ich alte Autos kaufe. Andere gehen dafür zum Therapeuten, da geht bei mir das Sparen schon los…
Was glauben Sie? Taugt so ein Audi 80 zum Sparen? Trauen Sie ihm und mir die kommenden 5000 Kilometer zu? Bewegen Sie auch so ein Aldi-Auto im Alltag? Fragen Sie den Frosch. Ich werde umfassend berichten…
Sandmann
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Was hatte er eigentlich damals gekostet, der Aldi-80?
Ay daemonarch,
ich konnte den Preis auf das von mir gesetzte Limit drücken 🙂 Sie wollte eigentlich erheblich mehr haben, aber Örg und ich sind da anscheinen ein gutes Team. So wie damals, 2001, der Audi V8 sollte als 8-Jähriger, mit nagelneuem Motor und fast Vollausstattung 16800DM kosten. Ein sehr angebrachter Preis. Mitgenommen haben wir ihn für 6000DM und eine Kiste Bier.
Hm.
Ich glaube, danach haben sich der Vorbesitzer und seine Frau getrennt…
Sandmann