Mann, war ich lange nicht mehr hier!
Warum auch? Für den Audi V8 gibt es keine Teile auf dem Schrott… verzeihung, beim zertifizierten Autoverwerter. „Schrott“ gibt es seit einigen Jahren nicht mehr, heute wird ja sogar aus Fäkalien Trinkwasser gewonnen. Für V8-Teile muss man das Internet oder die privaten Halden der Community durchforsten, was zumeist zeitaufwändig und teuer ist. Und auch nicht so viel Spaß macht wie das hier!! 😀 „Das hier“ ist in meinem Fall die Kieler Autoverwertung, inzwischen auch eine umzäunte Hochsicherheitsanlage mit Direktverkauf, aber noch immer auf Wunsch begehbar. Ich brauche, nein ich möchte gern einen Außentemperaturfühler für meinen alten Daimler. Und der soll hier irgendwo zu finden sein…
„Joah, gehn Sie mal, da stehen zwei drei rum. Wenn einer oben ist bitte nicht da drunter beim Auto auf die Motorhaube treten!“
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Ich fühle mich wie an Ostern und suche zwischen all diesen gestorbenen einstigen Neuwagen das Ei. Oder den Naschi. Na? Wo sind die Sterne? Ohne Werkzeug und nur sommerlich bekleidet genieße ich das volle Vertrauen des hiesigen Verantwortlichen, denn die Hamstermentalität ist erfahrungsgemäß hier in den stillen Reihen gut ausgeprägt…
Als autoaffiner Mann fühle ich mich in diesem rostigen Labyrinth fast wie früher auf den Touren durch die Sperrmüllgebiete. Damals dachte ich immer „Wow, das alles hier kannst du einfach so haben, wenn du willst!„. Sehr zum Leidwesen meiner Mutter, die meinem Müllsammeltrieb nicht immer positiv gegenüber stand. Aber hier ist das so ähnlich. Ein Selbstbedienungsladen, alles ist kaufbar, wenn auch nicht umsonst. Ich schleiche unangemessen gekleidet in guten Schuhen und mit Hemd um die nächste Ecke… und finde endlich einen! Er liegt auf dem Boden wie ein waidwundes Tier. Ich denke an SeineKleineSchwester und ihr Geocaching. Das ist ein bisschen wie eine Schatzsuche hier 😀
Halloooo? Lieber kleiner temperaturabhängiger Widerstand??? Sag mal PIIIEP! 🙂 Ich hör nix. Der kleine, zigarettengroße Fühler hängt an einem laaaangen Kabel, welches vom Sicherungskasten vor der Windschutzscheibe kommt und sich nach vorn hinter die Stoßstange windet. Wo man das gesuchte Teil dann auch finden kann. Wenn nicht jemand schon ein bisschen schneller gewesen wäre und den einfach abgeknippst hätte. Vandalen! Mit einer Minute mehr Geduld hätte man den Stecker im besagten Sicherungskasten abziehen und sich nervige Löterei unter freiem Himmel ersparen können. Schade. Aber wenn ich schon mal hier bin… Wie sieht es denn ansonsten in diesem erdrückten Mittelklasselimousinchen aus, vielleicht kann ich noch was anderes brauchen…?
Hier ein Schalterchen, dort ein Instrumentchen. Nicht, dass bei meinem alten W124 noch etwas anderes kaputt wäre außer diesem Thermometer und vielleicht dem Zündanlass-Schalter, den ich aber neu kaufen werde. Aber man kann ja mal schauen. Wegen dieses „kann ja mal“ stapeln sich in meiner Garage noch immer kartonweise Kippschalter aus Audi 100, Citroen XM und Audi A8. Die ich alle nie benötigt habe und die ich irgendwann mal wegwerfen werde. Aber Sie wissen ja, die Hamsternatur und der Sammler im Manne 🙂 Ernüchterung. In DIESEM Daimler werde ich nicht mehr fündig, hier sind nur noch Dinge, die entweder nie kaputt gehen oder sowieso schon fehlen. Und es hat auch reingeregnet. Bäh.
Da ist noch einer! Er steht ganz oben in luftiger Höhe auf einem Ford Transit, auf dessen Motorhaube ich demnach nicht treten soll, wenn ich mich recht entsinne. Und er hat auch noch ganz jungfräulich das gesuchte Fühlerchen hinter dem Nummernschildträger der vorderen Stoßstange. Großartig. Euphorisch grinsend und mit heldenhaften Findergefühlen bitte ich den Chefverwerter um einen kleinen Schraubendreher, mit dem sich das Ersatzteil bergen lässt. Ein fröhlich Liedlein auf den Lippen erklimme ich anschließend erst den Türgriff eines benachbarten Kleintransporters und stütze mich dann neben besagter Motorhaube mit den Füßen und dem Hintern in perfekter Schrauberposition ab. Die Welt ist nicht uninteressant von hier oben. Und ich habe mich nur ein ganz kleines bisschen schmutzig gemacht.
Üüüüüüber den Wolkeeeeen… muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Nicht ganz. Erste Grenzen erfahre ich beim Versuch, den problemlos abgeschraubten Fühler mit dem vorhin genannten laaangen Kabel durch alle Laschen und Ösen bis zum ebenfalls vorhin genannten Sicherungskasten zurück zu verfolgen. Aber es geht. Mit leicht akrobatischen Balanceakten über den Dächern der anderen Autos ziehe ich nach und nach das Kabel durch alle relevanten Durchlässe aus dem tiefen Schlund des Motorraums raus. An diesem Benz hier ist noch viel mehr dran als an seinem etwas tiefer liegenden Kumpel, aber ich brauche heute nicht mehr. Nur diesen Fühler und das Kabel, ja sag mal, ist das denn niemals zu Ende? *ruck* *rupf*
*ratsch* Verdammt. Na toll. Gefühlte drei Kilometer Kabel reißen kurz vorm Ziel direkt am Stecker im Sicherungskasten ab. Würde ich nicht so hoch oben zwischen wackeligen alten Autos klemmen, ich stampfte wie ein kleines Kind verärgert auf den Boden! 🙁 Aber der oberste Verwerter zeigt großes Mitleid ob meines genervten Blicks und überlässt mir mein Artefakt für einen schlanken Fünfer. Okay. Das ist ein guter Preis, das Neuteil kostet mehr als das zehnfache. Erneut ein Liedchen trällernd isoliere ich die Enden ab, dreh die beiden Kabel kurz zusammen – und habe wieder eine funktionierende Temperaturanzeige. So ziemlich das einzig digitale Instrument im Cockpit der Analog-Burg von 1988. So einfach kann autoschrauben also auch mal sein, sehr entspannend. Jetzt darf ich nur nicht vergessen, die Stelle vorm Winter sauber zu verlöten und mit Schrumpfschlauch zu versiegeln…
Ich mag Schrottplätze. Und Sie?
Sandmann
Jahaaaaaaa GEIL darauf habe ich schon bei der ersten Ankündigung auf Facebook gewartet! Coole Bilder 😀
Aber die Preise für Neuteile an deinem Stern sind doch auch nicht so schlimm, macht das da überhaupt Sinn auf den Schrottplatz zu gehen? Oder machst du das, weil du Spaß dran hast?
Abel
Ay Calimero,
na ja, ich habe in diesem Fall mit ein bisschen Kletterei über 60 Euro gespart. Und das Ding tut tadellos seinen Dienst 🙂
Verschleißteile hole ich mir immer grundsätzlich neu, das ist doch klar. Aber du hast schon recht, ich habe eine alte Leidenschaft wiederentdeckt. Schrottplätze. Und endlich fahre ich wieder ein Auto, für das man da auch noch Teile bekommt 😀 Sehr schön!
Sandmann
Na das ist doch dann trotzdem noch`n Erfolg geworden. Auch wenn Du es noch löten mußt. Die Bilder sind Spitze, besonders Bild 9! Ich hätte auch mit dem Fuß gestampft.
Zum anderen: es gibt für mich zwei Arten von Schrottplätzen, solche vom Schlage eines Messerli, wo die guten Stücke 40 Jahre und länger liegen und eben die, auf dem Du heute warst. Beide faszinieren auf ihre Art.
An Deinen Bildern sieht man die Schnellebigkeit unserer Zeit besonders gut. Diverse Polos 6N, Twingo, Octavia, sogar ein Omega B (ächz!). Diese Fahrzeuge sind allesamt jünger als die, die wir in unserer Familie bewegen. Schon witzig, oder eher traurig.
Beste Grüße, Bronx.
Ay Bronx, und willkommen in Sandmanns Welt 😀
Die Bilder habe ich alle wackelig mit meinem alten Handy gemacht, weil ich mal wieder den Fotoapparat vergessen hatte 🙂 Auf dem Platz liegen noch so einige Gebrauchs-Schätzchen rum, und immer wieder zwischendrin was Besonderes. Sogar ein XM V6 Pallas liegt da noch erdrückt auf dem Boden…
Wie du sagst, es ist ein „Gebrauchs-Schrotter“. Die Plätze mit den Sleeping Beauties wie in der Schweiz und überall sonst auf der Welt haben einen ganz anderen Charme, aber Teile liefern sie ja nicht wirklich 😉
Sandmann
Bester Sandmann,
Ja, ich, die Internet Null, habe mich endlich überwunden.
Ein XM V6 auf dem Schrottplatz ist eine Todsünde, ähnlich dem Senator B, den wir im Frühjahr beim Autodienst Süd in Berlin fanden. Neben einem Omega A mit 123000 Km auf der Rolle. Das ist übrigens der letzte in Berlin (von dem ich weiß) auf dem Du noch selber schrauben kannst. Bei uns hier in Brandenburg ist tote Hose. (Schrieb ich ja schon im Blog)
Der Messerli, den ich im Frühjahr 04 das erstemal sah, hat mich insofern berührt, als dass da die absoluten Traumwagen meiner Kindheit einfach da lagen und an denen fehlte nix. Das waren zum Beispiel, mein absoluter Favorit, der Mercedes Ponton, dann der 170V (ein Freund von mir fuhr den bis 86, in der „DDR“ üblich, ich hatte einen zweitaktenden P 50) sowie diverse Opelz. 59er Schlüsselloch-kapitän, P-2, der rasende Kofferraum, usw.
Nee, Teile liefert sowas nicht, ist aber ein guter Ort, sich innerlich wieder zu resetten.
In diesem Sinne, Bronx.
Ay Bronx,
jaaaa diese Orte, an denen man sich wieder resetten kann… Bei dir sind es diese Schrottplätze, bei mir ist es wahrscheinlich meine Heimatstadt Uelzen oder alles, was ich mit meiner Kindheit verbinde.
Hm.
Ich muss da mal wieder hin, glaube ich, die wissen da schon gar nicht mehr, wie ich aussehe und lesen von mir immer nur über das Netz 🙂 Das kann’s ja irgendwie auch nicht sein.
Nahe Kiel ist noch ein ECHTER Schrottplatz, mal sehen, was aus dem geworden ist…
Sandmann
Ja, so hat jeder seine Vergangenheit. Die Kasi-Geschichte (war es nicht UE als Kennzeichen ?) hat mich sehr berührt.
Nun aber, morgen gibts jede Menge zu tun.
Bronx.
Stimmt, morgen gibt es viel zu tun. Vor allem FRÜH. Ein Flieger, der um 6:00 Uhr abhebt mit entsprechendem Vorlauf 🙁 Ich steh um 4:00 Uhr auf…
Aber mich erwarten immerhin vier sonnige Kurzurlaubstage. Ein gutes Buch. Guter Wein. Und bei allem dabei eine tolle Frau 🙂
Schlaf gut.
Sandmann
Yay!
Gratuliere zur erfolgreichen Eroberung deines Fühlerchens!
Ich hab mich in meiner „Jugend“ auch gern auf Schro… Verwertungsfachbetrieben rumgetrieben, damals gab es selbst bei uns im Dorf noch zwei Stück, heute keinen mehr.
Damals hab ich mir noch ein komplettes Heckteil eines einser-Sciroccos vor Ort rausgeflext, und zuhause wieder reingebraten… Das waren noch Zeiten!
Ich seh‘ gerade, die haben ja sogar die Blinker aus den Benzen ausgebaut – lol, ich hatte damals zwei nachgebaute – wahrscheinlich aus China bei meinem Großdealer gekauft, für 9 Euro – Nagelneu, die haben 1a gepasst (ehrlich gesagt sogar irgendwie besser als die weißen originalblinker, die ich mir für meinen ersten Benz sauteuer zugelegt hatte)…
Hihi 🙂
Wer weiß, wann die Blinker ausgebaut wurden, das ist ja der Benz, der schon echt ziemlich gefleddert ist. Internet und Co. gibt es ja schon lange, aber noch nicht ewig. Und in den hinteren Reihen des Verwerters stehen die Autos bestimmt schon sehr lange…
Ich werde mich irgendwann mal in die Steuerkettenproblematik reinlesen, die sollen ja leichter zu wechseln sein als ein Zahnriemen, oder?
Sandmann
Du scheinst ja langsam eine latente Beschraubungssucht zu entwickeln, was???
Never change a running system, sollte die devise lauten, besonders bei „Winterautos“…
Was nicht akut Lärm macht, oder droht selbttätig das Auto zu verlassen, geht auch nicht kaputt!
Guck dir den Astra an, das nötigste wird gemacht, da geht auch nix kaputt, wenn ein Teil zuwendung braucht, wird es sich schon melden!
Ay daemonarch,
🙂 na ja da ist noch so ein kleiner Dämpfer vorn am Motor, nicht größer als ein Zeigefinger. Der macht Lärm und klappert auch, man kommt aber nicht gut ran. Verliere ich nun bald meinen Motor? 😉
Ich habe so einen kleinen Tick, mein Auto kann gern schabbelig aussehen – aber die Technik muss funktionieren. Na ja, er fährt ja…
Sandmann
Ave Sandmann,
Du hast noch A8 Teile, die Du wegwerfen willst?
Her damit *ganzlauthierschrei* 😀
Zum Thema Steuerkette:
ist ganz einfach; ein Glied (nur auf einer Seite) aufschneiden (Dremel), also eine 8 rausnehmen, da dann mit einem Ketteschloss die neue Kette anhängen und den Motor so lange durchdrehen, bis das Schloss wieder erscheint. Dann die alte Kette von dem Schloss abnehmen und das Ende der neuen Kette anhängen. Fertig! 😀
Da braucht man 2 Leute dazu, denn einer muß die rauslaufende Kette gespannt halten 😉
Das ist kein Hexenwerk und relativ schnell gemacht.
Viel Erfolg,
Howdy, Marlboroman
Noch ein kleiner Nachtrag: bitte beim wechseln der Steuerkette auch die Gleitschienen angucken und evtl. mitwechseln. Diese sind aus Kunststoff und können brüchig werden. Wenn sie brechen, können sich Bruchstücke zwischen Kette und Zahnrad schieben und größere Schäden hervorrufen ähnlich wie bei einem Riemenriss! Dazu den Stirndeckel entfernen.
Howdy
Marlboroman
Ay Großwohnmobilbesitzer,
das klingt tatsächlich einfach zu machen. Da werde ich mich vielleicht nochmal dransetzen, bevor der böse böse Winter kommt.
Von den Laufschienen hörte ich schon im Zusammenhang mit der Italienfahrt in der S-Klasse, du erinnerst dich?
https://www.sandmanns-welt.de/2-5-tonnen-in-italien-der-geist-der-mille-miglia/
Heute ist mal wieder ein kleiner Langstreckentag, Tag 1 nach meinem kleinen Urlaub und Tag X für alles andere. Aber das ist ebenfalls eine andere Geschichte. Wir lesen uns, ich will bestimmt noch ganz viel zum Benz wissen… 😉
Sandmann