Ay liebe Blog-Gemeinde,
der Mensch fährt gefühlsbetont durch sein Leben. Und nur wenige Wahrnehmungen reißen so sehr an unseren Empfindungen wie die Gerüche. So haben wir in grauer Vorzeit gelernt, das Aroma von Apfelsinen unerklärlicherweise mit Weihnachten in Verbindung zu bringen. Es blitzen Bilder von Exfreundinnen auf, die das gleiche Parfum wie die eben an uns vorbeigedrängelte junge Dame hatten. Schmorbraten-Schwaden im Treppenhaus geleiten uns zurück zu Mutti und ihrem köstlichen Sonntagsessen. Diese Serien lassen sich im Auto weiterführen, denn hier riecht es auch. Entweder von ganz alleine, oder vielleicht haben Sie auch ein bisschen nachgeholfen? Ich glaube, es ist noch niemand in meinen Audi eingestiegen, ohne sich verunsichert ein wenig umzusehen und dann zu sagen: „Sag mal… riecht das hier nicht irgendwie nach Vanille?“ Ja. Das tut es. Was wäre Ihnen lieber? Ich habe mit einer noch nicht belasteten Ecke meiner Nase einmal ein bisschen über ganz persönliche olfaktorische Wahrnehmungen nachgeschnuppert.
Die Mutter aller Düfte
Der klassische Wunderbaum ist wohl die Mutter aller automobilen Duftverbreiter. Es gibt ihn in allen Farben und damit verbundenen Früchten. Es muss irgendwann in der Mitte der 90er Jahre gewesen sein, als ich begann, mich für unvernünftige amerikanische Straßenkreuzer zu interessieren. Seinerzeit standen wahre Saurier für kleines Geld auf den Hinterhöfen der windigen Fähnchenhändler, die Preise wurden in Quadratmetern berechnet. Ich sehe mich noch in einen goldenen, stockfleckigen 1980er Chevy Caprice Classic Sedan hineingleiten. Er war innen feucht und leicht mulchig, aber es lag ein leicht süßlicher (nicht schimmeliger) Geruch über allem: Ein Vanille Wunderbaum. So einen musste ich haben. Beim Supermarkt meines Vertrauens im schönen Plön wurde ich damals fündig und habe seit dem schon etliche Bauformen und Hersteller durchprobiert. Man kann sie aufhängen, in die Lüftung stecken, auf das Armaturenbrett kleben, nachfüllen und was weiß ich noch alles. Aber für mich bitte immer Vanille. Da müssen meine Mitreisenden seit rund 15 Jahren durch.
Wir selber wollen doch auch nicht schlecht riechen. Ich habe neulich sogar ein V8-Deo entdeckt, nein, es riecht nicht nach herbem Motorenöl oder Gummiabrieb, sondern schlicht – nach Deo. Weder Fleisch noch Fisch, einfach Deo. So ein Auto wiederum hat, wie wir Menschen auch, einen Eigengeruch, der sich zusammensetzt aus den verbauten Materialien, den verwendeten Klebstoffen und noch einigen später mehr oder weniger freiwillig hinzugekommenen Komponenten. So riecht ein alter Ford immer ein bisschen nach Zigaretten und Kühlwasser. Probieren sie es aus, die riechen alle gleich! Ein in Ehren ergrauter alter Jaguar wird nach edlem Leder duften, was meinem V8 irgendwie nicht gelingen mag. Leder ist da, riecht aber nicht nach Leder. Auch nicht nach Vanille. Komisch. Wiederum: Raucherautos werden immer nach Rauch riechen, da können Sie noch so viel Febreeze oder wie das alles heißt hineinjauchen. Geruch lässt sich nicht mit noch mehr Geruch übertünchen, das hat man schon zu Zeiten des absolutistischen Sonnenkönigs Louis XIV erkennen müssen. Und das ist 300 Jahre her. Müssen es denn immer Wunderbäume sein, die den automobilen Eigengeruch bereichern? Nein.
Haben Sie einen Hund? Warum hängen Sie sich nicht einfach einmal ein getrocknetes Schweineohr an den Rückspiegel, man bekommt diese im gut sortierten Supermarkt oder in den gängigen Zoohandlungen. Eines kostet knapp 1,30 Euro, wenn Sie gleich fünf Stück in der praktischen Tragetüte erwerben, liegt der Sonderpreis bei 4,98 Euro. Niemand wird Sie jemals wieder auf den Vanillegeruch in Ihrem Auto ansprechen, und Ihr Hund wird Sie dankbarer als jemals zuvor anschmachten. Ich habe einen Hund. Und die treue Lady ist von dem neuen Wunderbaum begeistert. Weil sie weiß, dass sie ihn direkt nach dem Foto bekommt. Unterdess versuche ich seit dem, ihre sämtlichen vor lauter Freude verlorenen schwarzen Haare von der Fußmatte zu bürsten und die unzähligen Fliegen aus dem Innenraum zu vertreiben. Wenn Sie auf dem Weihnachtsmarkt Glühwein mit Knoblauch-Nuss-Aroma favorisieren, ist die Duftvariante „Schweineohr“ eine hervorragende Alternative für Sie. Ich persönlich tendiere zurück zum Vanillebaum.
Sie wollen menschlich bleiben? Was gibt denn ihr Kühlschrank so her? Mit der glücklichen Kombination aus belgischem Abteikäse und frischer Lyoner mit Champignons (gebacken) fährt der Frühstücker gut durch den Morgen. Nur noch zu toppen vom unvergleichlichen Aroma frisch gebackenen Brotes hängt eine olfaktorische Vergänglichkeit in den Rezeptoren, die jeden Arbeitsalltag zum Sonntag Morgen reifen lässt. Der Mensch kann rund 10.000 verschiedene Gerüche unterscheiden! Die Wurst am Spiegel bringt mich zurück zu Oma Neustadt und dem unvergleichlichen Abendbrot bei ihr, kurz bevor wir wieder nach Hause gefahren sind. Bestehend aus vorgeschnittenen Mischbrotscheiben, guter Butter und eben dieser „Pilzwurst„. Was für eine Köstlichkeit, auf immer in mein Gedächtnis eingebrannt. Aber wer will sich schon so doll vom Straßenverkehr ablenken lassen? Ich gebe die Wurstscheibe meinem Hund, der noch immer mit einer beeindruckenden Geräuschkulisse das Schweineohr dem Erdboden gleich macht und esse den Käse selbst. Hier sind noch immer viele Fliegen. Kann ich die mit Vanillearoma vertreiben?
Was, wenn alle Duftexperimente nicht den gewünschten Erfog erzielen? Wenn das Auto entweder nach getrockneten Tierkadavern, Abteikäse oder Pilzwurst riecht? Polsterreiniger und handelsübliche Geruchsbremsen versprechen nur kurzfristigen Erfolg. Vor vielen Jahren fragte ich einmal im Audiforum, was man denn machen könnte, wenn die eigene Tochter ihre schon verdaute Sprite und ihre Pommes aufgrund verschiedener ungünstig aufeinandertreffender Faktoren wieder – am abwischbaren Ledersitz vorbei – auf dem schwarzen Flauschteppich im hinteren Fußraum ablegt. Die Antwort war eindeutig: Kaffee! Kaffee bindet Gerüche zusammen mit der Feuchtigkeit. Außerdem passt Kaffee hervorragend in mein Frühstücksensemble mit der Wurst und dem Käse. Was ich damals nicht wusste: Wir sprechen von gemahlenem Kaffee! Ein Schälchen davon irgendwo im Auto versteckt und zwei Wochen stehen gelassen wirkt Wunder. Ich finde noch immer in irgendwelchen Ritzen meines Autos Kaffeebohnen von der damaligen Aktion, die unter anderem aus diesem Grund nicht wirklich erfolgreich war.
Das eine, was man will und das andere, was geht. Ich bin glücklich mit meinem leichten Vanillegeruch. Immerhin bin ich automobiler Nichtraucher. Die eine oder andere Feierabendzigarre oder den obligatorischen Werkstattzigarillo mit Örg rauche ich außerhalb meines Autos. Das riecht man sonst noch Tage danach. Was ist so schlimm an einem süßlichen Vanillegeruch? Wussten Sie, dass Vanille ein Aphrodisiakum ist? Ha! Mein persönlicher Blick in die Glaskugel der Zukunft: Ich werde vor dem bevorstehenden Südseecamp (das ist ein Auditreffen in Soltau am ersten Septemberwochenende) meine Ledersitze kräftig reinigen, einbalsamieren und pflegen. Außerdem die Teppiche ausbürsten und mit Teppichschaum behandeln. Schließlich möchte ich zwei Nächte in diesem Auto schlafen, und mein Bettchen soll doch gut riechen.
Was haben Sie so in Ihrem Auto hängen? Mögen Sie den Geruch von neuen Autos? Wie bekämpfen Sie unangenehme Dünste, haben Sie ein altes Rezept von Mutti? Teilen Sie es mir mit!
Sandmann
Irgendwie niedliches Thema… aber gut!
Dann will ich erzählen, dass mein Audi A2 innen nach Leder und ein ganz klein wenig nach Vanille riecht. Nach Leder, weil mein Fahrzeug über eine sogenannte „Vollaustattung“ verfügt – und dazu gehören natürlich auch Ledermöbel … aus rotem Perlnappa oder wie ich anzugeben pflege: rotes Elefantenpenishautleder… und das riecht man eben 🙂 wie es sich gehört.
Und es riecht nach Vanille, weil ich seit mehr als 10 Jahren zwei kleine Holzkugeln am Innenspiegel hängen habe, die regelmäßig in großen Abständen mit Vanilleöl getränkt werden. Ich finde, diese Kugeln haben etwas mehr Stil als diese häßlichen Bäume. Außerdem wähne ich im Vanilleöl weniger obskure Bestandteile als in den Stinkebäumen.
Mein K70 kommt ohne Fremdgeruch aus. Er riecht selbst etwas muffig, nach altem Gummi, alten Polstern, etwas Benzin und hin und wieder liegt, sehr beruhigend, der Duft von Fertan-Hohlraumversiegelung in der Luft. Neulich sagte mir mal jemand: „Ja – genau so roch unser K70 auch immer!“
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich neue französische Autos nicht riechen mag, auch neue Japaner riechen unangenehm. Neue deutsche Fahrzeuge riechen hingegen irgendwie designed – deren Geruchsdesigner haben offensichtlich meinen Geschmack getroffen… aber das ist sicherlich Ansichtssache.
El
Bester El,
sympathisch, dass dein Auto auch nach Vanille riecht. In meinem Audi ist das Bäumchen auch gut versteckt hinter der Sonnenblende (und den Bildern von meiner Liebsten, die da kleben 🙂 ).
Internationale Neuwagen habe ich lange nicht mehr von innen gerochen. Man müsste mal einen Geruchs-Blog machen, so mit olfaktorischen Erlebnisberichten! Gute Idee eigentlich.
Ein neuer Mercedes, das durfte ich ja nun in San Diego und auf Teneriffa erfahren, riecht auch nach Leder, irgendwie ein bisschen nach Metall und irgendwie hochwertig. Auch da bin ich bei dir.
Schnuppernde Grüße aus Saint Tropez
Saintmann
Pingback:Es riecht gar wunderBaumbar. › AUTO BILD-Blog
Hmm, in keinem meiner automobilen Schätzchen hàngt ein Duftuntensil. Ich bevorzuge sozusagen Wasser und Kernseife. Der goldene Volvo 244 stand, bevor er mir 2011 zulief , mehrere Jahre in einer Tiefgarage ubd so roch er innen etwas oll und stockug. Mit viel Lüften und feinstem Kaffeepulver aus meiner orangefarbenen elektrischen Kaffeemühle Krups 75 bekam ich den Geruch nach etwa 2 Monaten raus. Jetzt riecht er nach beigen Volvo-Edelvelours. Hmmm. Schön. Der W123 hat auf allen Sitzen maßgeschneiderte Echtlammfellbezüge in oliv. War damals das letzte Angebot einer Autolammfellfirma aus Bielefeld. Zwei Monate später machten sie zu. Schade. Der innenraum vom Benz riecht nach 33 Jahre alten Materialien, nach den Rips-Matten, dem Federkerngestühl (so wie Omas Cocktailsessel), ein warmer Geruch nach unbeschwerter Kindheit. Der blaue 944 Volvo? Auch schon 24 Jahre alt (mein Jüngster) ist halt der Alltagswagen.Der riecht so nach allem und je nachdem auch mal nach Mac, Kaffee, Rivella oder Motoröl. Hab auch schon mal nen nassen Hund dringehabt 🙁
Ay Martin,
ich sollte mal eine Geschichte über Autogerüche, also die NATÜRLICHEN, schreiben 🙂
Vor allem der warme Geruch nach Kindheit ist mir durchaus ein Begriff, immer wenn ich in meinen Audi steige. So ein alter Audi riecht immer wie ein alter Audi. Genau wie ein alter Ford immer wie ein alter Ford riecht (immer ein bisschen nach Kühlwasser…).
Bald sehen und rieche ich meinen Granada wieder. Ich bin ein bisschen aufgeregt…
Sandmann
Hey Sandmann,
Du wirst mir langsam unheimlich…
Dem unnachahmlichen Geruch alter Autos mit teils noch klassischeren Vorbesitzern (siehe Deine Typ 44-Erfahrungen!)begegne ich auch mit einem kleinen Vanille-Duftspender.
Aaaaber…im Sommer fahre ich ja einen VW Eos.
Und da kann ich mir diesen kleinen Seitenhieb einfach nicht verkneifen:
https://youtu.be/oX0CCkE5Z-A
Ay Micha 😀
na ja, in den acht Jahren seit dieser Geschichte bin ich ein wenig abgekommen von zu viel Wunderbaum. Der Taunus riecht nett nach altem Ford, und eine Zeit lang hatte ich sogar eine echte Vanilleschote in der Lüftung stecken 😉
Die wilden Kunst-Duft-Zeiten sind langsam vorbei…..
Aber einen EOS werde ich wohl in diesem Leben trotzdem nicht fahren. Ich mag irgendwie die Ganzdach-Cabriolets nicht so. Wenn schon Cabrio, dann auch Stoffdach. Finde ich. Und die drei Tage, an denen mal hier oben offen fahren könnte…….
😉
Sandmann