Heilige Hallen und ätherische Substanzen
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Wenn drei es tun, erleben sie ungleich mehr. Sollten Sie gerade erst dazu stoßen, können Sie die Vorgeschichte zur aktuellen Schweizlage nachlesen: Tag 1 und Tag 2 🙂 Mit viel Gelächter ob der durch meine bezaubernden Töchter neu kalibrierten Stimmen des mobilen Navigationsssystems und mit viel grüner Farbe im Gesicht, weil wir die serpentinenreichen Autobahnumgehungen benutzen müssen kommt das Sandmann-Trio gegen Mittag bei den heiligen Hallen des Stefan H. in der Nordschweiz an. Gerüchten zufolge gibt es zwei attraktive Neuzugänge im Fundus des Alte-Neuwagen-Sammlers. Und von weiter weg höre ich schon den Berg rufen, wir sollen zum abendlichen Käsefondue Hunger und Durst mitbringen. Das alles klingt nach guten Zeiten, und mal ehrlich, wer braucht die momentan nicht?…
Wem Herr H. noch kein Begriff ist, der bereite sich einmal HIER vor oder klicke unten auf meiner Seite den entsprechenden Link an.
Entschuldigen Sie die heilige Madonna, aber ich kann nicht anders. Vielleicht sind Sie ein bisschen so drauf wie meine beiden Töchter und haben mit alten, seltenen Autos nichts am Hut – aber dann sind Sie hier ohnehin irgendwie falsch, dann empfehle ich Ihnen die Seiten von RTL oder Pro7. 😀 Alle anderen fühlen sich bitte angesprochen, und Sie müssen nicht einmal eine wahnsinnig tiefe Autobegeisterung an den Tag legen, um die beiden Neuzugänge in Hintis Keller anzubeten. Jeder mit einem kleinen Knick im Kopf kann sich für alte Volvos begeistern, und hier ist einer von 1976! Ein klotziger, kantiger 244DL im unverbastelten Neuzustand, mit sagenhaften 48.000 Kilometern auf dem Schrankwand-Tacho! Der originale Lack auf den rostfreien Falznähten erinnert ein wenig an eine glänzende Rostschutz-Grundierung, das Interieur an ein aufgeräumtes Wohnzimmer am Sonntag Nachmittag bei Omi… sagenhaft. Saaaaagenhaft!
Diese Autos will niemand wirklich haben. Okay, Sie, Sie oder vielleicht SIE denken nun „Den würde ich sofort zulassen und fahren!„, aber Sie suchen nicht im Netz danach! Tun Sie nicht. Stefan macht das. Und kauft für kleines Geld. Und lässt sie zu und fährt sie. Das unterscheidet ihn von „uns“.
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Susi beschwerte sich auf Facebook über zu oft wiederkehrende gleiche Käsefondue-Rechauds, hier also einmal ein anderer 🙂 Aber zurück zu den Autos. Der Volvo ist in einem Traumzustand, und während meine beiden minderjährigen Mitfahrerinnen sich nun doch ein bisschen langweilen, erspähe ich aus dem Augenwinkel ein weiteres Fahrzeug, was ich hier im letzten Jahr noch nicht gesehen habe!
Ein Porsche? Ein Motorrad?? Ein kleiner Ami??? Von allem etwas. Ein Honda Prelude SN von 1980, also aus einer Zeit, wo die meisten Automarken den unbeholfenen Charme der 70er ablegten und zu irgendwelchen plastikbeklebten Zauberwürfel wurden. Die Japaner haben da ein bisschen länger für gebraucht. Ein Reiskocher aus den 70ern wirkt regelrecht antik, einer aus den 80 noch immer leicht hinterher hängend. Und bevor europäische Gedanken in die Kollegen aus Fernost eingezogen sind, bevor sie so etwas wie Marktführer und Pannenstatiskiksieger wurden, hat man eben noch weiter so gebaut, wie zu dieser Zeit eigentlich niemand mehr dachte. Anders irgendwie. Immer noch ein bisschen amerikanisch irgendwo. Und wo Honda draufstand, da war auch Honda drin!
Ein Raumwunder war er sicher nicht, der Prelude. Aber Stefan schwärmt von seinen Fahreigenschaften, von dem höchst agilen, quer eingebauten Motörchen, was an der halbautomatischen „Hondamatic“ zerrt. Die Gänge müssen Sie schon noch selbst einlegen, aber das Kuppeln entfällt. Sportlichkeit anno 1980! Wo heute karbongekapselte High-Tech-Fass-Mich-Nicht-An-Triebwerke von Elektromotoren und Hybridgetrieben unterstützt das immer teurer werdende Nass verbrennen, finden wir hier einen schlichten, gut erreichbaren Vierzylinder mit passablen Verbrauchswerten. Neuwertig, selbstverständlich. Und – wo heute Schaltwippen und Augenscanner dem Fahrspurassistenten Daten liefern, reckt sich uns hier ein klobiges Kockpit entgegen, was sich so detailverliebt zeigt, dass es einer eigenen Beschreibung würdig ist.
Ein aufgeflanschter Warnlampenblock sitzt vor Drehzahlmesser und Tacho, die ineinander liegen. Beim Mini One hat man das vor ein paar Jahren wie bekloppt abgefeiert, aber alles ist ja bekanntermaßen irgendwo schon mal da gewesen. Und dann das Radio…
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Versteckt in einer Ecke des Cockpits verfügt es über alles, vom Klangregler über einen Senderspeicher bis zum dicken Drehknopf für die Lautstärke – nur einen DIN Schacht… den hat es nicht. Bei Ford baut man heute noch immer ähnlich inkompatible Klang-Blasen ins New-Edge-Design. Aber so schön wie beim Honda sind sie nie gewesen.
Können Sie ein bisschen der Heiligkeit nachvollziehen? Möchte man vor dieser durchlauchten Rostfreiheit nicht einfach seine Barbourjacke nach Osten auswerfen und im Kniefall den Vater des vergessenen automobilen Designs lobpreisen? Vielleicht. Mir würde es schon reichen, wenn Sie Ihren Smart oder Ihren Twingo beizeiten in die gelbe Tonne drücken und wieder einmal über echte Autos nachdenken. Gerade jetzt, wo die diktatorischen Hüter der Ölquellen in ihre Schranken gewiesen werden. Wir für unseren Teil fahren dem Stefan nun mal hinterher zum Remo. Wo es den Käse geben soll.
Und schon sind wir da. War ja auch gar nicht weit von hier. Ich könnte Ihnen von der kleinen deutschen Landzunge erzählen, die wir auf direktem Weg durchschneiden mussten. Und raten Sie mal, ob der zügig vorausfahrende Stefan oder ICH nach den Pässen und dem Inhalt des Kofferraums gefragt wurden? Aber halten wir uns nicht mit Bagatellen auf. In Remos teilweise 500 Jahre altem Haus in Hallau in der Nordschweiz (bei Schaffhausen, Sie wissen doch, der Rheinfall) genießen meine bezaubernden Töchter und ich wieder einmal diese schon beim Michi gelebte herzliche Gastfreundschaft, wir bekommen Matratzen, ein eigenes Zimmer und einen warmen Empfang der beiden Gastgeber und ihrer beiden nicht wirklich hochdeutsch sprechenden Jungs 🙂 Apropos Jungs. Die ersten Kandidaten der Audi 100 Typ 44 Gemeinde treffen ein, und wir alle zusammen machen uns auf über den Berg zum hiesigen Skilift. Der allerdings wegen Schneemangel geschlossen hat. Aber ein leckeres Getränk und allerlei Naschis gibt es wie immer für Jung und Alt im top renovierten Imbiss neben der Seilbahngondel… von damals… HIER kann verglichen werden.
Sprechen Sie auch Benzin? Ich hoffe. Irgendwann wird man ja vielleicht sagen: „Sprechen Sie auch Kilowatt?“ oder „Sprechen Sie auch Wasserstoff?„. Aaaaaah! Soweit sind wir hier und heute noch nicht. Wir verbrennen Mineralöl. Noch. Und das sehr liebevoll. Man mag ja über andere Autos denken was man will, die Jungs (und Mädels) vom 4-5-zylindrigen Ufer sind mir immer wieder sympathisch. Und das nicht nur, weil ich auch schon verschiedene „5-Banger“ hatte. Es geht um Autos, vielleicht bei einigen ein bisschen ZU exklusiv um Autos, aber Himmel, deshalb trifft man sich ja hier 🙂 Da stehen Audi 200 und Audi Avant neben Audi 100 und Audi S8. Meinen V8 habe ich beschämt vor Remos Haus gelassen, man sieht ihm die lange Strecke inzwischen ECHT an. Nicht sehr fotogen. Und das Wetter ist inzwischen so unverschämt gut geworden, dass ich den visuellen Vortritt gern den gepflegten und polierten Exemplaren gebe.
Aber was fehlt noch? Richtig. Das Käsefondue!
Da hätte ich eigentlich auch ein Foto aus vergangenen Zeiten nehmen können, vermutlich wäre es niemandem aufgefallen. Ach doch, vielleicht dass DER Jens dieses mal nicht dabei ist, und ich gebe es nicht gern zu, aber mein Namensvetter hat mir gefehlt. Egal – der Alkohol im ohnehin schon pikanten geschmplzenen Appenzeller Käse vertreibt meine Kinder aus dem Gewölbe mit ähnlicher Macht wie der ungewollt hochprozentige Nachtisch-Kirschkuchen von der Dani, damals, vor gefühlt 100 Jahren bei Michi in Schongau. Aber das ist eine andere Geschichte. Lecker ist’s bei Weißbrot und Käse, bei Birnenschnaps und Hallauer Weißwein. Wir sind hier mitten in einem hervorragenden Anbaugebiet, und wenn Sie sich bis heute nicht mit Wein aus der Schweiz beschäftigt haben sollten, fangen Sie doch bitte in Hallau an. Es lohnt sich. Ich habe viel gelacht, viel geredet und ganz hervorragend geschlafen 😀
Nach Hause. Norden. Über 900 Kilometer. Das Navi pöbelt und gröhlt mit den Stimmen zweier glücklicher Mädchen, die mir beide eine unfassbar großartige Reisebegleitung waren. Ich packe meinen Koffer. Und ich wiederhole mich vielleicht, aber waren wir nicht gerade eben noch in einem schlimmen Etap-Hotel in Frankreich? Wo ist die Zeit geblieben? Nach einem leckeren Frühstück mit Remo und seiner Familie rollen wir gegen 10:30 Uhr in der Schweiz vom Hof, und um 19:00 Uhr laufen wir in den Kieler Hafen ein. Nicht zu vergessen ein viel zu kurzer (aber unbeschreiblich schöner) Kuss im hamburger Stadtteil Altona, wenn man sich schon das ganze Wochenende nicht sieht… Was für eine kleine und wunderschöne Reise MIT Menschen, die ich liebe ZU Menschen, die mir sehr viel bedeuten. Wieder einmal wärmt mich die Herzlichkeit, diese über die Autos zustande gekommene Freundschaft zu ein paar Menschen, die ich ohne diese blöde V8-Karre nie kennen gelernt hätte. Danke Michi, Dani, Stefan und Remo für das gesamte Rahmenprogramm und die Gastfreundschaft. Ich möchte mich gern einmal revangieren. Wenn ihr Kiel sucht – es ist irgendwo ganz oben auf der Europakarte. Aber irgendwie gar nicht so weit weg von der Schweiz…
Sandmann
Hallo Sandmann,
der Dank geht zurück – die Gäste sind ja schliesslich des Heimes Zierde 🙂
Uebrigens: Der Propellerwagen ist seit heute wieder zugelassen. Nachdem ich ihn eine Zigarettenlänge einfach mal via Ueberbrückungskabel mit dem D3 verbunden und dadurch das Batterielein etwas aufgeladen habe, ist er auch sofort auf den ersten Dreh angesprungen. Das heisst, wenn Du Akustik-, Motor-, Lauf- und Fahrkultur doch noch live erleben willst, kannst Du gleich nochmals hier antraben 😉
Hatte ich eigentlich schon mal erwähnt, das ich dieses Auto mag?
Grüsse und den Norden, explizit auch an die beiden Mädels! (sind die eigentlich immer so friedlich?)
/michi
Ach Michi, du alter Charmeur 🙂
selbstverständlich möchte ich den 12-Banger einmal selbst erleben und auch hören… Wenn wir es im Sommer nicht schaffen, vielleicht auf dem Weg nach Frankreich als Etappenziel???, dann spätestens im Herbst. Der Trip da runter hat uns allen dreien so viel Spaß gemacht, wir wollen das so oder so wiederholen!
Die Mädels sind natürlich nicht IMMER so lieb, aber bei lieben Menschen benehmen sie sich auch gut. Ich glaube, das geht ECHT wesentlich schlimmer…
Sandmann
Da muß ich mich jetzt ja einmal outen.
Ich habe noch nie Käsefondue gegessen. Schmeckt das wirklich so gut? Was ist denn da alles drin, auch Wein und Gewürze und so?
Ich bekomme gerade Hunger, und der Tag fängt erst an!
Abel
Ay Calimero,
ja. JA, es schmeckt ganz hervorragend, wenn man denn würzigen Käse überhaupt mag. Je nach Fondue ist da Weißwein oder auch ein Schluck Kirschwasser drin, und sonst eben nur Käse. Den stippst du mit Weißbrot raus. Das beste daran ist die Geselligkeit, man sitzt beisammen, trinkt kühlen Weißwein dazu und denkt irgendwann, dass man jetzt eigentlich auch platzen könnte 😉
SEHR lecker, probier es doch einfach mal aus. Die Pötte und Piekser bekommst du in jedem Supermarkt…
Sandmann