Sizilien – ein Sommermärchen

Abschied von der Insel

Panda-Erfahrungen in Süditalien Teil IV

11 Tage des Teintfärbens, Bergbesteigens, Müllbesichtigens und des guten und weniger guten Weines sind um. Das Wetter wird sowieso schlechter, höchste Zeit, dass wir den Heimweg antreten. Aber einen Tag haben wir noch! Und da wir den bei drei Paar Socken und einer Tube Handwaschmittel (also, mehr habe zumindest ICH nicht dabei) nicht mit Packaktionen verbringen müssen, stromern wir in dem Panda noch ein bisschen durch die Gegend. Heute Abend hat das Hotel zum gemeinsamen Abendessen mit Musik geladen, bis dahin sind es noch rund 5 Stunden. Ich habe mir fest den Erwerb einer Madonna vorgenommen. Man kann ja nie wissen, wann man beim Autofahren einmal den Schutz einer Heiligen brauchen kann…

Eine für das Armaturenbrett.

Es ist gar nicht so schwierig, eine Plastikmaria auf Sizilien zu bekommen. Eigentlich gibt es die an quasi jeder Tankstelle. Auf dem Ätna waren sie aus Vulkangestein gegossen, und hier oben bei der Kirche der schwarzen Madonna sind sie schlicht aus Gips oder Holz. Liebevoll handgefertigt von Einheimischen, aus natürlichen Materialien und essbaren Farben. Ganz genau. Aber moment mal, schwarze Madonna? Jep, es gibt hier tatsächhlich eine dunkelhäutige Schutzpatronin, die hoch oben auf einer Klippe in einer poppigen, bunten Kirche ein Kind auf dem Arm hält. Der Legende nach zeigte sich die Mutter des Kindes ob der dunklen Haut der Madonna etwas verwirrt. Als ihr unerzogener Nachwuchs jedoch den steilen Abhang herunterpurzelte und im Wasser zu ertrinken drohte, ließ die Heilige mit Migrationshintergrund eine Sandbank entstehen und rettete den Zögling. Die Sandbank ist noch heute zu sehen. Und man bekommt hier – wer hätte es gedacht – Unmengen an käuflichen Figürlein. Ich denk, ich bin im Himmel…

Nicht nur bei waghalsigen Überholvorgängen, die hier auf den engen Straßen quasi nicht möglich sind (und auch wegen der allgemeinen Stimmung von mir nicht durchgeführt werden) benötigen Sie eine Madonna. Auch in den touristisch colorierten Pizzerien kann religiöser Beistand notwendig werden. Generell haben mein halbfinnisches Fräulein Altona und ich sehr leckere Speisen gereicht bekommen, aber bei diesem Ristorante an der Strandpromenade macht schon die Behauptung stutzig, man spräche Deutsch. Als sich die Spaghetti Carbonara meines attraktiven Gegenübers schon im Magen befinden, frage ich mal freundlich nach meiner vermissten Pizza… es folgt wildes Geschrei zweier keifender Mamas in der Küche, italienische Schuldzuweisungen und hektisches Tellergeklapper. Ah. Da wurden wohl in dem menschenleeren Saal 50% der Bestellungen vergessen. Kann passieren. Die Geräuschkulisse macht uns allerdings ein bisschen Sorgen. Rekordverdächtige 08 Minuten später wird mein Teiglappen geliefert, altbacken, innen kalt und mit schmierigem Käse nassfeucht belegt. Mein Italienisch reicht nicht zum Fluchen, aber in lupenreinem Englisch bedeute ich dem Wirt (offensichtlich mit einer furchterregenden Mine), dass ich diese Frechheit nicht essen möchte und dass er mir doch bitte ohne Aufwärmangebote für den Rest die Rechnung bringen möge… Das löst weitere zweistimmige Schreie und spektakuläres Geschimpfe in der Küche aus. Teller fliegen. Fazit: Meiden Sie Etablissements, in denen man behauptet, Deutsch sprechen.

Die Madonna segnet bereits dienstbeflissen unseren Ein- und Ausgang, filigran befestigt an einem Lüfter des Pandas. Ja, irgendwas befestigen kann sie sehr gut, meine Beifahrerin 🙂 Glücklicherweise sind wir ja gemeinsam unterwegs, so dass ich für eventuelle abendliche Beschäftigungen kein ALIBI benötige… Hihi… Lustige Kneipennamen haben die hier, auf der Insel der Mafia. Etwas gedankenverloren lauschen wir der selbstgebrannten CD und summen ein wenig melancholisch The National’s „Bloodbuzz Ohio“ mit. Beschriebene, vorhin schon leere Pizzariea ist inzwischen geschlossen und vergittert. Gruselig… Und irgendwie fühlt es sich komisch an, ein letztes mal den Panda auf der Hotelauffahrt in eine winzige Parklücke zu zirkeln, über zermatschte Kaktusfeigen zur Lobby zu stapfen und sich auf den letzten Abend vorzubereiten.

Über die vom Mond beschienene Terasse klimpert leichte Musik, während man das dreigängige gemeinsame Abendessen auftischt, welches hier einmal in der Woche veranstaltet wird. Und als wir uns nach dem Dessert zu einem Drink in die inneren Sääle zurückziehen, staunen wir doch nicht schlecht…

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Der Hotelbesitzer, ein rundlicher Mann mit wenigen Haaren und wenigen Worten sitzt selbst am Klavier und zimmert bluesige Läufe auf die kontrastreichen Tasten. Der Nachtportier, der uns so manchen Whiskey und Campari-O gebracht hat, steht mit bauchnabelkaschierend umgehängter E-Gitarre davor und entertaint in bester Irish-Pub-Manier die begeisterten Gäste in der gut gefüllten Lounge! Nix gebuchte Band. Das ist mal ein Familienbetrieb!

Letzte Abende finde ich immer besonders furchtbar. Und da gehen sie auch schon los, die „Weißt du noch…“ Gespräche, und man ist sich nicht mehr so sicher, ob die Gedanken vom Hinweg, der Stress in den Fliegern und der erste Abend nun schon sehr lange her sind oder ob wieder einmal alles gefühlt während eines Fingerschnippens wie eine Seifenblase geplatzt ist. Ich denke an unseren ersten Tag hier und erinnere mich an meine Worte: „Mensch, wir haben den ganzen Urlaub noch vor uns!“ Dass es dann doch immer sehr schnell geht, werde ich niemals verstehen. Morgen wohl noch viel weniger. Kennen Sie das? So oder so, Wir sitzen noch lange auf dem Balkon und gucken in den unfassbar postkartentauglichen Vollmond über dem Ionischen Meer. Er scheint auf die verlassenen Häuser und Pools weiter unten, die Glaskuppeln und verfallenen Stahlkonstruktionen der ehemaligen Disco „Tout Va„. Hier ist vor 20 Jahren Isabella „La Notte“ umgekommen, eingefädelt vom Bürgermeister, dem Minister und dem korrupten Großgrundbesitzer. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Die beiden streunenden Hunde auf dem Gelände bellen ihr heiseres Lied in die Nacht, als ob sie mehr wüssten als wir. Aber – das ist eine andere Geschichte.

Ciao Panda! Auch wenn ich über deine Größe und deine Verarbeitungsqualität gelästert habe – du hast uns gute Dienste geleistet. Über 1000 Kilometer haben wir dich in diesen Tagen über die große Insel geschrubbt, und du hast es alles mitgemacht. Dein Durst hält sich in Grenzen, trotz Ätna und anderer serpentinenreicher Aufstiege hast du im Schnitt 5 Liter Benzin getrunken und unseren Urlaub insgesamt nicht nennenswert verteuert, unsere Unabhängigkeit aber maximal ausgeweitet. Und heute Mittag ist es völlig normal, durch irgendein sich öffnendes Stahltor irgendwo in der Nähe des Flughafens zu fahren und dich dem Angestellten zu übergeben, der meine Papiere abstempelt, ohne auch nur einen einzigen Blick auf deine Kratzer und Beulen zu werfen. Sie sind alle ein bisschen entspannter drauf, die Italiener. Das ist schon ziemlich angenehm…

Und schwupps – sind die Erlebnisse, die Wärme und der viele Schlaf in einem gemütlichen Bett mit weißen Laken und Blick auf das Meer nur noch Gedanken und Fotos auf der Festplatte. Der krasse Wechsel von mittäglichen sizilianischen 30 Grad zu abendlichen verregneten 11 Grad in Hamburg fühlt sich an wie das Kältebecken nach dem Saunagang, die Taxifahrt nach Hause allerdings nicht wie die folgende Massage. Zum Glück liegt das Wochenende noch vor uns, wenn ich morgen früh arbeiten müsste würde ich hier und jetzt in tiefe Depressionen verfallen. Aber ist es nicht wie mit jedem Sonntag Abend auch mit einem schönen Urlaub? Das nächste Wochenende kommt bestimmt! Haben Sie auch Mietwagenerfahrungen gemacht? Fliegen Sie auch nicht mehr mit Swiss? Wann ist Ihr nächster sizilianischer Abend? 🙂 Erzählen Sie mal. Mir bleibt von alledem wenigstens der Hauch eines guten Nero d’Avola in all meinen Klamotten, meinen Büchern und meinem Koffer. Ist das nicht irgendwie… romantisch?

Sandmann

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Über Sandmann

Die Zeit ist zu knapp für langweilige Autos, Abende vor dem Fernseher oder schlechten Wein. Ich pendel zwischen Liebe, Leben und Autos und komme nicht zur Ruhe. Aber ich arbeite daran.

3 Antworten zu Sizilien – ein Sommermärchen

  1. Snoopy sagt:

    Ich hatte schon tolle Mietwagen…
    Auf Madeira eine Clio mit 4 verschiedenen Reifen (Größe und Marke) aber alle gleichmässig abgefahren. Bei Regen interessante Fahreigenschaften. Aber er hat auch Schotterwege in den Bergen mit extrem scharrenden fast profilfreien Reifen geschafft. Boah habe ich geschwitzt. Ein gelangweilter Discobesucher hat dann noch eine Türe eingetreten. Man sah den Abdruck des Springerstiefels. Abgestellt haben wir dem Wagen am Flughafen offen mit dem Schlüssel im Aschenbecher. So wars abgemacht. Fasst genauso gut war der alte Swift Automatik Rechtslenker auf Jamaika. Aber auch er hat gehalten. Waren alle günstig…
    Oder das alte Wohnmobil in den USA mit der halb undichten Niveauregulierung (alle zwei Tage Tankstelle wenn er zu schief stand) und 30 Liter Verbrauch. Und viel Öl für den Big Block…
    (Da sind die ganzen anderen Autos hier dagegen langweilig gewesen. Ich hatte 10 Jahre lang kein Geschäftswagen sondern fast immer Mietwagen. Alles von Polo bis Passatgröße…)

  2. Snoopy sagt:

    Ach und jetzt weiß ich wo die Madonna her kommt über die gerade diskutiert wurde…

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