Sizilienerfahrungen Teil I
Als ich mal wieder fliegen wollte.
Wenn zwei einmal im Jahr eine Reise tun, dann möchte das akribisch geplant sein. Die Hotelbuchung und der farbenfrohe Voucher der Mietwagenagentur liegen seit einem halben Jahr trocken und sicher bereit, alle notwendigen Ticketnummern für den Swiss-Flug von Hamburg (über Zürich) nach Catania auf Sizilien sind angemarkert. „Lass uns doch heute schon unser Gepäck aufgeben, das kann man 24 Stunden vorher machen. Dann ist das morgen alles viel entspannter.“ Da hat sie recht. Dass sie damit den Anfang einer Reise in die absurden Untiefen europäischer Fluggesellschaften anschubbst, das konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen. Protokoll eines grimassenreichen Urlaubsbeginns.
„Guten Abend. Wir fliegen morgen mit Swiss (über Zürich) nach Catania und möchten heute schon unser Gepäck aufgeben…“
„Gepäck…?“ Die schlecht gelaunte Dame der ehemaligen schweizer Nationalfluggesellschaft am anderen Ende der Leitung wirkt erstaunt. „Äh, ja, Gepäck, wissen Sie? So kleine Kisten mit jeder Menge Zeugs drin, was man nicht alles mit in die Kabine nehmen darf oder möchte. So… Koffer. Das geht laut Internet schon am Vortag.“ – „Ja, aber nicht bei Swiss, das geht nicht. Das machen wir nicht.“ Dem Tonfall nach habe ich gefragt, ob ich ihr meinen altersschwachen Hauselefanten als Ehemann anbieten darf. Hatte ich mich im Netz vielleicht verlesen? „Aber Sie gehören doch zur Lufthansa, wickeln die das vielleicht für Sie…“ – „Da müssen Sie direkt bei Lufthansa anrufen! Guten Flug.“ – Im Zeitalter von Kundenfreundlichkeit 2.0 blicke ich den Hörer an. Zusammenarbeit, Star-Alliance, Bonusmeilen, und die kriegen nicht einmal so etwas hin…? Ich rufe die Lufthansa an. Gebührenpflichtig. „Jaaaa, na glaaaar gehttas, wa? Kommse eenfach zum Late Night Check in, und schwupps schickn wa ihr Gebäck schonmal innen Fliejer. Ick wees ooch nich, was die vonner Swiss ihnen da jesaacht hat.“ Berliner Frohsinn, erste Entspannung bei den Sandmanns. Eine halbe Stunde später haben wir zwei Tickets und die Quittungen für drei Koffer in den Händen. „Meinst du, dass die das morgen mit dem Weiterschicken (über Zürich) hinbekommen, wenn das hier schon so losgeht?“ – „Hat die eben überhaupt mitbekommen, dass wir nach Catania (und nicht nach Zürich) wollen?“ Wir gucken uns ein bisschen blass an. Aber in dem Moment gibt der Parkautomat das bezahlte Ticket leise rülpsend schon wieder frei…
Mit leichtem Handgepäck und der S-Bahn zum Flughafen. Hochverdient, wie ich finde, dafür haben wir gestern Abend den komprimierten Hausrat für 12 Tage im Süden ja schon aufgegeben. Aufgegeben. Was für ein Wort, dessen Bedeutung mir erst jetzt klar wird. Aber hey – herrlich wenig los heute hier in Hamburg Fuhlsbüttel. Der nette junge Mann an der Sicherheitskontrolle lächelt mich an und deutet auf mein Laptop. „Ihr HP?“ – „Ja, wieso…?“ – „Wir werden den Rechner jetzt stichprobenartig auf illegale Downloads und Sprengstoff untersuchen!“ – „Wie bitte…??“ – Er lacht mich wissend an. „Das mit den illegalen Downloads war ein Scherz. Das mit dem Sprengstoff nicht. Kommen Sie bitte einmal mit nach hinten.“ Ein Experte vaporisiert einen leichten indikativen Nebel auf meine Tastatur, wedelt alles mit dem schwarzen Pulver aus einem YPS-Heft ab und gibt mir mein Arbeitsgerät zurück. Und weiter geht es.
Aus dem Gemeinschaftsflug von SWISS und Lufthansa ist jetzt Edelweiss Air geworden. Ein fröhliches Blumenlogo erinnert an Kinderbücher und wird untermalt von der frohen Kunde, der Flieger habe mindestens 30 Minuten Verspätung. Was so schlimm nicht wäre, ginge unser Anschlussflug (in Zürich) nicht schon 45 Minuten nach der Landung der weißen Bergblume. Mutig begebe ich mich zum Edelweiss-Tresen, strahle die dort stehende Lufthansadame an und frage nach unseren Chancen, diesen Flieger zu erreichen. „Was für ein Anschlussflug?“ Es sind genau diese Sätze, die ich hier und heute nicht hören möchte. „Nach Catania geht erst morgen der nächste Flieger.“ Ich drehe mich lächelnd zu meinem halbfinnischen Fräulein Altona um. Arglos sitzt sie zwischen den anderen wartenden Zürich-Direktionisten und blättert zufrieden in einer textschwangeren Tageszeitung mit wenig Bildern. „Schauen Sie…“ – ich gucke verunsichert noch einmal selbst auf mein Ticket und sehe beruhigt das heutige Datum – „… hier sind unsere Bordkarten.“ Die perfekt durchgeschminkte Bodenarbeitende inspiziert professionell die Tickets, geht ihre Listen noch einmal durch und findet ganz unten die Nummer unseres Anschlussfliegers. „Sie stehen allerdings nicht auf meiner Passagierliste, schauen Sie, hier sind die Namen von diversen Reisenden, auf die gewartet wird. Sie sind nicht drauf.“ Na ja, das kann man ja auch nicht erwarten, wenn man mit Swiss fliegt und auch bei der Swiss einen Anschlussflug hat. So viel Transferleistung. Ich bitte Sie. „Aber ich schicke denen ein Telex, bitte beeilen Sie sich aber (in Zürich) trotzdem…“ Ich stelle mir die Angestellten (in Zürich) vor, wie sie auf ihre mechanischen Schreibmaschinen einhacken und irgend jemand irgendwann ein ausgedrucktes Telex reinreicht. Mit schweizer Präzision setzt sich sofort der Vorgesetzte an das Wählscheibentelefon und informiert den Piloten, er solle die Dieseltriebwerke noch nicht anlassen, da kämen noch zwei blöde Deutsche…
„Wir bitten zunächst die Passagiere aus den Sitzreihen 26-42 zum Einsteigen.“ Alle, ALLE drängen nach vorn und begreifen nicht, dass der Flieger erst abhebt, wenn auch der Letzte drin ist. Zunächst werden im Schneckentempo drei Rollifahrer ins Flugzeug diffundiert. Dann steigt ein abgereppter Blondschopf mit einem Gitarrenkoffer ein. Anschließend ganz offensichtlich die Reisenden der Sitzreihen 01 – 26, die den Rest professionell aufhalten. Irgendwann sind wir tatsächlich an Bord. Die Zeit rennt. „Wir versuchen, unterwegs mit dem Rückenwindli ein bisschen Zeit gut zu machen. Sie müssen sich (in Zürich) aber wirklich sputen!“ Das leuchtet uns ein, hätten wir doch vor 45 Minuten abheben sollen. Auf meine Frage, ob wir uns wenigstens keine Sorgen um unsere hoffentlich ebenfalls weiterreisenden Koffer machen müssen, entgegnet die schwitzelnde Stewardess trocken: „Ihr Gepäck ist dort unten nicht schneller als Sie…„. Well then. Haben wir also die Wahl zwischen heute gar nicht mehr nach Sizilien oder heute zwar nach Sizilien, aber Zahnbürste und Unterhose bleiben in der Schweiz. Wenigstens habe ich mein Laptop im Handgepäck und das gute Gefühl, völlig Dynamitfrei zu reisen…
Der Airbus steht und steht. Das Bordpersonal spendiert nun schon die zweite Runde Lindt-Schoki-Herzchen. „Wenn uns jetzt eine warme Mahlzeit und alkoholische Getränke gereicht werden, haben sie wohl ein größeres Problem…“ erwähnt meine Freundin in einem Anflug von Resthumor, als die Triebwerke gestartet werden und wir deutschen Boden verlassen. Es fliegt. Und es landet früher als befürchtet (in Zürich), was uns ein komfortables Zeitfenster von 15 Minten beschert und uns tatsächlich noch vor dem offiziellen Boarding am Schalter eintreffen lässt. Aber auch nur, weil unser Anschlussflug ebenfalls Verspätung hat. Ich spinne den Gedanken, er wäre pünktlich gewesen, lieber nicht weiter.
„Meine Damen und Herren, Ihr Swiss Flug mit Edelweiss Air nach Rom steht nun für Sie bereit. Wir bitten zunächst die Passagiere aus den Sitzreihen…“ Amüsierte Blicke. Verunsicherte Blicke. Nach Rom wollte hier eigentlich niemand fliegen, aber dort ist es ja auch ganz schön. Erst bei der Wiederholung der Ansage mit gleicher Destination wird die schüchterne Dame von ihrem smarten Kollegen auf den Versprecher aufmerksam gemacht. Und bricht stotternd die verbale Verunsicherung ab. Noch während ihre Kolleginnen unsere Tickets durchwinken liegt sie lachend und hyperventilierend in ihrem Stuhl. Davon wird sie bestimmt noch ihren Enkeln erzählen. Eine Korrektur indess wird nicht durchgegeben. Alles drängt in den Stahlvogel und wartet bei den „Grüäzi“ murmelnden Flugbegleitern geduldig, bis die wieder unaufgefordert zuerst eingestiegenen Reihen 01-25 ihre Habseligkeiten in den Overhead Bins verstaut haben.
So. Wir sitzen. Am Fenster perlt der Regen massiv aus grauen schweizer Wolken. Aber selbst wenn das Gepäck nicht so viel Glück haben sollte, mein Schatz und ich werden heute Abend auf Sizilien sein! „Wir entschuldigen uns dafür, dass wir als Reiseziel auf den Monitoren über Ihren Köpfen leider nur Rom eingeben konnten. Alle anderen Daten sind aber korrekt.“ Nun, es gibt schlimmere Eindrücke als diesen: Edelweiss Air fliegt die Strecke zum ersten mal und die Systeme stammen von 1988. Weiter als Rom ist man (von Zürich) noch nie geflogen. Das lächeln des Bordpersonals ist aber mindestens von 1990. Vielleicht kommt ja auch gleich noch unser Telex vorn im Cockpit aus dem Drucker.
Warm ist es auf Sizilien, das ist gut so, das ist einer der Gründe, warum wir hier sind. Das Gepäckband dreht sich träge und beglückt nahezu alle Anwesenden, die fröhlich mit ihren Köfferchen durch die „Nothing to declare“ Schleuse in den bewölkten Abendhimmel wandern. Entgegen aller Vermutungen sind unsere drei Koffer auch dabei! Ein wenig müde und angestrengt wollen auch wir uns in Richtung Mietwagenterminal aufmachen, als zwei bedrohlich guckenden uniformierten Italienern in den Sinn kommt, man könne alle noch hier verbliebenen Fluggäste erneut durch einen Kofferscanner schicken. Und somit einmal mehr demonstrieren, was man davon hält, dass die Schweiz nicht in der EU ist. Ganz am Ende der Schlange schielen wir in Richtung des eigentlichen Ausgangs. Und wenn man nun einfach… nein, lieber nicht. Und wieder wird kein Sprengstoff gefunden. Ich fühle mich erfreulich unterroristisch.
AutoEurope. Schwitzende Menschen versuchen in drei verschiedenen Sprachen, ihren Mietwagen zu bekommen. Es geht nicht voran, und wegen des zweiten Kofferscans stehen wir erneut am Ende der Nahrungskette. Ein Italiener vorn am Schalter erzählt am Telefon seinem Anwalt seine Lebensgeschichte. Und er scheint schon lange zu leben. Aus dem Bodennebel des nächtlichen Süditaliens erhebt sich ein dunkelhäutiger Mann mit suchendem Blick. Er hat ein DINA4 Blatt in den Händen, auf dem vier Namen stehen. Meiner auch. Jetzt verstehen wir endgültig gar nichts mehr. Oben drüber steht „Advantage„. Ah. Kennen Sie diese Mails, die Ihnen, ja GENAU IHNEN zum Gewinn eines Preisausschreibens gratulieren, an dem Sie niemals teilgenommen haben? Der Mann spricht weder Englisch noch Deutsch und begleitet uns und ein französisches Pärchen zu einem Ford Transit, in den er routiniert unser aller Kofferkrams einläd. Und uns auch. Am Himmel donnert es ein bisschen. Während die Reise mit dem erwähnten, ebenso erstaunten Pärchen durch finstere Vorort-Slums geht, stellen mein halbfinnisches Fräulein Altona und ich uns die berechtigte Frage, was wir hier eigentlich machen und wer von den dreien da vorne uns nun wohl gleich die Pistole an die Schläfe halten wird.
Niemand. Bei genauerem Studium des Mietwagen-Vouchers stellt sich heraus, dass AutoEurope mit der Firma Advantage zusammenarbeitet. Und die haben ihre Autos einfach ein bisschen weiter draußen stehen. So auch unseren Fiat Panda 1.2, ein Raumwunder aus Plastik und Blech. Recht zerkratztem Blech, und typisch deutsch lasse ich alle diese Schmarren und Kinken auf dem wenig Vertrauen erweckenden Übergabezettel markieren. Gut, dass wir Lisa, mein Navi, dabei haben. Und doof, dass ich den Saugfuß für die Windschutzscheibe im Golf in Hamburg vergas. 20.00 Uhr, Sizilien, Süditalien. Wir sind da, haben alle Koffer und müssen nur noch die 50 Kilometer nach Taormina zurück legen, wo sich unser Hotel befinden soll… Wenn es noch da ist, ich rechne inzwischen mit allen Varianten.
Puh. Zwar kein englischer Rechtsverkehr, aber jede Menge verrückter Kleinwagenpiloten, eiliger Vespafahrer und todesmutiger Gemüselasterlenker. Jeder fährt, landestypisch, mit dem Blick nach vorn gerichtet. Links, rechts und hinten gibt es nicht. Gas geben, draufhalten, wenn es eng wird hupen! Mir ist heiß und kalt. Die Autobahn scheint Gebühren zu kosten, das ist jetzt alles egal. Der Panda schnurrt in seiner gesamten Kleinheit agil vor sich hin und holpert über die schlechten Straßen wie ein extrem tiefer gelegter Opel Astra. Die Dunkelheit verhindert einen ersten Eindruck von der vermutlich malerischen Bucht um Taormina, nach rund 50 Minuten fahren wir die Einfahrt des Hotels herunter. „Buona Sera!“. Der mit einer dicken Lupe die Gästeliste durchgehende Nachtportier kann unsere Namen nirgends finden. Wir sind nicht auf der Liste.
Irgend einer überirdischen Konsequenz folgend nimmt dieser Tag doch noch ein gutes Ende. Irgendwie tauchte eine zweite Liste auf, da waren wir dann drauf. Eigentlich hatten wir nun daran auch nicht mehr gezweifelt, zu viel hätte schief gehen können. Edelweiss Air und dieses schöne Hotel sind vielleicht irgendwie miteinander vernetzt? Der dicke Zimmerschlüssel eröffnet uns ein kleines, traumhaftes Reich aus hohen Wänden, alten Möbeln – und einem Balkon mit Blick auf das Ionische Meer und die nächtliche Bucht von Giardini Naxos, einem der drei schönesten Badestrände von Sizilien. Archimedes hat hier die Zahl Pi entdeckt. Odysseus hat hier ein einäugiges Monster besoffen gemacht, welches ihn dann blind mit Felsen bewarf. Uns erwarten zwölf Tage Wärme Ende September in der Nachsaison, ein aktiver Vulkan mit seinen Mondlandschaften, antike Tempel- und Theateranlagen, die Spuren der Cosa Nostra und ein kleiner Fiat, mit dem wir das alles bereisen wollen. Sind Sie dabei?
Sandmann
… wenn Einer eine Reise tut…
Komisch – immer, wenn ich in Eigenregie da runter fahre, funktioniert das ganz fantastisch. Sobald andere, insbesondere eidgenössische oder italienische Menschen, aktiv am eigenen Reisegeschehen partizipieren, artet das Unternehmen ähnlich aus, wie das, was ihr erlebt habt. Dieses Jahr hatten wir uns ja einer neuen Fährlinie zwischen Genua-Voltri und Temini Imerese (Nähe Palermo) anvertraut. Vom fehlenden Klopapier und dreckigen Bordtoiletten bis zu vier Stunden verspäteter Abfahrt der Fähre war das komplette Programm an absolut verzichtbarer Unruhe vorrätig.
Auch wir waren froh, dann irgendwann mal angekommen zu sein. Aber das gehört halt dazu – und ganz besonders in Italien.
Ich wäre übrigens lieber ohne Züricher Zwischenlandung geflogen. Erst die llllaaaannggsaaaameeeen Schwiiiizerrrrr und dann die hecktischen Italiener – das hält doch kein entspannungsuchender Mensch aus 🙂
Buona Notte
El
Ay Herr Sizilienspezialist,
nun, von der schweizer Gemütlichkeit haben wir dieses mal ja in Zürich nicht allzuviel kosten dürfen, das ging alles eher barfuß im Laufschritt 🙂
Ich spiele ja ganz extrem mit dem Gedanken, von Helsinki nach Napoli mit einem alten Fiat Panda zu fahren und einmal das asketische Erlebnis einer langen Autoreise allein, maximal mit meinem Hund, in einem null-Komfort-Auto zu erleben. Dazu brauche ich allerdings noch einen anderen Beruf, so viele Wochen (um diese Tour in vollem Umfang zu planen und durchzuführen) will und kann ich mir gar nicht frei nehmen.
Ich weiß noch gar nicht, wie ich alle diese Fotos und Eindrücke so in ein paar Blogs verpacken kann, dass sie nicht wie ein langweiliger Diaabend rüberkommen. Ich arbeite daran…
Auch dir und allen anderen eine gute Nacht oder einen guten Morgen, je nachdem, wann wer das hier jetzt liest…
Sandmann
Groooßartig 🙂
Ich weiß schon, warum ich auch lange Strecken lieber mit meinem Golf fahre. Ist denn die Insel mit Sardinien vergleichbar, wo ihr letztes Jahr wart? Und El Gigante scheint da ja auch öfters zu sein.
Ich bin gespannt wies weitergeht!
Abel
Ay Calimero,
vergleichbar? Na ja, beides ist Italien 🙂
Sardinien ist subjektiv wesentlich sauberer und irgendwie… lieblicher. Auf Sizilien hast du noch auf großen Flächen den Müll liegen, die Häuser verrotten und die Armut ist offensichtlich.
Dennoch ist es wunderschön da, wir haben gerade einen sizilianischen Abend gemacht, mit Weißwein, Nudeln und den vielen Fotos über DVD auf dem großen Fernseher… Ich bin grad ganz melancholisch…
Sandmann
Buon Giorno Calimero,
in gewisser Weise hat Sandmann Recht: zu Müll haben viele Sizilianer eine merkwürdige Einstellung. Für sie ist er nämlich ein Zeugnis dafür, was sie sich alles leisten können. Das und die korrupten Müllentsorger sind leider Gründe für zahlreiche wilde Müllkippen. Ich erinnere mal an das große Müll-Chaos vor zwei Jahren (und aktuell auch wieder!!!) in und um Neapel. Da türmte sich doch der Hausmüll wochenlang teilweise haushoch in den Strassen, weil die Müllwerker einfach streikten und es auch jetzt immernoch eindeutig zu wenige Mülldeponien gibt.
Das wohl größte Problem ist jedoch (mal wieder) die Mafia: das Geschäft mit der Müllentsorgung ist nach Expertenansicht nach dem Drogenschmuggel die wichtigste Einnahmequelle der Mafia. Für sie ist der Müll Gold wert. Diese Organisation verwaltet derzeit die illegale Müllentsorgung in der Region. Und sie hat ein großes Interesse daran, dass alles so bleibt wie es ist.
Auch die Aussage der allgegenwärtigen Armut ist leider wahr. Auf Sizilien ist die Quote der Arbeitslosen nahezu doppelt (13,5%) so hoch, wie in Italien (6,5%). Dazu kommt natürlich auch, dass der zur gleichen Zeit wie bei uns eingeführte Euro dort eher Schaden angerichtet hat, als das Land nach vorn gebracht zu haben. Logisch, dass die Bevölkerung ziemlich resigniert damit beschäftigt ist, ums Überleben zu kämpfen, statt sich um den Erhalt der ehedem recht wackeligen Häuser zu kümmern.
Apropos wackelig: man darf auch nicht vergessen, dass diese Insel es seinen Bewohnern nicht leicht macht. Unregelmäßig bebt die Erde dort relativ heftig. Ein Terremoto (ital. für Erdbeben) gehört dort fast zur Normalität. Der Etna und überhaupt der Vulkanismus (… auch durch die nördlich vorgelagerten Liparischen Inseln) prägen das Bild.
Daher ist ein direkter Vergleich aus Urlauberblick mit Sardinien vielleicht im Detail dann doch etwas unfair. Außerdem beziehen sich Sandmanns Erfahrungen auf die mehr oder weniger dichte Umgebung von Taormina und Catania und ein bisschen Palermo. In westlicher Richtung erstreckt sich die Insel aber noch auf fast 400 Kilometer. Ich gebe zu, dass die „Metropolen“ nicht zu den saubersten Europas zählen können, es gibt jedoch zahlreiche Stellen, an denen es wirklich sauber ist.
Ich fahre seit 20 Jahren in eine kleine Stadt in Süd-West-Sizilien, Menfi (zwischen Sciacca und Castelvetrano ). Die Strände dort erhalten zum Beispiel jährlich die sogenannte „Bandiera Blu“, eine Auszeichnung der EU für picobello sauberes Wasser (übrigens, dieses Jahr waren es 31°C), cleane Strände und ein sauberes Hinterland.
Guckst du hier,
hier, hier, hier und hier.
Mist – jetzt habe ich’s wieder getan… und dabei wollte ich Alle im Glauben lassen, dass Sizilien = Taormina und Co. Ich mag diesen Touristen-Trubel überhaupt nicht. Ich hasse Hotels.
„Mein“ Sizilien hat nichts damit zu tun. Ich mische mich immer unters Volk, wohne, esse und lebe mit Sizilianern. Das wird schon seit Jahren belohnt mit Herzlichkeit, Wärme, Freude und Einblick in eine traumhafte Insel. Inzwischen kenne ich mich dort besser aus, als die Einheimischen – das sagen sie jedenfalls selbst.
El
Ay El,
das sind ja ein paar Hintergrundinformationen, die wir nun nicht mehr recherchieren müssen…
Ich möchte wirklich mal deine Geschichte zu deiner geplanten Zukunft in Süditalien hören. Das muss auch gar nicht unbedingt hier sein, das können wir auch mal bei einem Fläschchen Nero d’Avola erörtern…
Sandmann 🙂
Hi Sandmann,
…gerne!
Wann?
Wo?
Bock auf selbstgemachtes sizilianisches Essen und nebenbei Fotos anschauen und Geschichten erzählen? Ich liebe es (komisch, irgendwie kommt mir der Spruch bekannt vor). Dann also bei uns?
😉
der wahrscheinlich längste El der Welt
Jippie!
Das klingt doch gut, gern bei dir…
Aber lass mich erst mal tief in meinen Kalender tauchen, ich pendel ja bekanntermaßen zwischen Kiel, Hamburg und Berlin, und das hat momentan große Priorität 😉
Sandmann