Ay liebe Blog-Gemeinde,
ich möchte Ihnen und Euch natürlich nicht vorenthalten, wie die Geschichte von Korrosion und fortgeschrittener Verwesung an meinem Vertreter der Neckarsulmer Premium Aluminium-Gießerei weitergeht. Diesmal haben wir zwar bei der Beschaffung der notwendigen Teile nicht „Ersatzlos gestrichen“ vor Augen, aber Summen, die mir einen schalen Belag auf die Zunge treiben. Es sind nur die Enden der zwei Kabel abgefault, würde ich alles neu kaufen käme ich aber auf über 400,- Euro! Und bei der Verlegung (zur Lichtmaschine, zum Anlasser und zur Batterie) bekäme ich vermutlich Ecken in meinem Motorraum zu sehen, die nie zuvor ein Mensch betreten hat. Also was kurzfristig machen? Do it yourself. Nichts hält so lange wie ein Provisorium. Ich wage es, bei Dunkelheit, am Straßenrand.
Hat man einmal das Problem damaliger Ingenieurs-Aussetzer begriffen, ist die sagenumwobene Plusverteilerdose schnell gefunden. Einfach nur da schauen, wo sich das meiste Spritzwasser, die größten Mengen Streusalz und ein Großteil des aufwirbelnden Drecks von 275.000 Kilometern deutscher und schweizer Straßen wohl sammeln würden. Hier finden wir, umgeben von verwittertem Hartplastik, die beiden Hauptschlagadern der filigranen Stromführung. Wo auch sonst? Auf 5,03 Metern halte ich das auch für den besten Platz. Na gut. Ironie aus, Werkzeug am Mann, Kragen hochgeschlagen und losgeschraubt!
Sind die beiden Imbusschrauben dieser Plusverteilerdose erst einmal aus dem Träger entfernt, muss man schnell beide Hände in unterwürfiger Geste zu einer kleinen Schale formen, um die in Richtung Erdmittelpunkt bröselnden Fragmente aufzufangen. Übrig bleiben zwei fingerdicke Leitungen, deren Enden einmal mit Ösen verschraubt waren. Doch das ist lange her. Die Schraube lässt sich nicht einmal mehr rekonstruieren, Strom wird hier nie wieder fließen. Ich möchte aber nicht alle Kabel erneuern, nicht hier und nicht heute. Bei so vielen Ärzten im Freundeskreis entschließe ich mich zur Teilamputation!
Der kleine Nachteil dabei ist, dass die sehr starren (weil dicken) Leitungen nach ihrer Abisolierung und Kürzung nicht mehr lang genug sind, um am ehemaligen Platz mit Plastikverkleidung neu befestigt zu werden. Was ohnehin scheitern würde, sind doch von der Dose selbst nur noch zersplitterte Überreste vorhanden. Ich wusste gar nicht, dass Plastik rosten kann. Frisch gekürzt und von grobem Grünspan befreit präsentieren sich nun im rechten Radkasten die wieder zu vereinenden Köngskinder, nachdem das Wasser so tief war. Aber wie? Hier fließen beim Starten weit über 100 Ampère zum Anlasser, außerdem der Ladestrom vom Generator zur Batterie, da ist ein verzwirbeln der Adern und etwas Isolierband vielleicht ein wenig unterdimensioniert.
Also denke ich mir, was Holzbalken zusammen halten kann, kann auch zwei Kupferadern verbinden, biege einen Stahlwinkel platt und bohre die Löcher ein wenig auf. Zusammen mit zwei Gewindeschrauben klemmt diese Brücke nun bombenfest die beiden Plusadern zusammen, wirkt auf den ersten Blick sehr robust und weckt mein Vertrauen… Mit einigen Lagen Bundeswehr-Panzertape gegen die überall vorhandene Masse isoliert und durch seine eigene Starre vorm Verrutschen bewahrt beende ich den Umbau. Eine Schlüsselumdrehung, und die vorgestern fast leer gelutschte Batterie startet ohne Probleme den Achtzylinder. Peter Lustig hätte es in Löwenzahn doch auch nicht besser hinbekommen, oder?
Bilanz:
Wohl ist es mir gelungen, nahezu kostenfrei den Boliden wieder auf die Straße zu bringen, aber wie mache ich weiter? Das 100-Teile-Puzzle aus zerstäubten Ex-Bauteilen taugt nur noch als Ausstellungsstück im Kuriositätenkabinett. Die saubere Lösung wären Neuteile und eine große Tube Korrosionsfett, was ich aber nur mit Hilfe des Audi-Konzerns und eines kulanten Sachbearbeiters hinbekommen kann. Alternativ könnte ich zwei handelsübliche Ösen an die Kabelenden krimpen (seine Heiligkeit Konnoo, der V8-Papst aus dem Schwarzwald, will mir da was zuschicken), diese verschrauben, fetten und mit einer Standard-Plastikverkleidung irgendwo optimiert jenseits des Radkastens positionieren. Notwendigkeits-Tuning nennt man das. Na ja, er läuft ja. Erstmal.
Kulanz wäre bei Audi ein erster Schritt zur Ernstnahme der Alt-Audi-Fahrer, die ein kostenloser täglicher Werbeträger für die Langlebigkeit einer Premiummarke sein wollen. Ich würde das dann Kundenfreundlichkeit nennen. Vielleicht versteht man, was ich meine. Versuch macht kluch.
Sandmann
Naa Jens?
Wenn das mal kein kleines Abenteuer für Dich damals war. Es ist schon irre, was der laufende Betrieb mit einem Auto so anstellt, wenn man seine Schwachpunkte nicht kennt und darauf achtet.
Zum Glück hast Du es ja wieder hinbekommen. Hehe
Hast Du damals eigentlich vor grauer Vorzeit in irgendeiner Art und Weise „Kulanz“ bekommen?
Eigentlich ne ganz doofe Frage. Damals gab es laut dem Konzern ja keine „Altaudifahrer“. Sie wurden ignoriert. 🙁
V8 mäßige Grüße
Markus
Ay Markus,
von dem seinerzeit angestrebten „Kulanzantrag“ wurde mir von anderer Seite mehrfach abgeraten, weil der Wagen einfach zu alt war. Und wenn (WENN) eine vernünftige Werkstatt die Plusvetreilerdose immer sauber gefettet hätte, wäre dieses problem nicht aufgetreten. Auch wenn die da wirklich sehr bescheiden platziert wurde. Ich habe es immer noch nicht wirklich verstanden. Das ist so, als wenn du eine Steckdose unter deinem Wasserhahn in die Kacheln bohren würdest…
Sandmann