Ein Roadtrip zu den irren Wikingern
Oh Leute, die Schweden. Schweden besteht ausschließlich aus blonden, langhaarigen Frauen Ende 20, blauen Seen, grünen Wäldern und roten Holzhäusern. So erzählt man sich im regengrauen Deutschland. Ich will da hin. Mit einem 1969er Cadillac DeVille, einem Ford Crown Victoria Police Interceptor und einem Jeep Cherokee. Ziel: Västerås, wo in diesem Jahr erstmalig das größte US-Car-Treffen Europas — Achtung — nicht stattfindet. Das ist nach Lidköping umgezogen, weil die kleine Stadt bei Stockholm seit 40 Jahren im Sommer nach dem Überfall eines Heuschreckenschwarms aus feiernden und trinkenden Schweden Bedenken anmeldete. Egal, wir fahren trotzdem nach Västerås, angeblich machen das alle. Sagen die Jungs. Irgend jemand hat für irgendwann irgendwelche Fährtickets gebucht, und wir wissen noch nicht wo wir heute Abend schlafen werden. Klingt doch super. Lasst uns sinnlos Benzin in Bewegungsenergie umsetzen, kommt ihr mit?
Aller Anfang ist der Weg zum Auto.
Doof: Zum Auto ja, aber nicht zu und nicht mit meinem Auto. Wir treffen uns um 9:00 Uhr an der Oldtimertankstelle Brandshof zur gemeinsamen Abfahrt, war die einzige konkrete Ansage in der WhatsApp Gruppe. Ich könnte auch noch weiter vorne anfangen, eben trank ich nämlich noch einen Kaffee in Kiel. Der Taunus bleibt jetzt vor der Wohnung meines halbfinnischen Fräulein Altonas in Hamburg stehen. Niemand meiner ausschlafenden Mitreisenden wollte mich zu einer irgendwie akzeptablen Zeit dort abholen – also packe ich meine Necessaires möglichst kompakt zusammen und schlage mich rollend und schleppend auf eigene Faust mit den S-Bahnen bis in Hamburgs Südosten durch. Ein großes Paket TRÄUME WAGEN, ein 3-Liter Kanister Weißwein, ein Zelt, eine Luftmatratze, Gitarre und Fotoapparat, Computer, Unterhosen und Ringelsocken. Sonnenmilch, Mückenspray. Wer hätte gedacht, wie schwer der ganze Kram sein kann?? Argh.
Kurz nach dem Aussteigen fährt der einzige Bus vom S-Bahnhof zur Oldimertanke gerade durch mein Blickfeld dem Horizont entgegen. Egal. Jetzt bin ich bis hier hin gekommen, dann kann ich die letzten Kilometer auch zu Fuß gehen. Die beiden kleinen Räder des völlig überladenen Koffers grätschen seitlich weg, die Umhängetasche schnürt meine Schulter ab und mit der Gitarre bleibe ich an jeder zweiten Laterne rummsend hängen. Warum habe ich die überhaupt mitgenommen? Notiz an mich selbst: Die Anreise bis hier hat einen gewissen Optimierungsbedarf.
Mit nur 10 Minuten Verspätung komme ich nassgeschwitzt und abgekämpft bei den mir noch unbekannten Jungs an, ertrage das obligatorische Begrüßungsgepöbel mit Fassung und soll zunächst dem Cadillacbesitzer Marc die königliche Absolution erteilen. Den wiederum kenne ich schon lange, sein Auto war einst Protagonist in einem leichenentsorgenden Mafia Epos und bei einer heftig ausgelassenen Proseccotour meiner Nachbarinnen. Das hätten wir also geschafft, jetzt mal raus aus den peinlichen Klamotten, das hat Werner schon 1986 vorgelegt. Wir wollen neue Geschichten erleben und nicht alten Kram aufwärmen.
Mit Marc vier Nächte und fünf Tage zu verbringen macht mir ein bisschen Angst. Er nennt mich grundsätzlich Troubadix und behautet, dass sogar die Schnecken fliehen, wenn ich anfange zu singen. Ich hätte die Gitarre echt zu Hause lassen sollen. Jetzt lerne ich außerdem die anderen Protagonisten der Buddytour kennen… Richy mit seinem Jeep Cherokee und Haaagen mit seiner voll aufgerödelten Polizeikarre, außerdem Chris, Armin und Sven. Ein interessanter Haufen, dessen Level ich bisher nur mit den Anzüglichkeiten der WhatsApp Gruppe messen konnte, in der ich seit ein paar Tagen Mitglied sein musste. Aha. So sehen die also aus. Wir werden uns noch besser kennenlernen, ich bin jedenfalls von der ersten Minute an froh, dass weder mein halbfinnisches Fräulein Altona noch irgend eine andere Frau mit an Bord der drei Autos ist. Raue Männer mit Automacke in Feierstimmung, auf insgesamt 1.100 Kilometern (eine schwedische Meile sind 10.000 Meter). Niemand mit einem Minimum an Anstand möchte da die Herzdame in der Nähe wissen.
Die Tanks sind voll, alle relevanten Personen sind nüchtern, wir haben Kopfbedeckungen, Sonnenbrillen und Funkgeräte. Hervorragend. Marc reißt den 7.7 Liter Big Block an, und die nagelneue Flow Master Auspuffanlage röchelt kehlig ihr Lied in den frühen Mittwoch Morgen. Adios Hamburg. Du musst mit dem G20 Gipfel ohne uns klarkommen. Wir sind dann mal weg, da oben bei den blonden Frauen Ende 20, an einem schönen blauen See inmitten grüner Tannen in einem roten Holzhaus. Oder, Jungs? Ach nee, die Bleibe für die erste Nacht unterwegs ist ja noch gar nicht gebucht, und in Västerås zelten wir neben dem Veranstaltungsgelände des Summer Meet. So der Plan. Glauben tu ich das alles erst, wenn wir sicher angekommen sind.
Kurz hinter der Fehmarn Belt Brücke wartet die erste Fähre von Puttgarden rüber ins dänische Rödby. Etwas weiter nördlich bringt uns dann angeblich noch ein Dampfer nach Schweden. Die beiden Kapitäne der königlichen Seelenverkäufer berechnen pro Auto für die beiden Überfahrten 135€, ein verschwindend geringer Betrag angesichts des Benzinverbrauchs unseres eigenen Dampfers. Noch unten auf dem Autodeck rupft Haaagen die Plane von den Blaulichtern seines Police Interceptors. In Deutschland müssen die abgedeckt sein. In Dänemark vielleicht auch, aber egal. Lights on!
Diese erste Überfahrt dauert eine knappe Stunde, also Zeit genug, unter Deck die Vorräte aufzustocken. Als Weintrinker habe ich ja vorgesorgt, wie man dem Achsenbruch meines Rollkoffers ansehen kann. Mit Wein stehe ich allerdings allein auf weiter Flur. Die Jungs erwerben im Schiff-Shop eine Handvoll Bierdöschen aus der zuvor eingesammelten Gemeinschaftskasse. Jeder hat 200€ in den Topf geworfen, das soll reichen für Bier, Essen und alle Unterkünfte. Ich zweifel. Jetzt schon. Ganz früher gab es mal Butterfahrten, kennt ihr die noch? Da ist man mit den Schiffen aufs Meer gefahren, in zollfreie Gewässer, und konnte da steuerfrei Zigaretten, Parfum und Alkohol kaufen. Später gab es dann nur noch die „Duty Free“ Shops auf den Fähren, heute sind es nur noch Shops. Grundsätzlich ist dort alles teurer als auf dem Festland und vor allem als in Deutschland. Es wird einen Grund geben, warum viele viele Paletten erst jetzt in die drei Kofferräume wandern, jedenfalls haben wir nun mit einfachsten Mitteln drei Low Rider gebaut und sind in der Szene ganz vorn mit dabei.
Alle, die heute nicht mehr fahren müssen, öffnen sich die erste grüne Dose Carlsberg oder Tuborg. „Troubadix, ab jetzt kannst du ja fahren oder?“ säuselt Marc und schwingt sich gazellengleich an einen der Tische an Deck, knackt sein erstes Bier und hält sein Gesicht in die Sonne. Ja klar. Mach ich gern, es gibt schlimmere Aufgaben als einen Cadillac nach Schweden zu steuern. Also bleibe ich nüchtern, in Skandinavien ist 0,0 Promille angesagt. Und man nimmt das hier sehr ernst. Als ich mir einen Zigarillo anstecke und mich dazusetze, knackt Marc schon die zweite Dose. Die Sonne macht durstig, aber hey – endlich scheint sie mal!
Da habt ihr die Reisenden einmal alle beisammen. Troubadix und Marc (das zarte Reh) im Vordergrund, dahinter von links nach rechts Chris, Richy, Haaagen, Armin und Sven. Prägt euch die Gesichter und die Namen ein, diese Herren werden euch für die nächsten Geschichten unterhalten. Und es kommen noch ein paar Menschen dazu, aber erst wenn wir angekommen sind. Västerås ist noch unendlich weit weg. Wasser hat keine Balken. Ich beginne, aus Reflex Phrasen zu dreschen, das macht der schlechte Umgang.
Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schöööön ♫
Während das Bier in hoher Schlagzahl in die Beifahrer reinläuft, lehne ich mich zurück und genieße die entspannte Stimmung an Deck. Die Maschinen stampfen leise irgendwo ganz unten. Die Ostsee liegt mittig wie ein Spiegel, das Schiff pflügt rauschend durch das Wasser und hinterlässt weiße Wogen, die sich bis zum Horizont ziehen und langsam verschwinden. Über mir zischen die Schornsteine weißen Rauch in den blauen Himmel. Möwen gleiten im Wind, schreien rum und erhoffen sich Brotkrumen oder andere Leckerlis. Die Sonne wärmt angenehm, zeichnet klar konturierte Schatten und lässt den regengrauen Alltag vergessen. Der Kahn schaukelt kontemplativ. Als ich gerade ein bisschen zu träumen anfange, rappelt eine metallische Glocke, und auf Dänisch, Deutsch, Schwedisch und Norwegisch werden wir aufgefordert, wieder in die Autos zurückzukehren. Also. Weiter nach Norden, den Wikingern entgegen und mit dem Cop Car an der dänischen Grenze direkt in die Arme der dänischen Polizei.
Urks. Haaagen wird ein bisschen blass, greift sich verlegen in den Schritt und fächelt nervös mit seinem Personalausweis und den Fahrzeugpapieren. Es ist alles legal an diesem sehr auffälligen Auto, alles eingetragen und alles gut. Nur die nicht mehr abgedeckte Lightbar macht ihn nervös. Aber der bewaffnete Diener des Königreichs lehnt sich nur lachend ins Fenster und fragt ihn, wo er dieses coole Auto her hat. Na toll. Das wird uns ab jetzt regelrecht verfolgen, da sitzen wir im geilsten alten Cadillac mit großvolumigem Bullermotor – und die neumodische Copkarre mit der Lichtorgel oben drauf zieht alle Blicke und Fotografen an. Egal. Es ist irgendwie ein schönes Gefühl, mit einem knapp sechs Meter langen und über zwei Meter breiten Sedan quasi inkognito unterwegs zu sein. Von Richy und seinem auch ganz geilen Cherokee wollen wir gar nicht reden, der geht inzwischen als Golf Plus durch.
Dieser Weg ist ein Ziel, wenn auch nicht das Ziel. Bei sieben Jungs, von denen vier nennenswerte Mengen Gerstensaft in sich reinlaufen lassen, muss immer mal jemand raus. Uff. Okay, ich schau derweil mal ob ich auch irgendwo was ohne Alkohol finde.
Ja, finde ich. Und dazu zwei Chili Hot Dogs, die hier traditionell mit Pölsern gefüllt werden. Das sind sähmige, nicht schmeckende Würste in einer tief roten Pelle. Das Chilipulver reißt das verheerende Geschmackserlebnis weitestgehend raus. Wir sind schon eine schräge Karawane, die da nach Norden zieht. Ich mag die Jungs jetzt schon, obwohl ich die Durchsagen in den Funkgeräten entweder nicht verstehe oder sie im angeschiggerten Bierdunst jeden Sinn verlieren. Gut, dass wir die Dinger mitgenommen haben. Mit jeder weiteren Dose wird auch der Humor der Trinkenden urlaubsreifer.
Wir lassen Kopenhagen rechts von uns liegen und rollen mit entspannten 110 Km/h in Richtung Helsingør, wo wir nach Schweden übersetzen wollen. Wie spät ist das eigentlich? Ich habe keine Ahnung, meine Armbanduhr ist im Koffer, das Handy liegt irgendwo auf dem Rücksitz und die frisch überholte Zeituhr im Cadillac geht nicht mehr. Aber wen kratzt die Zeit? Marc überrascht mich wieder einmal mehr mit einer guten Musikauswahl, aus den vier Lautsprechern tönen erst die klassischen Motown Hits und später 90er Jahre Trash. Also Dr. Alban, Mr. President und DJ Bobo. Kurz vor der Fähre wird es zum offiziellen Sport, das Funkgerät vor die Lautsprecher zu halten und die anderen mit den eigenen Peinlichkeiten zu belästigen. Heute finde ich alles witzig. Und da kommt auch schon die letzte Fähre für heute.
Es fühlt sich ein wenig aussätzig an, aus der Schlange der Wartenden unerwartet rausgewunken zu werden. Alle anderen fahren auf den Dampfer, Haaagen macht vorbeirollend kurz das Blaulicht an und Richy drückt die Hupe des amerikanischen Golf Plus. Super, Jungs. Grüßt Schweden von uns, wir erwarten jetzt, grundlos von dänischen Maschinenpistolen durchsiebt zu werden. Komisch. Ich mach mal den Motor aus, das Benzin brauchen wir vielleicht später noch. Nach 10 Minuten klärt sich sie Separierung allerdings – die beiden Kleinwagen Crown Victoria und Cherokee sind im ersten Stock der Fähre zwischen den ganzen Corollas und Volvos gestapelt worden, der Cadillac musste ins Erdgeschoss. Zu den dicken Lastwagen. Verständlich.
Die kurze Überfahrt verbringt man allgemein im Fahrzeug, bis auf Richy, der seine Grundschulblase schon wieder in eine Bordtoilette entleeren muss. Ich recke und strecke mich ein bisschen und schüttel meine eingeschlafenen Pobacken aus, während Marc lustige Geschichten über sinkende Fähren wegen defekten Bugklappen zum Besten gibt. Man kann ihm nicht sagen, dass er endlich mal die Fresse halten soll. Wenn man das macht, ist er wie ein kleines Kind und gibt richtig Gas. Warum mag ich den eigentlich so gern? Unverständlich. Wir sinken nicht, und hinter der sich öffnenden intakten Bugklappe tut sich das schwedische Festland vor unseren müden Augen auf.
Ein Kinderlied meines viertelfinnischen Sandmädchens geht mir durch den Kopf. Eule findet den Beat. „In Schweeeden, in Schweeeden ist heut‘ Midsommarnacht ♫“ Argh. Nicht nur, dass ich ihre kleinen Händchen schon jetzt wieder vermisse, nun habe ich auch noch dieses Lied in der Birne! Marc ist mitfühlend und macht den im Handschuhfach versteckten CD Spieler wieder an. Marky Mark und Prince Ital Joe sind zwar nicht viel besser als die Kinderlieder, löschen den Cache in meinem Kopf aber erfolgreich. Zurück auf der Straße an diesem langen Tag, der Cadillac folgt dem amerikanischen Golf Plus und wird wiederum verfolgt vom Police Interceptor. Die Jungs da gehen nicht mehr ans Funkgerät. Entweder haben sie keinen Bock mehr auf unqualifizierte Konversation, oder sie haben die Musik schon wieder so laut aufgedreht dass sie schlicht nichts mehr hören.
Ich liebe Autofahren. Besonders, wenn ein gewaltiger V8 unter einer nicht enden wollenden Motorhaube erhaben dahinsäuselt. Der Breitbandtacho steht knapp über 100 Stundenkilometer, viel schneller darf man hier ohnehin nicht. Das ist sehr entspannt. Der Euro-Dance Dreck der 90er ist den 80ern gewichen, und zwischen Self Control und Flesh for Fantasy macht sich Mark noch ein Bierchen auf. Die Palette auf dem Rücksitz neigt sich dem Ende, und ich kann mich nicht erinnern, daran beteiligt gewesen zu sein. Hui. Endlose, gerade Straßen mit grünen Tannenwäldern, hier und da mal ein rotes Haus und ein blauer See. Soweit scheint die Legende zu stimmen. Ob hier restlos alle Bewohner weiblich, blond und Ende 20 sind können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestätigen, die Population ist hier ein wenig ausgedünnt. Fast wie in einem Endzeitfilm. Vielleicht ist hier auch einfach nur grenzenlos viel Platz.
Genauso, wie es in diesen Breiten im Winter einfach nicht hell wird wird es im Sommer auch so gut wie gar nicht dunkel („In Schweeeden, in Schweeeden ist heut‘ Midsommarnacht ♫“ WAAAHHH da ist es wieder!). Trotzdem macht sich so etwas wie eine gefühlt Dämmerung bemerkbar, und sei es im Sichtfeld der Fahrenden. Die Unterbrechungen durch die Fähren waren zwar ganz angenehm, aber Västerås ist noch immer rund 400 Kilometer weit weg. Wir bekommen langsam Hunger, ich für meinen Teil hätte auch nichts gegen ein echtes Bier und sowohl Haaagen als auch Richy müssen schon wieder rechts ran. Na gut. Ich auch mal.
Unser Gemeinschaftstopf beinhaltet anscheinend genug frisch eingetauschte Schwedische Kronen, um auch ein Nachtquartier zu kaufen. Für ein paar Stunden die Zelte aufbauen – da hat keiner so richtig Lust drauf. Aber in Schweden sind auf fast jedem Zeltplatz auch Holzhütten verschiedener Größe, die sich für 4-8 Personen mieten lassen. Armin, unser ungekrönter Englisch-Profi, macht sich auf dem Beifahrersitz also ans Telefonieren und überfliegt parallel die Karten nach bewohnbaren Arealen in der Nähe. Hauptsache weiter in Richtung Norden. Unser erster Anlaufpunkt war klasse, blaues Wasser, grüne Tannen und alles voller blonder Schwedinnen Ende 20, da war allerdings nur noch eine kleine Dacia vom Ausmaß einer Hundehütte frei. Telefonischen Erfolg verspricht ein weiterer Campingplatz 40 Kilometer weiter nördlich, da hat man anscheinend noch Raum in der Herberge. Die Karawane zieht weiter.
Dass sich die Verkehrsschilder in Schweden auf diversen Kreisverkehren sehr weltoffen geben und in 42 verschiedenen Sprachen gedruckt wurden dient weniger der Wegfindung. Zumal sich später herausstellen soll, dass in Schweden auch wirklich nur die Verkehrsschilder weltoffen sind, aber das ist eine andere Geschichte. Die drei für europäische Verhältnisse etwas zu groß geratenen Autos irren ein wenig durch menschenleere Vororte, bis sich endlich ein Schild mit einem Zelt am Straßenrand erkennen lässt! Yay. Sieben Jungs, zwei rote Hütten mit Betten und Strom, ein blauer See, grüne Tannenbäume und… hm… zwei Grundschulklassen aus Schweden und ein U-16-Fußballclub. Als das Schiff sicher vor Anker liegt ignoriere ich die leergesoffene Palette auf dem Rücksitz (der Weg vom Fahrersitz da hin wäre ohnehin zu weit, den kann man nur mit Proviant bestreiten), mache einen kleinen Spaziergang zum entriegelten Kofferraum und zische mein erstes Bier seit 700 Kilometern. Herrlich. Hallo Schweden, der Abend geht sich gut an.
Es gibt Burger. Flapschiges Bröd, Saucen und Buletten, dazu inzwischen warm gewordenes Bier aus grünen Dosen. Ein Traum, ernsthaft, mehr muss ich nicht haben. Die Jungs haben tatsächlich Salate in Tuppperdosen mitgebracht, aber nö, das Grundbesteck genügt einem einfachen Sandmann voll und ganz. Irgend jemand hatte mich auf Facebook daran erinnert, Mückenspray mitzunehmen, was ich auch getan habe. Danke an dieser Stelle für den Tipp. Ich jauche mich mit dem Zeug ein und habe fortan eine gelbe, nach Zitrone riechende Wolke um nicht rum. Aber keine Mücken. Klasse.
Abend. Die dicken Autos schimmern im spät schwindenden Licht (also doch??). Menschen bauen gut gelaunt ihr Campinggestühl ab, spülen klappernd und lachend Geschirr oder unterhalten sich in allerhand verschiedenen Sprachen. Es duftet nach Essen, irgendwo klingt leise Musik aus einem Radio und am Wasser spielt jemand Gitarre. Abendvögel zwitschern, Libellen brummen. Ich mag diese stille Atmosphäre auf Campingplätzen und sitze noch lange draußen auf der Veranda. Vielleicht trinke ich auch noch ein oder zwei Bierchen, aber das Pensum der Beifahrer hole ich heute Abend sowieso nicht mehr nach. Muss ich ja auch nicht, ich bin ja auch eigentlich Weintrinker.
Die Bilanz der ersten 14 Stunden dieser Reise im Cadillac: Zweimal vollgetankt (Super Plus, Marc hat nicht alle Tassen im Schrank), eine Palette leergetrunken (Marc schläft schon und schnarcht), ein paar verschüttete Erinnerungen an die Musik der 90er wieder ausgegraben. Auf dem elektrisch verstellbaren Sofa des Detroiter Straßenkreuzers sitzt es sich auch auf langen Strecken sehr bequem, ich hatte mit wesentlich mehr Rückenschmerzen, einem Bandscheibenvorfall oder Seekrankheit gerechnet. Aber nein. Mir geht es gold, der Hals kratzt ein bisschen, aber die Seele schwebt mal wieder ein bisschen freier als im Alltag. Ich will noch einen Abendzigarillo am See rauchen. Richy und Armin kommen mit.
Schön hier. Wirklich wunderschön hier. Ich habe keine Ahnung, nicht einmal den blassesten Schimmer wo wir eigentlich sind. Ein paar blonde Schwedinnen Ende 20 springen neben uns ins Wasser und schwimmen ein paar Runden. Ein Haubentaucher piept schläfrig am Ufer. Was für ein endloser Frieden. Der Zigarillo kräuselt kleine, nach Vanille riechende Rauchkreise in den klaren Abendhimmel, und irgendwie haben wir gar keine Lust mehr, zu reden. Muss ja auch nicht. Vor uns liegen noch vier Tage, randvoll gefüllt mit Erlebnissen, Autos und Schweden. Und wir sind noch nicht einmal angekommen. Also, jedenfalls nicht in Västerås. Ich streu dann mal meinen Sand in eure Äuglein und wünsche euch für heute Abend schöne Träume, wir lesen und auf der Weiterfahrt…
Sandmann
Eine Geschichte, die sich gut anlässt. Deine Reiseberichte über Land und Menschen lese ich eh am liebsten.
Und Schweden, naja Skandinavien generell, darüber haben wir beide ja schon oft geredet. Unfassbar schöne Ecken…
Das man in Schweden ausländische Verkehrszeichen sammelt, habe ich in der Form so noch nicht gesehen. Selbst russisches kann man erkennen…
Nehmt euch vor den Raggaren in Acht… 😀
Ay bronx,
schön mal wieder von dir zu lesen! Hab neulich an dich gedacht, wir waren für einen Abend in Berlin und ich hätte dich fast zur Eisdiele zitiert 😉 Die Zeit war aber knapper als geplant, also habe ich mal einen ganz unöffentlichen Abend verlebt….
Schweden ist unfassbar schön. Und so groß! Und alles voller blonder Frauen Ende zwanzig! Und auch die Häuschen kosten nicht viel, allerdings… was will ich mit einem Haus in Schweden? Mist. Zu weit weg…
Die Raggare waren friedlich. Die meisten von denen waren mittags schon so besoffen, dass sie nicht mehr wussten wo oben und unten war. Und um uns rum waren auch ein paar „normale“ US Car Fans…
Viele liebe Grüße aus dem Norden
Sandmann
Eisdiele? Jederzeit. Nur rechtzeitig Bescheid geben.
Zeit, da sagst du was! Aber trotzdem, der nächste Teil wird erwartet. Weil: „ich will das weiterlesen!“ 😉
Grüße aus dem Land der Maiskolben…
Ay Bronx,
momentan muss ich meine Wörter mal dort loswerden, wo man sie bezahlt. Viel zu tun. Aber sei dir versichert, es geht weiter!
Grüße aus dem verregneten Norden
Sandmann
Oh schön liest es sich. Muss mal auf der karte nachsehen wo das ist… in Dänemark gibt es wohl auch das eine oder andere sehenswerte Treffen…
Und das ist mal im wahrsten Sinne des Wortes ein Schilderwald 😉
Ay Snoopy,
ja, das war ein Schilderwald 😉 Leider in der Wegfindung nicht sehr hilfreich. Und die überall ausgeschilderten Campingplätze waren auch nicht leicht zu finden… Na ja, wir haben es überlebt.
Västeras ist westlich von Stockholm. Ab Hamburg 1100 Kilometer. Mit Fähren oder Brücken dazwischen. Puh.
Muss beizeiten mal weiterschreiben. Die Zeit, die Zeit…..
Sandmann
freue mich immer wieder deine geschichten zu lesen … ich bin schon mal gespannt auf deinen nächsten artikel und auf deine nächste reise ..viel glück
Ay Karl,
danke schön. Mit dieser Geschichte geht es ja noch zwei Teile lang weiter, und Ende August fahren wir mit dem Taunus nach Südfrankreich… Wann soll ich das bloß alles schreiben?
Alles Gute, wir lesen uns
Sandmann
Super plus??? Der Panzer fährt sicher ohne mucken noch mit Lampenöl oder Rohöl… 😀
Mein Reden!
Aber nein, der Maestro will nur das Beste für seinen DeVille. Na egal. Das war dann nur noch der Unterschied zwischen EXTREM teuer und UNFASSBAR teuer, das war am Ende auch egal….
Sandmann
Hihi, so oder so ähnlich ging es mir vor einigen Wochen auch: ich wurde auf ein verlängertes Wochenende eingeladen, kannte außer demjenigen, der mich in die Runde involviert hatte niemanden, und bekam die Vorwarnungen über das (fehlende) Nivo mangels entsprechendem modernen Empfangsgerät nicht mit.
So ging es dann aus RLP an die mecklenburgische Seenplatte, die Biervorräte füllten einen MB Vito zur zwei Drittel, das restliche Drittel war mit nem Grill und Fleisch vollgestopft. Das alles auf zwei kleine Flösse verladen, und losgetuckert. Die Kommunikation zwischen den beiden schwimmenden Bierplattformen ging nicht per Walkie-Talkie, sondern per Megafon. Und der Contest, wer die lautere Boombox und den schrägeren Musikgeschmack hat, wurde auch weit über das stille Wasser verteilt…
Aber Spaß hatte es gemacht!
MUUUHAHAHA 😀
Das mit den Megafonen ist noch eine feine Steigerung, das werden wir für nächstes Jahr mal auf die Agenda legen. Hihi….
Ich bin ja nicht so der Biertrinker, das hatte mich vor dem Schlimmsten bewahrt. Wein trinkst du ja eher nicht gegen den Durst, und den Moonshine habe ich brav weggelassen.
Heute Nacht geht es nach Südfrankreich. Das wird sicherlich auch ein wenig gesitteter…..
Sandmann
wie immer super artikel … wie immer hast du sehr gut beschriebt was du alles gesehen und erlebt hast …<top mach einfach weiter so 🙂
Ay Karl,
du kommst spät, aber du kommst 😀 Danke für die Blumen. Schau mal was alles in Südfrankreich geht, dagegen ist Västeras ja ein Kindergarten…
Sandmann
Moin Sandmann,
sehr anschaulich und mitreißend geschrieben – nicht nur dieser Artikel in Deinem Blog! Da hab sogar ich als absolut nicht autointeressierter Mensch mich schon so richtig drin ‚festgelesen‘, und das will etwas heißen.
Eine kleine Besserwisserei kann ich mir aber nicht verkneifen:
Die „kleine Dacia vom Ausmaß einer Hundehütte“ ist tatsächlich eine kleine Datscha – das Wort stammt aus dem Russischen und hat mit der rumänischen Automarke oder der dortigen Landschaft nichts zu tun, auch wenn beides aus östlicher Richtung stammt 😉
Nichts für ungut und einen schönen Gruß
EnSch